von Andreas Zumach

Die syrischen und russischen Bodentruppen und Luftstreitkräfte haben nach UN-Angaben bei der Schlacht um Aleppo in großem Ausmaß Kriegsverbrechen begangen. In geringerem Maße haben sich auch Kämpfer der gegnerischen Milizen Kriegsverbrechen zuschulden kommen lassen. Opfer seien Zivilisten auf beiden Seiten der Stadt, die seit 2014 zwischen Regierung im Westen und Rebellen im Osten geteilt war.
Im Bericht des UN-Menschenrechtsrats zu Syrien, der am Dienstag in Genf veröffentlicht wurde, heißt es: „Die Schlacht um die Kontrolle Aleppos wurde mit erbitterter Gewalt geführt“. Syrische Regierungstruppen hätten „als Teil einer Strategie, ihre Gegner zur Aufgabe zu zwingen, ab Ende Juli 2016 den Ostteil der Stadt eingeschlossen und die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten unterbunden“. Demnach haben syrische und russische Luftstreitkräfte „zwischen Juli und Dezember täglich Luftangriffe auf Aleppo geflogen, die Hunderte Todesopfer forderten und Krankenhäuser, Schulen und Markthallen in Schutt und Asche legten“.

Die syrischen Luftstreitkräfte hätten durch den Abwurf von Chlorbomben auf Wohngebiete Hunderte Zivilisten getötet. Zudem hätten sie die weltweit geächtete Streumunition in großem Umfang eingesetzt. Infolge dieser Angriffe seien heute weite Teile Aleppos durch nicht explodierte Streumunition „verseucht“. Moskau und Damaskus haben den Einsatz von Chlorgas sowie den Beschuss ziviler Einrichtungen stets bestritten.
Als einen „besonders ungeheuerlichen Angriff“ kritisiert der Bericht die Bombardierung eines Hilfskonvois vor Aleppo durch die syrische Luftwaffe. Bei dem Angriff am 19. September wurden mindestens 14 MitarbeiterInnen humanitärer Hilfsorganisationen getötet und zwölf weitere schwer verletzt. Laut dem Untersuchungsbericht hatte die Regierung Assad zuvor eine schriftliche Autorisierung für den Hilfskonvoi erteilt. Sie wusste folglich genau, wo sich „der Konvoi zum Zeitpunkt des Angriffs der syrischen Luftwaffe befand“.

Exekutionen und Zwangsrekrutierungen

Bei der Rückeroberung Ostaleppos im Dezember haben Regierungstruppen gegnerische Kämpfer exekutiert, obwohl diese sich bereits ergeben hatten, heißt es in dem Bericht. Auch seien Zivilisten wegen angeblicher Unterstützung für Rebellengruppen exekutiert worden. „Hunderte Männer und Jungen wurden von ihren Familien getrennt und von der syrischen Armee zwangsrekrutiert.“ Der Verbleib vieler anderer Menschen sei ungeklärt.
Rebellen haben ihrerseits nach Erkenntnis der UN „ständig Zivilisten im Westteil Aleppos beschossen“, so die UN-Kommission: „Ohne ein eindeutiges militärisches Ziel wurde die Zivilbevölkerung absichtsvoll terrorisiert“.
Da Syriens Regierung der 2011 vom UNO-Menschenrechtsrat geschaffenen Untersuchungskommission nach wie vor den Zugang nach Syrien und jegliche Kooperation verweigert, war die Kommission auf die telefonische und persönliche Befragung von Zeugen in Aleppo sowie außerhalb Syriens angewiesen. Der Bericht stützt sich auf die Befragung von 291 Zeugen, auf Informationen von Hilfswerken sowie auf Satellitenaufnahmen verschiedener Staaten einschließlich Russlands. Mitglieder der Untersuchungskommission sind der Brasilianer Paulo Sérgio Pinheiro, die Schweizerin Carla Del Ponte und der Jordanier Karen Koning AbuZayd.

Dieser Text ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.