Beueler-Extradienst

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Wundersame Post?

Der Neoliberalismus: Privatisierung macht alles besser, billiger, zuverlässiger!
Vorgeschichte: Meine Tochter brauchte ein neues Bedienteil für die Klimaanlage ihres Audi A2 – eines der ersten Ökoautos nebenbei. Preisgünstig dienstags im Internet gebraucht gefunden und erstanden. Der freundliche Verkäufer brachte am gleichen Nachmittag das Paket per DHL-Express in Offenbach auf den Weg. Für 16 Euro Gebühr.

Denn es sollte spätestens Donnerstag in Bornheim/Rheinland ankommen, um am Freitag eingebaut zu werden – die Karre sollte  freitags fertig sein.  Und schon kam auch die Email von DHL, dass ich die Sendung verfolgen könne. Eigentlich habe ich besseres zu tun, der Postbote soll einfach seine Arbeit machen! Dachte ich.

Da am Donnerstagmorgen nichts passierte, füllte ich bei DHL den Ablageort ein. Auf keinen Fall mitnehmen, falls niemand da ist, sondern hinterm Zaun ablegen oder dem Nachbarn aushändigen. Von der APP so bestätigt. Dasselbe wurde mit Leucht-Post-It an der Haustür hinterlassen und – ich war die ganze Zeit da. Gespanntes Warten, was 16 Euro Gebühr bewirken.

Um 13.30 Uhr komisches Gefühl, bislang keine Klingel. Ich renne raus vor die Haustür – niemand zu sehen, nichts hinterm Zaun, nichts im Briefkasten. Auf meinem Handy prangt die Nachricht mit der Falschbehauptung: “Wir haben Sie nicht angetroffen, das Paket ist auf den Weg zu einem Ablageort”. Welchem, steht da nicht. Mein Nachbar, die ganze Zeit über an seinem Mercedes schraubend: “Ja, Du hast richtig vermutet, gerade eben war ein DHL-Fahrzeug da. Der Bote ist auch an Deine Haustür gegangen, hat aber gleich wieder umgedreht. Mit mir hat er nicht gesprochen, ich dachte, der hat Dir das drüben abgelegt.” “Nee,” sage ich, “er hat nichtmal geklingelt.”

Die Jagd nach dem Paket beginnt

Ich beschließe, den vor einer Minute geflüchteten Paketboten zu suchen. In der Königstraße treffe ich das erste einschlägig gelbe Elektromobil – “Nein, er sei für meine Adresse nicht zuständig”, sagt der Bote, aber ich sollte es mal oben in Brenig versuchen, da wäre der Kollege unterwegs. Ich schlängele mich durch die 30-km-Zone, treffe auf den nächsten DHL-Laster. Komischerweise kennt er meinen Namen, meint aber, er habe nichts mit der Lieferung zu tun. Ich solle doch, wenn ich Zeit hätte, nach Hersel in die Mainzerstr. 10 fahren, da sei sein Stützpunkt und sein Vorgesetzter, der habe die Handynummern aller Fahrer.  Warum der Kollege weder den Zettel gelesen, noch dem Nachbarn wie vereinbart das Paket übergeben habe, verstehe er auch nicht. Für 16 Euro Gebühr kann ich das verlangen, denke ich. 13.45 Uhr

Die falsche Fährte

Erstmal führt mich mein Navisytem in die Irre. Nach 14 Minuten bin ich in der Mainzerstr. 10 – leider in Wesseling, von DHL weit und breit nix zu sehen. Neu gesucht, nun die richtige Mainzerstr. 10 in Bornheim-Hersel. 14.20 Uhr. Mit Hilfe eines Mitarbeiters einer IT-Firma, der das Internet rapariert “ich hab hier auch erst niemanden gefunden, aber fragense mal den Kollegen da vorne” treffe ich einen DHL-Mitarbeiter, der für mich in einer riesigen Halle den “Chef” sucht, der die Handynummern der Fahrer hat.  Nach 10 Minuten finden wir ihn, er ist auch freundlich, hört sich mein Problem an, um zu resümmieren: “Jaaa da kann Ihnen hier niemand helfen, da sind Sie falsch. DHL Express, das sind wir nicht, das wird von Köln aus organisiert.” Für 16 Euro Gebühr, bedanke ich mich.

Er könne mir leider überhaupt nicht helfen, ob ich denn einen Zettel im Briefkasten gehabt hätte. Hatte ich nicht, antworte ich noch. Er eskortiert mich noch aus dem Gebäude hinaus, meine Sorge als Datenschützer, um die Möglichkeiten, das Postgeheimnis zu verletzen, beschwichtigt das etwas. Die Sorge um den Gesamtnutzen des Unternehmens  Post-AG/DHL sinkt dagegen rapide. Es ist 14.55 Uhr.

Ohne Hinweis, ohne Nachricht

Frustriert verlasse ich das DHL-Gelände mit den über fünfzig  Ladestationen für die E-LKW. Auf meinem Handy hat sich inzwischen neben der Mail, dass man mich nicht angetroffen habe, eine weitere Nachricht manifestiert: “Ihr Paket wurde an die DHL/Poststelle am Edeka in Bornheim geliefert.” Meine Zweifel sind groß, denn ich bin gewohnt, dass diese Art Meldungen erst am nächsten Tag verifizierbar sind, weil die DHL nichts am gleichen Tag ablegt. Trotzdem fahre ich dort hin, schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Es ist 15.20 h, als ich am Schalter vorspreche. Der Mitarbeiter, der mich kennt, tröstet: “Vielleicht finde ich es ja.” – und tatsächlich: Gegen 15.30 h findet er unter den vielen Stücken meine Express-Sendung. Meine Jagd und alle Aufregungen wären ja nicht nötig gewesen, wenn der Bote wie vereinbart das Paket hinterm Zaun abgelegt hätte, frage ich ihn. “Neeeee,” sagt er, “das dürfe der garnicht”. Warum stand das nicht in der APP, von der ich gebeten wurde, einen alternativen Ablageort einzutragen, frage ich. Das kann er natürlich nicht beantworten und wir trennen uns im Bewusstsein freundlicher, gegenseitiger Ratlosigkeit. Vielleicht braucht der eine den anderen ja trotzdem nochmal… Ich packe das Paket ins Auto und bringe es zur Werkstatt nach Bonn, wo der A2 steht. Ich rege mich nicht auf. Mit 71 tut man das nicht mehr, könnte Lebenszeit kosten. Ich schalte das Radio auf Dire Straits: “Let’s go down to the Waterline”.

Fazit der Expressjagd

Für 16 Euro DHL-Expressgebühr, zuzüglich 2 Stunden Fahrt unter Adrenalineinfluss (mein Stundensatz als Berater ist 200 €) und 84 km Fahrtstrecke (steuerlich mal 0,30 ergibt € 25,20) ergibt Euro 341,20. – wenn ich böse wäre! Im Ernst: Um ein etwa 500 Gramm schweres Objekt von Dienstagnachmittag bis Donnerstagnachmittag von Offenbach nach Bonn zu bringen, ist heute ein solcher Aufwand nötig – die Rolle der Post ist dabei marginal. Den Gesamtaufwand und die Nervenkraft habe ich getragen. Arschkarte nennt man sowas.

Was wäre vor 1985 passiert?

Als Post AG und DHL noch “Deutsche Bundespost” hießen, natürlich viel mehr und besser bezahlte und sozial abgesicherte Beamte beschäftigte, die für ein solches Expresspaket vielleicht sechs bis zehn  D-Mark verlangt hätte, bin ich sicher, dass sie das Problem innerhalb dieser Zeit locker bewältigt hätte. Aber im Gegensatz zu heute, wo es nur noch darum geht, dass der unterbezahlte, sozial nicht abgesicherte Paketbote behaupten kann, dass er dagewesen sei, war das Ziel damals, dass die Sendung pünktlich ist und beim Adressaten auch wirklich ankommt. – Welch ungeheuerliche Erwartung!

Nicht Zustellung, sondern Leugnung des Mißerfolgs ist wichtig!

Zustellungserfolg aber scheint kein Ziel der Tätigkeit von DHL und Deutscher Post mehr zu sein. Deshalb kommen montags bei mir überhaupt keine Briefe mehr an, samstags nur in Ausnahmefällen. Briefe des Finanzamts mit Fristsetzung einer Woche treffen fünf Tage nach Ablauf dieser Frist ein. Bußgeldbescheide meiner Tochter ebenso. Was interessiert es die Post? Ist doch meine Knolle! Es zählt nicht mehr der Erfolg, noch nicht einmal, dass die DHL es nachweislich versucht hat. Der Rest ist Privatsache von uns doofen Kunden. Die Regierung hat es gesetzlich beschlossen, die Brieflaufzeiten “liberalisiert”!

Terror mit maschinellen Packstationen

Und: Ich konnte ja froh sein, dass das Paket nicht – wie ein anderes vor zwei Wochen – an eine vollautomatische Paketstation geliefert wurde, vor der mein Handy die Bluetooth-Signale aller möglichen vorbeifahrenden Autos, mehrere W-Lans von Nachbarn, aber nicht die Signale der bildschirm- und bedienungsfeldlosen DHL-Packstation empfangen konnte. Bis ich DAS Paket bekam, erforderte es eine Beschwerde bei DHL und die Ablehnung jeglicher Packstation sowie weitere zwei Tage Wartezeit.

Danke für Ausverkauf und Sozialabbau!

Danke, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, danke CDU und FDP, aber auch der SPD im Bundesrat –  für eure mutige Zerstörung der Post und des Sozialstaats bei der sogenannten “Postreform”1985! Der Service ist dank Eurer Initiative nicht nur schlecht, teuer, verantwortungslos und unzuverlässig, sondern die Beschäftigung von Tagelöhnern, Mitarbeitenden in ungesicherten Minijobs und Beschäftigungsverhältnissen – alle außerhalb der Sozial- und Rentenversicherungspflicht – wird der Bundesrepublik spätestens in 30 Jahren ein Heer von Sozialhilfeempfänger:innen bescheren, denen gegenüber die heutigen Probleme der Rentenfinanzen ein “Fliegenschiss” sein werden.

Über Roland Appel:

Avatar-FotoRoland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Avatar-Foto
    Martin Böttger

    An meinem ersten Arbeitstag als Zivi in der Bundesgeschäftsstelle der Anti-Apartheid-Bewegung in der Beueler Hermannstrasse öffnete ich im Oktober 1976 dem Briefträger – er hiess Heinz, wie mir zuvor bereits vorbereitend eingeschärft wurde – das erste Mal die Tür. Ich sprach noch kein Wort, da sagte er zu mir: “Du bist aus dem Ruhrgebiet.” So schloss ich ihn in mein Herz. Heinz war auch für meine WG (ab Februar 1977) im Bergweg zuständig. Regelmässig informierte er uns über Nachfragen des Inlands- oder anderer -Geheimdienste. Das war Postservice.

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