Und eine Rettungsperspektive für Journalismus
Ein Mann hat die Hymne darauf geschrieben: Peter Körte, Feuilleton-Redakteur der FAS. Er bespricht das Buch der hierzulande zu Unrecht nur wenig bekannten Jodi Kantor und Megan Twohey, die sich keinen geringeren als den Hollywood-Zaren Harvey Weinstein zum lebenslangen Feind gemacht haben. Wie sie das anstellten, steht in ihrem Buch, das jetzt auf deutsch erschien: „#Me Too. Von der ersten Enthüllung zur globalen Bewegung“ (aus dem Amerikanischen von Judith Elze und Katrin Harlaß).
Körte kommentiert das Werk der Ladies mit einem Schuss realistischer Skepsis, die ihn jedoch nicht dazu treibt, die historische Bedeutung niederzudeklinieren. Das Werk ist in diesem Fall weniger das Buch. Das beschreibt das eigentliche Werk. Das war (und ist?) die journalistische Tat, der komplexe mehrjährige Arbeitsprozess, der am Ende dazu führte, einen Weinstein vor Gericht zu bringen. Viele Namenlose dürften daran mitgewirkt haben.
Jetzt im Rückblick fällt mir auf, das der Fall Weinstein wenige Jahre zuvor einen Vorläufer in der regional nahegelegenen kalifornischen Pornoindustrie hatte. Bryan Matthew Sevilla (“James Deen”) war zwar kein mächtiger Produzent, sondern nur ein überbuchter Darsteller. Er musste beruflich in einem Ausmass rammeln, dass es offensichtlich gesundheitsschädlich war. Die Pornobranche ist eine der wenigen, in der Frauen besser bezahlt werden als Männer. Ähnlich wie Weinstein konnte “Deen” berufliche Professionalität und sozial akzeptiertes Privatleben nicht mehr hinreichend auseinanderhalten – das führt meistens dazu, dass mann ein gewalttätiges Arschloch wird. (Seitenbemerkung zu Wikipedia-Editwars: die zynische Bemerkung “Nach den Vergewaltigungsvorwürfen ist Deen besser im Geschäft als zuvor.” wird durch den angegebenen Link, der ins Nichts führt, nicht belegt; und durch die Wirklichkeit auch nicht.)
Zurück zum Werk der in ihrem Verstand weit schöneren und attraktiveren Kantor und Twohey: in seiner politischen Wirkung könnte es am Ende die Watergate-Enthüllungen der Herren Bernstein und Woodward noch übertreffen. Die haben zwar den US-Präsidenten Nixon stürzen lassen. Aber die emanzipatorische Bewegung, die auf die veröffentlichten Erkenntnisse weltweit folgte, dürfte die Watergate-Enthüllungen jetzt schon übertroffen haben. Nur ein Nebeneffekt wäre, wenn im November auch die Abwahl des Pussygrabbers im Weissen Haus gelingt; wenn, werden es die Frauen gewesen sein.
Wer was-mit-Medien machen, und dabei nicht nur reich werden will, muss das Buch der zwei Ladies wohl lesen. Und dann mit Haltung und Sorgfalt da anfangen, wo ganz unten ist.
Ich wünsche den beiden Heldinnen, dass sie Freundinnen und Verwandte haben, die ihnen jetzt helfen, auf dem Boden zu bleiben. Wenn das gelingt, gelingt ihnen ein Leben als beneidenswertes Gesamtkunstwerk. Es ist schwierig, es ist selten, aber möglich.
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