Die SPD hat Martin Schulz, den ehemaligen Bürgermeister von Würselen, zum Spitzenkandidaten erkoren und damit einen medial gut vermittelten Coup gelandet: Drei Prozentpunkte sollen die Sozis seit Mittwoch vor einer Woche zugelegt haben – die Umfragen haben kaum stattgefunden oder sind noch gar nicht ausgewertet – aber klar: Schulz zieht, denn er ist ein Menschenfänger. Vor allem von den Grünen, denn die haben im gleichen Zeitraum ungefähr drei Prozentpunkte verloren. Komisch – das kann doch wohl nicht der Sinn der Sache gewesen sein, dass die SPD nun herade den Grünen Stimmen klaut – sie soll doch die CDU und vor allem der unterkühlten Merkel das Fürchten lehren.
Wir haben in NRW im Mai Landtagswahlen. Aber in allem, was ich in der Zeitung über NRW lese, kommen die Grünen selten vor. Dabei gibt es gute Gründe, sich den Koalitionspartner einmal ganz solide vor die Brust zu nehmen. Seit Dezember geht es um die Behördenfehler im Falle Anis Amri. Dass Innenminister Jäger hier versagt hat, dass auch die NRW-Justiz sich nicht mit Ruhm bekleckert hat, wurde hier an anderer Stelle nachgewiesen. Es muß im ureigensten Interesse der Grünen sein, nicht von diesem Mühlstein um den Hals von Hannelore Kraft langsam, aber unaufhörlich mit unter Wasser gezogen zu werden.
Jäger ist nicht nur federführend an den unsinnigen Abschiebungen nach Afghanistan beteiligt, er ist deren Initiator: Das Papier „NRW PILOT DUBLIN“, das unserer Redaktion aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugespielt wurde, entstammt ursprünglich der Feder dies NRW-Innenministers und endet in seiner chauvinistischen Dramaturgie mit Abschiebungen von Flüchtlingen in die EU-Staaten Italien, Polen und Griechenland beginnend 2016 bis ins Frühjahr 2017, unter Nennung des Wahlternins 14.5. NRW und endend mit dem 31.5.2017. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Da plant also der SPD-Innenminister einer rot-grünen Koalition, Flüchtlinge als Geiseln für seinen SPD-Wahlkampf zu nehmen
Das ist also die rot-grüne Flüchtlingspolitik des Innenministers. Ob er mit zwanzig oder elf afghanischen „Abschüblingen“ der AfD Stimmen abjagt, ist mehr als fraglich und steht in keinem Verhältnis zur demostrativen Mißachtung von Humanität, die in einer Abschiebung ins kriegsgeschüttelte Afghanistan liegt. Ob er damit bei den vielen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten punktet, die sich seit 2015 in unzähligen Flüchtlingsinitiativen im Land engagiert haben, die das Versagen der öffentlichen Institutionen aufgefangen und durch ihren Einsatz die Willkommenskultur und die gelebte Liberalität in diesem Land geprägt haben? Ob er damit vor allem die vielen aktiven Frauen aus der Wählerklientel der SPD überzeugt, die sich von der Kanzlerin unterstützt und ermutigt fühlen, und denen er mit seinen sinnlosen, aber symbolhaften Abschiebungsaktionen nun in den Rücken fällt?
Jäger verhält sich europapolitisch dabei obendrein wie ein Elefant im Porzellanladen. Gegenüber Ländern, die ohnehin entweder materielle oder politische Probleme mit Flüchtlingen haben. So schafft sich Deutschland Freunde in der EU. Jäger hintergeht damit nicht nur die Grünen, er stellt sich auch gegen die Interessen seines Genossen und frischgebackenen Außenministers Sigmar Gabriel. Das Papier zeigt, die Grünen werden von Jäger nicht nur nicht informiert, sondern auch massiv hintergangen. Die Rot-Grüne Mehrheit ist laut Umfragen derzeit sowieso im Keller: Worauf also warten, dem Koalitionspartner in der Innen- und Rechtspolitik kräftig heimzuleuchten? Sonst könnte es noch die FDP tun, die nur auf Regierungsbeteiligung lauert – egal, ob mit CDU oder SPD.
Dieser Beitrag erscheint auch bei rheinische-allgemeine.de
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