Fraktionsvorsitzende einer Regierungsfraktion müssen eine gewisse Grundqualifikation mitbringen. Sie müssen nicht nur reden und überzeugen können, sie müssen ihren Regierungsmitgliedern den Rücken freihalten und die Fraktion “auf Linie” bringen können, sich auf jede und jeden einstellen, sie kennen, um intern Führung zu zeigen. Sie müssen spüren, wie die Mitglieder der Fraktion ticken, wo Risiken liegen und wer “gepampert” werden muss. Sie müssen das Gras wachsen hören und sich nicht zu schade sein, auf jede/n Einzelne/n zuzugehen. Sie sind die “ersten Diener:innen” ihrer Fraktion. Denn die Zeiten der “Zuchtmeister”, wie Herbert Wehner als SPD-Fraktionschef genannt wurde, sind endgültig vorbei.
Das Problem dieser Bundesregierung ist, dass Jens Spahn dieser Aufgabe von Anfang an nicht entsprochen hat. Zu arrogant, zu selbstverliebt, zu oberflächlich und ohne jede Sachkenntnis im Detail. Wer nach einer Probeabstimmung in der eigenen Fraktion nicht weiss, wieviele Gegenstimmen es gegeben hat, der ist als Vorsitzender nicht nur fahrlässig, er ist unfähig. Eine richtige Fraktionschef:in weiß das vorher und kann dann in der internen Abstimmung, die natürlich ausgezählt wird, ziemlich genau nachvollziehen, wer ihm in Einzelgespräche nicht die Wahrheit gesagt hat. Wer erst vor entscheidenden Abstimmungen überhaupt solche Gespräche führt, hat wirklich weder begriffen, was seine Aufgabe ist, noch diese ernst genommen. Dadurch ist schon einmal unter Angela Merkel Volker Kauder von Ralph Brinkhaus gestürzt worden. Ich selbst wurde Fraktionsvorsitzender der Grünen in NRW 1995 mit 13:11 Stimmen, weil ich mit allen 24 Fraktionsmitglidern vorher persönlich gesprochen habe – und meine Gegenkandidatin das nicht tat, weil sie sich auf “Absprachen” mit “Großkopfeten” und Einschätzungen Dritter verließ.
Die Linke hat Spahns politisches Grab schon geschaufelt
Die Persönlichkeit Jens Spahns und sein Verhalten in der Maskenaffäre, auch seine Entscheidungspraxis, die auf eine gewisse Bereitschaft zu einsamen Entscheidungen und eine Neigung zu Vetternwirtschaft – die Beauftragung vom Wahlkreisunternehmen Fiege mit dem Maskentransport – und zur Selbstbereicherung – der Skandal um die 4-5 Mio.€-Villa mit seinen Lebensgefährten – das alles zeigt, dass ihm die Rolle des dienenden Fraktionschefs völlig fremd ist. Dass Spahn bis heute nicht weiss, wieviele Gegenstimmen es heute sein werden, ist für ihn und für Merz peinlich genug. Die “Linke” hat mit ihrer Entscheidung, sich zu enthalten, ein Damoklesschwert über ihm aufgehängt. Jede Stimme, die bei der Abstimmung zum Rentenpaket fehlt, ist eine Stimme gegen Spahn. Aber die CDU/CSU ist verludert genug, dass sogar das vielleicht nichts ändern wird.
Junge Union: Konzert der Verantwortungslosigkeit
Aber heute wird noch ein ganz anderes Kapitel der CDU-Geschichte geschrieben. Die sogenannten “jungen Abgeordneten” der CDU haben sich alle zum Affen einer Kampagne der Arbeitgeber machen lassen, die seit Jahren versuchen, den Streit um die Renten und Rentenbeiträge, dem die existenzielle Frage zugrunde liegt, ob allein die Unternehmer, oder auch die Arbeitnehmer vom dramatisch wachsenden Produktionsfortschritt profitieren werden, den Automation, IT, Robotik und neuerdings Künstliche Intelligenz verursachen, und allein das Kapital. und die Börse die Profite einstreichen, oder auch Staat, Gemeinwesen in Solidarität etwas davon haben.
Unfähig und nicht zählen können
Die Sozialausschüsse der CDU hätten früher aufgeschrien, wenn sich die JU derart von den Arbeitgebern zu nützlichen Idioten instrumentalisieren ließ. Mit ihrem naiven Verhalten, die Rentenfrage zum “Generationenproblem” zu erklären, statt zu erkennen, dass es sich um einen primitiven Verteilungskampf handelt, hat sich die JU selbst disqualifiziert. Dabei könnten doch gerade sie auch mal auf die Idee kommen, dass sich das angebliche “demographische Problem” in spätestens 25 Jahren von selbst erledigt. Wenn die Babyboomer und ich alle tot sind.
Fazit: Wenn heute wegen einem solchen stümperhaften Mist die Koalition platzt, denen politischen Idioten wie Markus Söder die “Letzte Patrone der Demokratie” zuschrieben, haben es sich alle Beteiligten redlich verdient.

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