Die Flaute will nicht weichen. Die Nachrichten bestätigen mehrmals täglich die Dauerkrise der deutschen Volkswirtschaft. Die Wirtschaftsleistung stagniert, private Investitionen brechen ein, die Umsätze sinken, jede Menge Jobs werden abgebaut. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie lamentiert: „Der Wirtschaftsstandort befindet sich im freien Fall“. Und das sei keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg. Untergangsstimmung allüberall auf den Tannenspitzen. Rente, Bürgergeld, Mindest-Lohn, Gesundheitsvorsorge, Lebensmittelpreise – alles dem Untergang geweiht. Mein Gott – die armen Unternehmer …! Ihnen bleibt nur der Klassenkampf von oben.
Auf der Suche nach überzeugender Weihnachtslyrik in trostloser Zeit fand ich Aufmunterung im Seelenbalsam klösterlicher Erbauungsliteratur: „Kommen Sie zu uns. Genießen Sie hier, was Sie heute wahrscheinlich nur noch an wenigen Orten finden werden: Vertrauen und Zuwendung, Offenheit und zugleich Verschwiegenheit. Es gibt nun einmal Dinge im Leben, die brauchen, um in Ordnung gebracht zu werden, den Ort der Verschwiegenheit, eine Stätte der hilfreichen Übereinstimmung, einen Raum ungestörter Besonnenheit. Wir geben Ihnen mit Sicherheit und Feinfühligkeit diesen Rückhalt, den Sie für den festen Glauben in die Zukunft benötigen …“ Das sind wirklich angemessene Worte für eine Kirche, eine Moschee, einen Tempel und auch jede andere Kultstätte. Sie standen geschrieben in einem schon älteren Werbeprospekt der Deutschen Bank…
Hätte die Deutsche Bank die sogenannte Heilige Familie, also ein mittelloses heterosexuelles Paar mit unehelichem Kind namens Jesus, genauso herzlich hereingebeten? Wohl kaum. Diese armen Schlucker, vermutlich illegal eingereist, wären höchstwahrscheinlich sofort einem Dobrindt in die Hände gefallen und in Abschiebehaft genommen worden. Ob die Bankmenschen den erwachsenen Jesus in die Schalterhalle gebeten hätten, ist auch sehr zweifelhaft: Der Typ war ja kein nach Geld stinkender Araber, sondern ein undurchsichtiger Palästinenser, politisch renitent, ohne festen Wohnsitz, zur Bandenbildung neigend, ohne Deutschkenntnisse, der wegen ganz legaler Geldgeschäfte in der Kirche randalierte. Er war noch nicht mal Katholik, und niemand wusste, ob er sich demnächst nicht radikalen Islamisten anschließen würde … Mit solchen möglicherweise kriminellen Hungerleidern konfrontiert kann man sich als Bankier und guter Christenmensch nur bekreuzigen und die Polizei rufen …
Die Deutsche Bank ist aber nicht nur hartherzig, sondern auch wundersam sensibel: Kürzlich hat das Geldinstitut dem Verband der Familienunternehmer e. V. die Benutzung eines Raumes in einer Berliner Filiale für den nächsten parlamentarischen Abend untersagt. Die Banker hatten erfahren, dass die Familienunternehmer bei ihrem letzten parlamentarischen Abend einen nazinahen AfD-Bundestagsabgeordneten empfangen hatten. Das fanden die Banker extremely disgusting – so etwas können die Hermann-Josef-Abs-Nachkommen noch nicht wieder dulden. Also – keine Herberge für Leute, denen der Verfassungsschutz im Nacken sitzt.
Die Herrschaften von der Deutschen Bank wissen natürlich, dass so manche(r) patriotische und steuerflüchtige Unternehmer/in eine stille, vielleicht sogar familiäre Zuneigung zum Vogelschiss-Gauland oder zu Alice Weidel in sich trägt. Das ist auch nur zu verständlich: Die Flüchtlingsfresserin Weigel ist schließlich eine Ex-Goldman-Sachs-Mitarbeiterin, sie saß im Vorstandsbüro von Allianz Global Investors herum, und sie weiß aus tiefster Überzeugung, dass Hitler ein Kommunist war. Zwar ist man mit einem derart elitären Geschichtsbewusstsein einstweilen noch nicht regierungsfähig, aber so manche(r) Chef/in eines Familienunternehmens kann damit schon mal den Nazi-Papa oder Nazi-Opa exkulpieren.
Der Glaube, aus dem Wirtschaftsschlamassel könne man nur herauskommen, wenn man sich mit der AfD zusammentut, ist also in Hochfinanzkreisen zur Zeit noch nicht mehrheitsfähig. Aber immerhin – mit dem Aufschwung der Rüstungsindustrie im Kreuz hat man einen schönen gemeinsamen Nenner gefunden. Und dass die „Brandmauer“ in absehbarer Zukunft fällt, ist eher gewiss als unwahrscheinlich. Die Verbandschefin Marie-Christine Ostermann hat ja schon erklärt, für einige ihrer Landesverbände habe es die „Brandmauer“ ohnehin nie gegeben.
Ich möchte der Lobbyorganisation „Die Familienunternehmer e.V.“ zur Kenntnis geben, was der Familienunternehmer (Textilien!) Friedrich Engels aus Wuppertal in seinem Buch „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ nachgewiesen hat, dass nämlich mit der Familie das ganze Elend erst so richtig angefangen hat. Ich neige dazu, ihm recht zu geben, denn: Familie bewirkt Familienpolitik. Familienpolitik, das ist: Kindergeld, Schulschwänzern, Geschrei, Drogen, Pickel, Ungehorsam, Numerus Clausus, Scheidungsrecht, Haftpflicht und so weiter – Familienpolitik macht einen fertig. Kann man die Politiker abschaffen? Nein. Kann man demnach die Familienpolitik abschaffen? Nein. Wenn man sie aber abschaffen will: Was muss man dann abschaffen? Richtig: Die Familie! Und wann? Am besten in der Weihnachtszeit, die in Deutschland bekanntlich von September bis Anfang Februar dauert. Das ist die Zeit der erfolgreichsten Ladendiebe und der heftigsten Familienkräche, es ist die Zeit, in der sich das Licht der Kerzen in habgierigen Kinderaugen spiegelt. Christus und der Einzelhandel, im Lichterglanz beim Glühwein vereint, das bringt den Aufschwung. Sie müssen nur dran glauben.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

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