Mit Willy Brandt, Walter Scheel und ca. 5.000 Jusos habe ich Ende April 1972 auf dem Venusberg, in Willys Garten gegenüber der Jugendherberge ein Freibier getrunken, auf seinen Sieg gegen das Misstrauensvorum der CDU/CSU-Fraktion. Ein halbes Jahr später folgte der höchste Wahlsieg, den die SPD jemals in ihrer Parteigeschichte errungen hat. Ich bin zwar nicht SPD-Mitglied geworden, und beglückwünsche mich noch heute dafür, aber es war eine Schlüsselphase meiner politischen Sozialisation.
Absolut unbekannt war mir dagegen – bis gestern – Willys Genosse und Vornamensvetter Willy Kressmann. 1972 war ich 15. Die Jahre seiner grössten Bekanntheit lagen davor. Wie es heute auch üblich ist, hat Willy diesen Willy ganz besonders gefürchtet. Weil er ihm politisch so nahe stand, war er ein besonders “gefährlicher” Karriere-Konkurrent, ein Motiv, das sich bis heute in der Politik nicht nur gehalten, sondern dramatisch verstärkt hat – in allen Parteien.
Jan Draeger und Michael Link erinnerten gestern Abend in einem Feature von DLF-Kultur an diesen Willy Kressmann. Erst seine spätere Gattin Sigrid Kressmann-Zschach erreichte auch die Bühne meiner Politikwahrnehmung. Ich hörte das Kritische Tagebuch/WDR3, wo Claus Menzel über ihre Schandtaten als Baulöwin berichtete, gelegentlich auch über die kritische Berichterstattung des Berliner Extradienstes. Nun ist auch meine Bildungslücke über ihren zeitweiligen Gatten gefüllt.
Er hatte es halt zu eilig mit der politischen Vernunft. Und war vermutlich kommunikativ verkrüppelt, wie alle, die von den Kriegserlebnissen traumatisiert waren.
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