FridaysForFuture / WDR / Pakistan wird Sozialstaat
Etwas altklug kommen die Jungs daher. Wolfgang Storz (67) interviewt Dieter Rucht (75) bei bruchstuecke.info über die jugendliche Klimabewegung. In ihrem Gespräch kann ich nichts grundsätzlich Falsches entdecken. Kein Wunder, ich bin ja nur wenig jünger (bald 65). Mein Unbehagen kommt von Duktus und Denkweise. Die alten Herren urteilen mit dem Analysebesteck der 80er und 90er Jahre über eine ausserparlamentarische Bewegung, die weit wirkungsvoller als unsere Altersgruppe politisches Agendasetting durchgesetzt hat. Da wäre etwas demütiges Staunen weit angebrachter als Ratschlägerei.
Zumal es unsere Altersgruppe ist, die schwere Versäumnisse bei der Weitergabe von politischem Erfahrungswissen zu verantworten hat. Ich weiss, wovon ich schreibe, weil ich beim Verlassen meines Jugendverbandes Jungdemokraten Anfang der 90er genau damit befasst war: eine übersichtliche aber qualitativ hochwertige Organisation an fähige Jüngere zu übergeben. Die, die damals übernommen haben, sind heute überaus leistungsfähige Politiker*innen (in diversen Parteien) und Wissenschaftler*innen (Lehrstühle inkl.). In weit grösseren Organisationen von Grünen, SPD über Gewerkschaften, Umwelt- und Kirchengruppen bis Linkspartei hat es dagegen fatale Abrisse der Wissensweitergabe gegeben, die heute grosse “Schwarze Löcher” in der politischen Klasse sichtbar werden lassen.
Ein gesondert zu betrachtender Fall wäre hier der Feminismus, der gesellschaftlich grosse Fortschritte einfährt, aber noch hitzigere “Generationenkonflikte” austrägt, weil es sich verwebt mit den Differenzen über die wachsende Vielfalt individueller Lebensweisen. Seine Betrachtung würde diesen Text sprengen. Es gibt schon reichlich Bücher dazu.
Da die Klimabewegung als erste Bewegung seit langem von Frauen und Mädchen beherrscht ist, wird sie davon mitberührt. Aber dazu wissen Storz, Rucht und ich zuwenig, um Weisheiten dazu zu verbreiten. Es sind die jungen zurückgebliebenen Jungs, die viel FDP gewählt haben. Die Mädels waren dafür nicht doof genug.
“Jüdische Wurzeln” im WDR
Auch im WDR hat es solche Abrisse gegeben, die in diesem Blog seit Jahren beklagt werden. Dort ist es besonders schlimm, weil diese Abrisse strategische Absicht von der Spitze des Hauses waren. Sie, die Intendant*inn*en und Direktor*inn*en verstanden es als “Modernisierung”, fachkompetente zu Widerspruch fähige ältere (= teure!) Redakteur*inn*e*n zügig loszuwerden, und durch lockerflockig daherschwätzende karrierewillige (= formbare und billigere) – gerne “freie” nicht festangestellte – jüngere und leistungsbereitere Kräfte zu ersetzen.
So ist das Programm dann auch weitgehend geworden. Und dabei passieren dann solche Unfälle. Warum überrascht mich das nicht? Absolut fair von uebermedien-Autor Reisin finde ich, dass er nicht die junge engagierte Autorin in die Pfanne haut, sondern mit Recht fragt, wo denn genau die verantwortliche Redaktion war, als der Beitrag produziert und abgenommen wurde.
Pakistan wir Sozialstaat
Telepolis-Autor Uwe Kerkow betreibt von der Bonner Nordstadt aus einen entwicklungspolitischen Blog, den ich heute mit Interesse zur Kenntnis genommen habe. Bei telepolis setzte er einen Kontrast zu dem oftmals sehr desillusioniert schreibenden Kollegen Gilbert Kolonko. Für mich als unwissender Leser sind beide sehr gut komplementär.
Kerkow schreibt über für Pakistan erstaunliche sozialpolitische Pläne des als “unabhängiger Reformer” gewählten und gestarteten Präsidenten Imran Khan. Deutsche Berichterstattung über seine Politik tendiert gegen 0 – weil er halt kein islamistischer Eiferer ist, fügt er sich nicht in die Not-und-Elend-Berichterstattung. Pakistans Innenpolitik ist feudalismusähnlich cliquen- und korruptionsverseucht, mit einem ungesunden Übergewicht von Militär und Geheimdiensten. Und Pakistan ist Atommacht.
Es wäre in kleines Wunder, wenn dieser Präsident diese Politik überlebt. Deutsche Dritteweltbilder müssten mal wieder überarbeitet werden.
Lieber Martin, ich kann Dir nur teileeise recht geben. Der Wissenstransfer hat bei Grüns nicht funkyioniert. Heute kenny die Grüne Jugend zwar Ricarda Lang, aber der Name Petra Kelly ist kaum noch jemanden davon bekannt. Ganz zu schweigen davon, dass die Grünrn mal eiine Friedenspartei waren. Allerdings hätte die Jugend von Fridays for Future ohne die Grünen und ihren Einfluß auf die Meinungsbildung zumindest in Umweltfragen und ohne die Tatsache, dass seit einiger Zeit Menschen an wichtigen Stellen der Zivilgesellschaft sind, die durch die Grünen sozialisiert und politisiert wurden, nicht diesen Erfolg und die Zustimmung der Öffentlichkeit und müßten genao so dicke Bretter bohren wie wir damals.