SPD und Watzke im Vergleich – gelebte Multikultur
Vor vielen Jahren nahm mal eine Mitgliederversammlung der Bonner Grünen einen spektakulären Verlauf. Ein Kreisvorstandsmitglied wurde mit Mehrheit gewählt. Und nahm die Wahl nicht an, weil ihr ihr Wahlergebnis nicht gut genug war. Es gibt in der Politik real existierende Menschen, die es als ihr Menschenrecht betrachten, gewählt zu werden. Ein grosses Missverständnis, wohl nur zu erklären durch den Individualisierungsschub, der vom allgegenwärtigen neoliberalen Kapitalismus ausgeht. Hat es der Gewählten und ihr Ehrenamt nicht Antretenden geschadet? Nicht wirklich. Heute ist sie Mitglied des Stadtrates. Gut, manche sehen das als Strafe an …
Wie kommichdrauf? Nicht, dass mich die Berliner Kommunalpolitik übermässig interessiert. Noch weniger die dortige SPD. Ihre Münchner Genossen lassen über ihre dortige Lokalpresse (Paywall) mitteilen „Es kann nicht sein, dass wir drittstärkste Kraft bleiben“. Haha, das würden ihre Berliner Genoss*inn*en wohl schon als grossen Wahlsieg ansehen. Sie stehen in aktuellen Umfragen auf Platz 5, nur noch unterboten von BSW und FDP (= verschwunden).
Der bundesweite “Eliten”-Sender Deutschlandfunk eröffnete am Wochenende seine Startseite einige Stunden mit denen hier. Der Mann von den beiden wurde kürzlich mit 68,5% der abgegebenen Stimmen von seiner Partei zum Kandidaten nominiert. Und hatte danach darauf keine Lust mehr. Kann ich verstehen. Wer hat schon Lust, mit nur gut 2/3 Rückenwind nach Berlin umzuziehen. Aber, ach so, der wohnt ja schon da …
Gleich nebenan in Brandenburg, nein, nicht das Bundesland, sondern die gleichnamige Kleinstadt, noch kleiner als Gladbeck, die Stadt meines Abiturs, in der der Sohn des OB ein Schuljahr in der Reihe hinter mir sass, diese Stadt blieb mir in Erinnerung, weil dort an ihrem Bahnhof von den durchfahrenden Interzonenzügen aus jahrzehntelang eine Dampflok als Denkmal zu sehen war. In dieser kleinen Kleinstadt also wurde gestern ein SPD-Kandidat zum Oberbürgermeister gewählt. Nicht mit über 68, sondern nur mit 60,4%. Bei einer mickrigen Wahlbeteiligung von 39,2%. Dä.
Der hat aber offenbar seine Wahl angenommen. So, wie der CDU-Millionär (“gehobene Mittelschicht”) Hans-Joachim Watzke. Der erhielt vom e.V. der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA gestern nur 59%. Das war der FAZ sogar einen paywallfreien Korrespondentenbericht wert. Watzke hatte den bisherigen Amtsinhaber vorher mit mutmasslichen Angeboten, die der nicht ablehnen konnte, aus dem Rennen gekickt. Die Vereins- und Fanbasis war darüber so wenig amüsiert, dass er sein Wahlergebnis mit einigem Recht als “überraschend gut” bewerten kann. Er versteht eben mehr von Macht, als die in ihrer eigenen Herzkammer abgewählten Sozialdemokrat*inn*en.
Wen ausser den DLF interessiert also noch Berlin?

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