Russland hat die ukrainische Krim im März 2014 annektiert. Völkerrechtswidrig und bis heute von lediglich neun der übrigen 192 UNO-Staaten anerkannt. Folgerichtig verstoßen auch Russlands Anspruch auf die Seestraße von Kertsch oder gar das gesamte Asowsche Meer als eigenes Hoheitsgewässer und die Behinderung ukrainischer Schiffe gegen das Völkerrecht. Und auch gegen das bilaterale Abkommen zwischen Moskau und Kiew von 2014. Soweit die Fakten.
Die Festsetzung eines russischen Fischerbootes im März durch ukrainische Patrouillenboote im Frühjahr dieses Jahres war ebenfalls rechtswidrig, rechtfertigt aber keineswegs das Vorgehen Russlands. Doch die Forderung des ukrainischen Botschafters in Berlin nach Entsendung einer NATO-Flotte in das Asowsche Meer unter Beteiligung deutscher Schiffe ist gefährliche Kriegstreiberei. Die scharfen Sprüche von NATO-Generalsekretär Stoltenberg und Washingtons UNO-Botschafterin Healy an die Adresse Moskaus sind eine ebenso hilflose Reaktion wie der Ruf diverser CDU-Politiker nach einer erneuten Verschärfung von Sanktionen gegen Rußland.
Die bereits seit 2014 verhängten Sanktionen haben sich als völlig untaugliches Mittel erwiesen, die Ukrainepolitik Russlands positiv zu beeinflussen. Die Deeskalationsapelle und Vermittlungsangebote von Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas klingen zwar viel besonnener und vernünftiger. Doch auch sie werden wirkungslos verpuffen, wenn Deutschland und seine Partner in NATO und EU nicht endlich über den eigenen Schatten springen und ihre große Mitverantwortung anerkennen für die krisenhafte Zuspitzung im Verhältnis zwischen Rußland und dem Westen seit Ende der 90er Jahre, die schließlich zur Annexion der Krim führte.
Die Mitverantwortung von Deutschland, EU, Nato
Zu dieser Mitverantwortung gehören die Osterweiterung der NATO unter Bruch des Versprechens, das die Regierung Kohl/Genscher und auch der deutsche NATO-Generalsekretär Wörner Moskau 1990 nachweislich gegeben hatten. Weiterhin der NATO-Gipfelbeschluß von 2008 mit der Option zur Aufnahme der Ukraine sowie die Assoziationsverhandlungen zwischen der EU und der Ukraine, bei denen Brüssel die damalige Regierung in Kiew vor die fatale Alternative stellte, sich wirtschafts- und handelspolitisch zwischen Moskau und dem Westen zu entscheiden.
Und schließlich gehört zur Mitverantwortung Deutschland und seiner EU- und NATO-Partner die uneingeschränkte Unterstützung für die neue Regierung in Kiew auch dann noch, als diese gleich nach ihrer Machtübernahme im Februar 2014 drohte, das bis 2042 vereinbarten Abkommen mit Moskau über die Nutzung der Marinebasis Sewastopol auf der Krim durch russische Seestreitkräfte zu kündigen.
Geeignete westliche Schritte um die Eskalationsdynamik im Verhältnis zu Rußland endlich umzukehren, wären eine Korrektur des NATO-Gipfelbeshlusses von 2008, Vorschläge zur beiderseitigen Einstellung und Rücknahme der grenznahen Militärmanöver und Truppenstationierungen, sowie Garantien für Rußland zur weiteren Nutzung des Marinestützpunktes Sewastopol. Und schließlich ein Vorschlag für eine erneute Abstimmung auf der Krim, vorbereitet, durchgeführt, überwacht und ausgezählt durch die UNO und mit der Wahloption auf den Verbleib der Krim in der Ukraine mit einem weitestgehenden Status, sprachlicher, kultureller, finanzieller und administrativer Autonomie.
Würde Deutschland – neben seiner gewichtigen Rolle in EU und NATO ab Januar 2019 auch für zwei Jahre nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat – eine Initiative für solche Deeskalationsschritte ergreifen, wäre dies eine konkrete und wichtige Wahrnehmung der in Berlin so gerne beschworenen „gewachsenen internationalen Verantwortung“ Deutschlands.
Lesen Sie ergänzend:
Florian Hassel/SZ, was das Kriegsrecht für die Ukraine bedeutet;
Florian Rötzer/telepolis über britische Propagandabemühungen gegen Russland; und Jochen Mitschka/telepolis zum Fall Skripal.
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