Je grausamer und verbrecherischer, umso stiller …
Ist es launig? Oder sarkastisch? Wolfgang Storz/bruchstuecke reflektiert über die Reflexe der Öffentlichkeit auf “unseren” superintelligenten Bundeskanzler: “Regieren mit Wortfetzen”. Nicht abwegig. Dennoch behaupte ich, dass seine bornierten sauerländischen Reflexe ihm selbst, und noch mehr seinem Berater*innen*stab, einen Streich gespielt haben. Denn was Storz und ich seit Jahrzehnten über den Kerl wissen, das erkennen jüngere Teile der Öffentlichkeit erst jetzt durch sein Tun und Stammeln. Und es mobilisiert ganz offenbar nicht nur seine eigenen Leute. Manche linke Bescheidwisser kräuseln ihren Bauchnabel darüber, dass sie statt mitzumachen lieber lästern, wie lange sie bescheidwissen, was viele jetzt erst merken. Klassisches Eigentor im politischen Prozess.
Zum gegenwärtigen Funktionieren der inländischen Aufmerksamkeitsökonomie gibt es einen interessanten Versuch materialistischer Analyse von Raphael Wolter/Junge Welt: “Zwischen Kommerz und Widerstand – Fußball und Klassenkampf: Zur gesellschaftlichen Logik eines populären Spiels” Durchaus lesenswert und nur wenige Tage verfügbar, weil dann in einem Paywallarchiv beerdigt. In meinen Augen ist Wolters Materialismus allzu mechanistisch gedacht. Aufmerksamkeit ist zwar nicht physisch greifbar, aber eine reale Währung der Medienökonomie. So wie es unsere Daten in der Digitalökonomie sind, die derzeit die Machtverhältnisse auf dem Planeten nicht umstürzt (im Gegenteil), aber umgräbt und betoniert.
Null Reflexe zur »größten humanitären Krise der Welt«
Es ist ja – leider – schon bemerkenswert, wenn überhaupt ein deutsches Medium einen Pups zum Sudan lässt. Das sind aktuell – ein seltenes Gespann – der Deutschlandfunk und die Junge Welt. Der DLF interviewte gestern mitten in der Nacht (6.50 h) meinen alten Jungdemokraten-Freund Volker Perthes, dessen Stimme mir bersorgniserregend brüchig klang, was aber auch am geäusserten Inhalt liegen dürfte:
“Sudan-Experte Perthes: Den Kriegsparteien muss man die Ressourcen entziehen – Laut Einschätzung des Politologen Volker Perthes werden beide Kriegsparteien im Sudan aus dem Ausland unterstützt, etwa von Ägypten. Erst wenn man ihnen Ressourcen wie Geld und Waffen entziehe, könne der Krieg gestoppt werden.” Audio 13 min.
Die gleiche Botschaft mit anderen Worten verkündet sehr kursorisch auch Luca Schäfer/Junge Welt, der regelmässig für die “News-Fabrik” (G. Kolonko) telepolis schreibt: “Sudan: Golfkapital am Nil – Sudan: Kriegsverbrechen von RSF-Miliz durch Vereinigte Arabische Emirate ermöglicht”. Auch dieser Text wird in einigen Tagen digital verschwinden.
Warum so wenig Lärm in der deutschen Aufmerksamkeitsökonomie über diese verbrecherischen Massenmorde? These: weil die hiesigen Herrschenden darüber noch glücklicher sind, als über die Menschenrechtsverbrechen des Despoten Erdogan (mit dem, das nur zur Erinnerung, schon die kürzlich hier in Bonn gefeierte Angela Merkel eifrig gedealt hatte). Denn wirkungsvoller können Flucht und Migration aus Südsudan, Somalia, Eritrea, Äthiopien, Ostkongo u.v.a. wohl kaum unterbunden werden. Warum also laut lamentieren? Die Waffenlieferanten und Diktatoren beider Seiten (Vereinigte Arabische Emirate einerseits, Ägypten andererseits) sind öffentlich proklamierte “beste Freunde” der hiesigen Herrschenden.
Lasst sie mal machen. Es trifft doch nur Schwarze und Moslems …

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