Guerilla-Maloche gegen das imperiale Projekt

Update abends: und eine Mediathekperle

Stephan Weichert ist mir schon länger ein Begriff. Für irgendwas-mit-Vernunft. Er ist gar nicht mehr so jung (52) und macht dafür merkwürdig wenig Lärm um sich selbst. Das spricht für angenehme Charakterzüge (Spekulation), oder gerade besonders schwierige? (noch mehr Spekulation). Aber dieser Text ist spitze:

Stephan Weichert/taz: Zwischen Euphorie und Dystopie: Es gibt keine künstliche Intelligenz – Die KI-Debatte pendelt zwischen Heilsversprechen und der Sorge vor Kontrollverlust. Sie offenbart viel über Ängste und Sehnsüchte unserer Gesellschaft.”

Schade nur, dass die taz in viele Jahre langer Penetranz online keine Links setzt. Darum hier mein besonderer Service, den ich immer wieder gerne meinem Freund Ingo Arend angedeihen lasse, in diesem Fall für diesen wirklich guten Weichert-Text.

Ray Kurzweil: The Singularity Is Nearer

Ders. im Spiegel

Singularity University

Mustafa Suleyman: The Coming Wave

KI-Resilienz

NYT gegen OpenAI (Tagesschau-Meldung)

Martin Andree (taz verlinkte nur auf sich selbst)

Karen Hao: Empire of AI

Tristan Harris – “Wettrennen um Intimität”

Zitat Weichert: “je häufiger wir die Maschine befragen, desto stärker tritt die Kulturtechnik des Zweifelns in den Hintergrund: das Prüfen, Abwägen, Kontextualisieren. ‘Medienkompetenz’, dereinst als pädagogische Maßnahme gegen Medienmanipulation ersonnen, wird ihre Grundlage entzogen. … Utopien zerbröseln schnell an Sicherheitsprotokollen, Betriebsratsvereinbarungen, unübersichtlichen Regelwerken. In manchen Redaktionen werden Prompts wie Geheimrezepte gehütet, als ginge es um Betriebsgeheimnisse; anderswo sperrt man die Tools gleich ganz weg, aus Angst vor Datenlecks oder Urheberrechtsverstößen. So entstehen Informationsasymmetrien im Inneren der Organisationen. … droht der weitverbreitete Linkjournalismus zu kollabieren. Wenn die Maschine den Umweg über den Journalismus erspart, verlieren Medien nicht nur Reichweite – sondern auch ihre ökonomische Grundlage. … Journalismus first, KI second

Dä. Von dem Autor kann auch die Digitaz noch was lernen. Warum kann die nicht, was ich in einem halben Stündchen kann? Und die kriegen sogar (wenig) Geld dafür.

Update abends

“Angriff auf unser Menschsein” (Sherry Turkle)

Weichert plädiert für “Journalismus first”. Entscheiden Sie selbst, inwiefern Sie das gewährleistet sehen. Dieser Film von Fred Peabody/Arte gehört für mich dazu: Der digitale Tsunami – Wie verändert sich unsere Welt, wenn KI Entscheidungen über Leben und Tod trifft, Maschinen uns beraten und Kinder mit Bildschirmen groß werden? Der Dokumentarfilm zeigt die Umbrüche der digitalen Revolution – mit all ihren gesellschaftlichen, psychologischen und politischen Konsequenzen.” Verfügbar bis 18.1.26.

Und wieder wird bewiesen: “It’s the economy, stupid!” Ohne Revolution wird es nicht gehen …

Nachricht des Tages

Aus dem Zentrum der Weltmacht berichtet Newsweek, und die KI der Ippen-Gruppe hat es übersetzt: “Chinas Präsident Xi Jinping säubert seinen inneren Kreis – und bleibt einsam an der Macht”.

Zweifellos ist diese Meldung spekulationsgetränkt. Aber wichtiger als der meiste Trash, der täglich über Sie und mich ausgekippt wird. Und die beste Nahrung für Spekulationen ist (immer!) Transparenzmangel, Klandestinität, Geheimnistuerei.

Zweifellos ist der trump-überlegene und putin- sanktionsfähige Herr Xi Jinping über seine gesamte wendungsreiche politische Karriere darauf bedacht, sich als Anti-Korruptions-Kämpfer zu präsentieren. Inwieweit dieses von ihm präsentierte (Selbst-)Bild in der Öffentlichkeit politische Substanz hat, entzieht sich fast vollständig meiner Fachkenntnis. Aber es ist schlau. Von den gesellschaftlichen Triebkräften seines Landes und dieser Welt versteht der mächtige Mann mehr als Andere. Und zufällig ist diese Art seines Regierens auch besonders effizient für seinen Machterhalt. …

Der niedergehende Spiegel übrigens versucht seine schwindsüchtige Auflage mit der Epstein-Affäre zu pimpen (alles Paywall). Steckt noch irgendeine neue Substanz dahinter? Wenn es einer internationalen Kooperation entspringt – vielleicht. Für den Spiegel lohnt mir das Paywallbohren nicht …

Schlimmer noch der

Trash des Tages

Wenn Sie oben den klugen Herrn Weichert gelesen haben, was fällt Ihnen dann noch dazu ein?

Ben Kutz/MDR-Altpapier: Die linearen Retter – Innovation im deutschen Fernsehen gibt’s leider quasi nie.Und lineares Fernsehen ist eh tot. Mit zwei Sendungen schaffen es Joko und Klaas, diese Behauptungen zu entkräften. Gutes Anarcho-Fernsehen wird nie sterben, Gott sei Dank.”

Da halte ich gegen. Zwar machen die von Kutz genannten Herren (noch!) gute Geschäfte, aber doch eher als Blutsauger an einem werdenden Leichnam. Zweifellos kann Olli Dittrich ausgezeichnet labern, besser als Andere. Aber wer braucht das?

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger