So lange ich lesen kann, war die innerbetriebliche Macht beim Verlag der marktführenden französischen Tageszeitung Le Monde umkämpft – hier der deutsche Wikipedia-Eintrag. Sie war Informationsquelle der linksliberalen Hälfte der französischen Öffentlichkeit, wenngleich in ihrer innenpolitischen Relevanz auch immer überschätzt – ein allgemeines Phänomen der Medien. Ein positiver Zweig Le Mondes ist für mich seit vielen Jahren LeMonde diplomatique, die nicht nur Motor zur Gründung der weltweiten Attac-Bewegung war, sondern mit ihrer deutschen Ausgabe auch den hiesigen publizistischen Wahrnehmungshorizont spürbar erweitert hat.
Nach einem Muster, wie wir es aus allen postsozialistischen Ländern Osteuropas kennen, drohte nun auch hier ein Oligarchenputsch. Plünderung des bisher kollektiven Rest-Reichtums zugunsten cleverer Kapitalistenkonten.
Als strippenziehende Hintergrundfigur wurde (und wird) der tschechische Oligarch Daniel Křetínský, hier in einem bewundernden Porträt der Wirtschaftswoche, vermutet. Sein Nachname dürfte in Frankreich wie eine Strafe wirken, ist aber vermutlich angelehnt an ein kleines tschechisches Kaff. In Ostdeutschland ist er besser bekannt als hier im rheinischen Westen: als Plünderer der Kohlereste und nicht sehr geschmackssicherer Fußballinvestor. Er scheint von Kindheit an gelernt zu haben, wie mann sich kollektives und ehemaliges Staatseigentum gedanken- und handlungsschnell unter den privaten Nagel reissen “muss”, ganz wie es die Gesetze eines imaginären Turbokapitalismus vorschreiben.
Der ehemalige FAZ- und heutige SZ-Feuilletonist Joseph Hanimann beschrieb hier die Konfliktlage bei Le Monde vor wenigen Tagen noch pessimistisch. Doch sein FAZ-Kollege Jürg Altwegg meldet nun die Findung eines scheinbar gelungenen Kompromisses. Und meldet nebenbei erfolgreiche Daten zur Digitalisierungsstrategie von Le Monde, die an die Erfolge der New York Times und des Guardian erinnern. Eine neue Morgenröte für guten Journalismus? Ich traue diesen schönen Bildern nicht, auch wenn ich sie gern glauben würde. Es kann auch recht angestrengstes Pfeifen im Wald sein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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