Über regimekritische Demonstrationen in Russland wurde im hiesigen eingebetteten Journalismus am Wochenende ausführlich berichtet. Russland hat ca. 1,5 mal so viele Einwohner*innen wie Deutschland. Hiesige Demonstrant*inn*en würden sich über ähnlich grosse Medienaufmerksamkeit sicher sehr freuen. Bei “einigen Hundert”, selbst bei “mehreren Tausend”, gelingt ihnen das in der Regel nur, wenn sie was kaputtmachen, oder andere Gesetze brechen. Andernfalls fallen sie aus der Themenliste. Also den Verhältnissen in Russland gar nicht so unähnlich – im Ergebnis. Die Triebkräfte und Motive sind selbstverständlich zu unterscheiden.
Reinhard Lauterbach/Junge Welt und Ulrich Heyden/telepolis berichten weniger eingebettet, dafür informativer.
Und hatten Sie bemerkt, dass in Frankreich ungefähr genauso gross demonstriert wurde? Ich für meinen Teil erst, als ich heute Mittag zur Lektüre der Jungen Welt schritt: Raphaël Schmeller berichtet. Es gibt wohl nur wenige Länder, wo das Ansehen der Polizei in ähnlicher Weise so “unten durch” ist. Aber welche*n Tagesschau-Zuschauer*in hätte sowas wohl interessiert? Ebenso die 17 Toten in Mogadischu – zu gewöhnlich um als Nachricht durchzukommen.
Die Latinos
Viel Medienaufmerksamkeit gewann hierzulande der Intrigantenstadel des einstmals grossartigsten Fussballclubs der Welt. Dass die Intriganten Richtung Madrid und dortiger Medien durchstechen, zeigt schon mal wes Geistes Kind sie in diesem Symbol Kataloniens sind. Da es um viel Geld und Einfluss geht, im Weltfussball und in der katalanischen Politik, ist die Aufmerksamkeit durchaus berechtigt.
Es gab aber auch Sportliches: das Finale der Copa Libertadores, nicht weniger als das lateinamerikanische Gegenstück der europäischen Champions League. Doch nur unser Gastautor und Leser André Dahlmeyer/Junge Welt (dankenswerterweise mal nicht hinter Paywall) berichtet. Ist das nicht beschämend für die europäischen Überreste von Sportjournalismus? Coronabedingt ist das Transferkarussell zum Stehen gekommen. Wenns nichts zu kaufen gibt, muss auch keine*r mehr hingucken? Wie arm.
In Bulgarien gab es monatelang fast jedes Wochenende landesweite Demonstrationen gegen die dortige Regierung UND gegen die Bundesregierung in ihrer Eigenschaft als EU-Ratspräsidentin. Darüber wurde nicht berichtet. In den Vororten von Paris kommen bei Auseiandersetzungen mit der Polizei auf jeden Fall mehr Menschen um, als bei Demonstatrationen in Russland. Über jeden verletzten Demonstrant in Moskau wird in derTagesschau berichtet – über die Toten in Folge von Polizeigewalt in Frankreich berichten wenn überhaupt jemand, dann paar linke Medien in Deutschland