Die Merz-Regierung plant eine tiefgreifende Selbstermächtigung. Nach dem Vorbild von Trumps Regierung per Dekret möchte sich die Schwarz-Rote Regierung ermächtigen, künftig über die Liste der (angeblich) sicheren Herkunftsstaaten allein zu entscheiden. Bisher liegt die Kompetenz für Vorschläge für diese Liste bei der Bundesregierung, aber der Bundesrat als Ländergremium muss, weil es eine föderale Entscheidung ist, die die Belange der Länder und Kommunen betrifft, bisher zustimmen.
Die CDU/CSU, namentlich Kanzler Merz haben sich nämlich in der Vergangenheit wiederholt darüber geärgert, dass der Bundesrat den Anträgen der Bundesregierung aus guten Gründen widersprochen hat. In feiner Trump’scher Art, möchte der Kanzler diese Entscheidungen künftig allein im Bundeskabinett treffen. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Problematik zwischen Bund und Ländern, die vermutlich einer sorgfältigen gerichtlichen Prüfung ebenso wenig standhalten wird, wie die rechtswidrigen Zurückweisungen von Asylgesuchen an der Grenze ohne Prüfung ihres Dublin-Status soll hier das Kabinett als Zentralkommitee der BRD ermächtigt werden, politische Entscheidungen über die Menschenrechtslage und Verfolgung in bestimmten Herkunftsländern zu treffen. Schauen wir uns doch einmal an, was die Schwarz-Rote KleiKo im Einzelnen vorhat:
Problematische Länder sollen auf die Liste
In der Koalitionsvereinbarung haben SPD und CDU/CSU ihren Willen bekundet, unter anderem Indien, Marokko, Algerien und Tunesien auf die Liste der “sicheren Herkunftsländer” zu setzen. Daraus will die Koalition die Berechtigung für die Bundespolizei ableiten, Personen aus diesen Ländern an der Grenze zurückzuweisen und ihr Asylgesuch nicht anzunehmen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Frage der Abschiebungen in diese Länder, es geht ausschließlich darum, Einreisewilligen ihr Recht zu verkürzen, einen individuellen Asylantrag stellen zu können, der das Recht auf individuelle Prüfung des Einzelfalls umfasst. Diese Einzelfallprüfung ist aber verfassungsrechtlich unverzichtbar und geboten, um im Einzelfall festzustellen, ob ein Verfolgungstatbestand vorliegt. Pro Asyl sagt hierzu folgendes:
Zum Beispiel Georgien und Moldau
“Georgien und Moldau stehen hier exemplarisch für die Schwächen dieses Ansatzes. Abtrünnige Regionen wie Abchasien, Südossetien oder Transnistrien sind weit entfernt von Rechtssicherheit. Roma in Moldau, LGBTIQ*-Personen in Georgien – sie leben oft in Angst, Diskriminierung ist Alltag, staatlicher Schutz fehlt. Gleichzeitig wird demokratischer Protest in Georgien unterdrückt, die Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Das sind keine „sicheren“ Staaten.”
Verfolgung von Minderheiten in Mahgreb-Staaten
“Wenn schon Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten fraglich sind – wie lässt sich dann rechtfertigen, etwa die Maghreb-Staaten oder Indien als »sicher« einzustufen? In Tunesien, Marokko und Algerien sind politische Aktivist*innen, Journalist*innen und LGBTIQ*-Personen massiven Repressionen ausgesetzt.” Darüber hinaus werden in Tunesien, das nach dem “arabischen Frühling” als demokratische Koalition der gesellschaftlichen Kräfte angesehen wurde, durch den Präsidenten inzwischen systematisch politsche Rechte und die Pressefreiheit unterdrückt. Die marrokkanische Monarchie verfolgt nach Informationen der Sicherheitsbehörden auch hier in Deutschland Regimegegner und in Algerien gibt es – ähnlich wie in Libyen- Flüchtlingslager, in denen Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zusammenarbeit mit Schlepperbanden an der Tagesordnung sind. Nicht selten werden Flüchtlinge, die es bis dorthin geschafft haben, von der EU mitfinanzierten “Küstenwache” an der Überfahrt ins Mittelmeer gehindert, in Lebensgefahr bebracht und landen anschließend in diesen Lagern. In allen drei Mahgreb-Staaten ist Homosexualität ein Verfolgungstatbestend und Strafbar.
Verfolgung in Indien
“In Indien verschärfen sich unter Premier Modi religiöse Spannungen – vor allem Muslim*innen sind Ziel von Gewalt, Überwachung und Ausgrenzung. Zudem schwelt der Kaschmir-Konflikt weiter – eine Region, in der willkürliche Verhaftungen, Einschränkungen der Pressefreiheit und massive Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind.” Auch die Sihks, in den Regierungen in der Vergangenheit vertreten, geraten zunehmend unter den Druck hinduistischer Radikaler. Bekanntermaßen spielen Inder in der Liste der Asyl-Herkunftsländer keine große Rolle.
Maßstab des Rechts kann niemals die Zahl von Anerkennungen sein
Aber das Charakter des Asylrechts als individuellem Grundrecht steht mit dem Konstrukt der “sicheren Herkunftsländer” zu Dispotition. Darüber hinaus plant die Koalition, möglichst viele Länder mit niedrigen Anerkennungszahlen der Liste von “sicheren Herkunftsländern” hinzuzufügen. Das ist so unsinnig wie Verfassungswidrig, zeigt aber, dass die Koalition entweder den Sinn individuellen Grundrechtsschutzes entweder nicht versteht oder mutwillig mit Füßen tritt. Denn ob einer LGBTQ-Person in Marokko allein wegen der sexuellen Orientierung jahrelange Haft, Mißhandlung und Folter droht und das daraus folgende Recht auf Schutz kann niemals eine Frage der Zahl solcher Fälle sein.
Ausschließlich symbolische Politik
Die Politik der KleiKo entpuppt sich damit als reine Symbolpolitik, zumal Friedrich Merz es scheut, die differenzierte Lage der Haupt-Fluchtländer Türkei und Syrien offen anzusprechen und diplomatische und poltische Folgerungen daraus zu ziehen. Nach wie vor ist die politische Repression Erdogans in der Türkei der Hauptgrund für die größte Gruppe von Asylsuchenden. Und die politische Situation in Syrien ist noch völlig ungeklärt. Die KleiKo erweist sich auch hier als komplett handlungsunfähig. Von den 7.000 Ärzten mit Syrischem Hintergrund, die in Deutschland arbeiten und die gerne zeitweilig in Syrien helfen und aufbauen möchten, gleichzeitig aber die Möglichkeit brauchen, hier weiter arbeiten zu können, weil unser Gesundheitssystem ohne sie zusammenberechen würde, ihre Arbeit aber auch die beste Wiederaufbauhilfe sein könnte, finden die bornierten und von der AfD und Chauvinismus geprägten Denkkategorien von Dobrindt und Co. keinerlei pragmatische Antworten. Und ein letztes: Die Erklärung “sicherer Herkunftsstaaten” hat für die Zahl zurückgewiesener Personen fast keine Bedeutung. Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern abgelehnter Füchtlinge dagegen wären relevant. Aber dazu müsste die Bundesregierung mit diesen (Schurken-)staaten verhandeln. Und da wir alles viel schwieriger, als locker-großmäulige und populistische Ankündigungen von Friedrich Merz und Markus Söder im Wahlkampf.
Verfassungspolitische Qualität der Angriffe auf Grundrechte
Machen wir uns nichts vor: Durch die rechtskonservative Assimilation von AfD-Forderungen der Merz/Söder CDU/CSU ist in diesem Land mehr passiert, als nur ein Regierungswechsel: Individuelle Grundrechte werden bedroht, die Gewaltenteilung – sei es am Beispiel der Reaktion von Merz auf das Berliner Verwaltungsgerichtsurteil in Sachen Asyl-Zurückweisung oder dem Versuch, am Beispiel “sicherer Herkunftsländer” die Verfassungsrechte der Länder auszuhebeln – wird von der KleiKo in geringerem Maße aber in demselben Geist wie dem der demokratischen Geisterfahrer in der Trump-Regierung gefährdet. Diese Regierung entwickelt sich zu einer “Trump-Light” Variante des Demokratieabbaus und die demokratische Opposition, ob Linke, Grüne und die Teile der SPD, die in der Regierung bei Verstand geblieben sind, haben bisher dagegen kein Mittel gefunden.
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