Meinungs- und Pressefreiheit sind für uns fast eine Selbstverständlichkeit. Wenn nicht die AfD aufgetaucht wäre, die selbst die Meinungsfreiheit bis zum Exzess in Anspruch nimmt, sich aber gleichzeitig über ihr nicht passende herabsetzende Äußerungen beschwert. Nun erleben wir, dass es noch ganz anders laufen kann. In den USA sorgt Donald Trump fast täglich mit einem neuen Dekret dafür, dass Freiheiten kassiert werden und dass Personen und Institutionen, die ihm widersprechen, ihn kritisieren oder sich gar über ihn lustig machen, eingeschüchtert, als illegal oder kriminell bezeichnet, diszipliniert, verfolgt und verklagt werden.
Nicht nur Menschen sind betroffen. Mit Dreistigkeit und Rücksichtslosigkeit werden Schul- und Universitätsbibliotheken „gereinigt“ (vielleicht folgt bald eine Bücherverbrennung, zumindest ein Bücherverbot), Museen müssen „amerikanischen Werten“ Vorrang geben. Universitäre Selbstverwaltung und Wissenschaftsfreiheit werden unterdrückt. Die Justiz wird missbraucht (sofern sie mitspielt), um rechtswidrige Entscheidungen durchzusetzen. Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Oppositionelle werden zensiert und eingeschüchtert. Multilaterale Organisationen werden nicht ernst genommen. Im Zweifel tritt Tump aus, sogar wenn die USA einst selbst diese Institutionen ins Leben gerufen haben.
Medien und Journalisten müssen mit Repressionen rechnen, bei unerwünschter Berichterstattung wird ihnen der Entzug der Lizenz angedroht. Aktuell wurde die Berichterstattung über militärische Angelegenheiten untersagt. Mediale Kritik an Trump soll aufhören. In etlichen Medien herrscht bereits eine Art Selbstzensur, andere werden von Trump-nahen Milliardären aufgekauft. Trump nutzt jede Lücke, jeden Mangel der geltenden Ordnung, um grundlegende verfassungsrechtliche Regeln zu brechen.
Es geht Trump nicht um Wahrheit, Argumente und Anstand, sondern um Macht und Durchsetzung. Dabei sind ihm Regeln und Gesetze nur im Wege. So bleiben Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit auf der Strecke. Einst galten die USA als Vorbild für Presse- und Meinungsfreiheit. Mit seiner Eigenmächtigkeit hat Trump bewirkt, dass die Gruppe der autokratischen Staaten, in denen diese Rechte nur auf dem Papier stehen, massiven Zuwachs bekommen hat. Die USA sind bekanntlich das Land mit der drittgrößten Bevölkerung und liegen auf Platz 1 aller Volkswirtschaften. Nur in einem Punkt garantiert Trump Meinungsfreiheit: Er selbst hat das uneingeschränkte Recht, sich zum Friedensnobelpreisträger zu nominieren.
Offensichtlich lässt sich Trump nicht von der systematischen Verletzung von Recht und Gesetz abhalten und durch nationale und internationale Gesetze, Völkerrecht, und Resolutionen internationaler Organisationen nicht beirren. Und gewiss nicht durch Anlässe wie den Tag der Informationsfreiheit und den Tag der Pressefreiheit.
Der “Tag der Informationsfreiheit” bezieht sich auf den „Internationalen Tag des allgemeinen Informationszugangs“ am 28. September, der 2019 von den Vereinten Nationen eingeführt wurde, um das Recht auf Informationszugang zu fördern, Verletzungen der Pressefreiheit zu rügen sowie auf die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung für die Existenz von Demokratien aufmerksam zu machen. Der Gedenktag geht auf eine Initiative zivilgesellschaftlicher Organisationen aus verschiedenen afrikanischen Staaten zurück, die den Tag seit 2002 feiern. 2015 schlug die UNESCO den Tag als offiziellen Gedenktag vor.
Der 3. Mai ist der „Internationale Tag der Pressefreiheit“. Bei diesem Anlass wird jährlich auf die grundlegende Bedeutung einer freien Berichterstattung und auf die vielen Verletzungen der Pressefreiheit aufmerksam gemacht. Der Welttag will zum Schutz der Pressefreiheit aufrufen, Verletzungen anprangern und jener Journalist/innen gedenken, die aufgrund ihrer Tätigkeit verfolgt, verhaftet oder gar ermordet wurden. Das Datum des Gedenktages wurde in Erinnerung an die Konferenz von Windhoek gewählt, in der am 3. Mai 1991 afrikanische Journalist/innen freie, unabhängige und pluralistische Medien auf dem afrikanischen Kontinent forderten.
In Deutschland gibt es noch eine weitere Aktivität, die der Meinungsfreiheit dient, Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels veranstaltet in jedem Jahr vom 3. bis 10. Mai eine „Woche der Meinungsfreiheit“. 2025 waren die Gefährdung von Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit sowie der Einfluss sozialer Medien, Algorithmen und Künstlicher Intelligenz die Schwerpunktthemen. Der 3. Mai ist der Internationale Tag der Pressefreiheit und der 10. Mai der Gedenktag an die Bücherverbrennungen in Deutschland.
Gedenktage entfalten keine rechtlich bindende Wirkung, sie haben Motivations- und Appellfunktion. Anders ist es bei Gesetzen, vor allem bei Verfassungsbestimmungen. Hierzu kennen die USA eine konkete Vorgabe zur Rede- und Pressefreiheit, den 1791 beschlossenen Ersten Zusatzartikel zur Verfassung. Der Wortlaut des Artikels betrifft zunächst nur den Kongress. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in mehreren Urteilen entschieden, dass diese Bestimmung auch für die Bundesstaaten gilt:
„Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das eine Einrichtung einer Religion zum Gegenstand hat oder deren freie Ausübung beschränkt, oder eines, das Rede- und Pressefreiheit oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und an die Regierung eine Petition zur Abstellung von Missständen zu richten, einschränkt.“
Für Donald Trump haben dieser und andere Verfassungsartikel offenkundig nur eine nachrangige Bedeutung. Er hat systematisch mit einer Fülle von Dekreten Gesetzesvorgaben und etablierte Verfassungsnormen verletzt. Insbesondere die Pressefreiheit wird eingeschränkt. Weit über 100 Klagen sind dagegen eingereicht worden – vielfach mit Erfolg. Entscheidend wird sein, was das von Trump-Gefolgsleuten dominierte oberste Gericht (Supreme Court) letztlich dazu sagt. Dieses wird inzwischen tätig. Es will prüfen, ob Trump rechtmäßig handelt, wenn er die Kontrolle über unabhängige Bundesbehörden übernimmt, deren Personal entlässt oder sich neue Befugnisse anmasst, die das Parlament ihm ausdrücklich verweigert hat.
Die Demokratische Opposition ist inzwischen wach geworden. Sie prangert Zensur an, sieht die Meinungsfreiheit in Gefahr und will sie durch ein Gesetz schützen. Mit diesem Gesetz sollen Regierungsvertretern „reale Konsequenzen“ drohen, sollten sie die in der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit unterdrücken. Die Erfolgsaussichten für diesen Gesetzentwurf sind allerdings gering. In beiden Häusern des Parlaments sind die Demokraten derzeit in der Minderheit.
Wahrscheinlich haben inzwischen selbst optimistische Anhänger der demokratischen Partei erkannt, wie schlimm Trump gewütet hat und dass selbst bei einer Änderung der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nicht alle seine Entscheidungen einfach korrigiert werden können. Es dürfte schwierig sein, die vorherige Verwaltung wieder herzustellen, wenn Behörden geschlossen, Mitarbeitende entlassen, Aktenbestände entsorgt und Gebäude verkauft wurden. Zudem ist mit dem Widerstand des Supreme Court zu rechnen.
Nicht nur nationale Gesetze, auch völkerrechtliche Abkommen entfalten eine bindende Wirkung. Diese gilt selbstverständlich auch für die USA, die in der Regel Vertragsstaat sind. Bei Verstößen, wie sie typisch für Trump sind, taucht dann die Frage nach Durchsetzung, Kontrolle und Sanktionen auf. Oftmals sind die Bestimmungen eher deklaratorischer Natur, sie legen vor allem fest, welche Rechte die Bürger/innen haben. Wenn die Meinungs- und Pressefreiheit so konsequent gewährleistet würde, wie es in internationalen Konventionen vorgegeben ist, brauchte man sich keine Sorgen zu machen.
~ Art. 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“ und das Recht, „über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen … zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
~ Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
~Art. 11,1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 5 des Deutschen Grundgesetzes enthalten vergleichbare Bestimmungen.
Auf internationaler Ebene bestehen zentrale und dezentrale Mechanismen, darunter Menschenrechtsdialoge, Wirtschaftssanktionen und die Überwachung durch Menschenrechtsverträge, um die Rechte der Bürger zu sichern. Zunächst sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die allgemeinen Menschenrechte – und damit auch die Meinungsfreiheit – auf ihrem Gebiet zu gewährleisten.
Sodann gibt es ein mehrstufiges System aus politischen Organen und Vertragsorganen der Vereinten Nationen sowie zur Meldung von Verstößen durch Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen. Die Vereinten Nationen überwachen die Ratifizierung von Konventionen und überprüfen die Situation in den Staaten durch das Universal Periodic Review. Sie können Sonderberichterstatter einsetzen, einen Menschenrechtsrat ernennen und durch den UN-Sicherheitsrat Sondergesandte entsenden. Die Möglichkeit einer Klage vor einem Internationalen Gerichtshof besteht nicht.
Die UNESCO nimmt für sich in Anspruch, bei den Vereinten Nationen weltweit für den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit zuständig zu sein und sich für die Sicherheit der Journalist/innen einzusetzen. So prangert sie die Verfolgung und Ermordung von Journa-list/innen an und bemüht sich um die Aufklärung solcher Verbrechen. Weniger als 10 % der Gewalttaten werden aufgeklärt. Bemerkenswert ist, dass Auslandskorrespondenten re-lativ selten betroffen sind. Zumeist geht es um Lokaljournalisten, die illegale Aktivitäten aufdecken.
2009 wurde von 48 Herausgebern und führenden Journalist/innen aus neunzehn europä-ischen Ländern die Europäische Charta für Pressefreiheit vorgelegt. Diese nicht bin-dende Leitlinie fordert z.B. das Verbot der Zensur, freien Zugang zu nationalen und inter-nationalen Informationsquellen, das Verbot von Überwachung, Bespitzelung und Durch-suchungen und die Freiheit der Informationssammlung und -verbreitung. Ziel ist es, dass alle EU-Staaten die Charta als verbindlich anerkennen.
In der Rangliste der Pressefreiheit von 2024 liegen unverändert die nordeuropäischen Staaten vorn, Norwegen gefolgt von Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland. Die folgenden vorderen Plätze werden im wesentlichen von europäischen Staaten belegt. Positiv zu erwähnen sind Jamaika (Platz 24) und Trinidad &Tobago (25). Die USA (55), Japan (70), Ukraine (61) liegen im Mittelfeld; der Wert der USA dürfte sich dramatisch verschlechtern. Etwas überraschend sind die schlechten Ränge von Israel (101), Singapur (126), Jordanien (132), Pakistan (152) und Indien (159).
Die hinteren Plätze belegen Eritrea, Syrien, Afghanistan, Nordkorea und der Iran. Nicht gerade überraschend ist, dass wir dort auch Nicaragua (163), Venezuela (156), die Türkei (158), Ägypten (170), Myanmar (171), Saudi-Arabien (166), Belarus (167), Kuba (168), China (172) und den Irak (169) finden. Der Sudan liegt auf Platz 149, der Südsudan auf 136. Deutschland hat sich von Platz 21 auf Platz 10 verbessert. Wesentlicher Grund ist, das sich die Lage in anderen Ländern so drastisch verschlechterte, so dass sie Plätze verloren.
In manchen Krisenstaaten ist kaum noch eine freie Berichterstattung möglich, vor allem aufgrund despotischer Regierungen oder kriegerischer Konflikte. Das gilt beispielsweise für Afghanistan (Platz 178), Myanmar (Platz 171) oder Jemen (Platz 154). Die Zahl der Einschränkungen, Einschüchterungen und Verhaftungen hat weltweit 2023 einen Höchststand erreicht. Besonders rigoros gehen Hongkong (Platz 135), China (Platz 172) und der Iran vor (Platz 176). Im April waren mehr als 500 Journalist/innen inhaftiert. Russland (Platz 162) versucht seit dem Krieg gegen die Ukraine, kritischen Journalismus durch Verbote, Verhaftungen, Geldstrafen und „Spezialgesetze“ zum Schweigen zu bringen. Kritische und ehrliche Berichte über den Konflikt werden hart verfolgt.
Informationen sind oft ein Anstoß zu Veränderungen, daher versuchen autoritäre Regierungen, eine freie Berichterstattung zu verhindern. Übergriffe im Umfeld von Wahlen und katastrophalen Bedingungen für Medienschaffende sind dann nicht selten. Wenn Medien nicht unabhängig über Unrecht, Machtmissbrauch und Korruption berichten dürfen, findet keine öffentliche Kontrolle statt. Wahrscheinlich werden in solchen Ländern auch andere Menschenrechte verletzt. Insofern ist Pressefreiheit stets ein zuverlässiger Indikator für Freiheit und Menschenrechte.
Die Häufigkeit von weltweiten Einschränkungen und Behinderungen der Pressefreiheit belegt eindeutig, wie notwendig ein ‘Tag der Pressefreiheit’, die Aktivitäten und Dokumen-tationen der Reporter ohne Grenzen, internationale Konventionen zum Schutz von Mei-nungs- und Pressefreiheit und die Bemühungen der UNESCO und anderer Institutionen auf diesem Feld sind. Es ist zu befürchten, dass der Kampf um Pressefreiheit noch lange dauern wird.
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