Wer hat den Hut auf? Zeichen, Signale. Während Olaf Scholz an diesem Montag vom amerikanischen Präsidenten Joe Biden empfangen wird, besucht Annalena Baerbock gemeinsam mit dem französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian die ukrainische Führung in Kiew. Erst nach Baerbocks und Washingtons Nein zur Gasleitung Nord Stream 2 rückte Scholz von seiner Bewertung ab, es handele sich um ein rein „privatwirtschaftliches Vorhaben“, über das eine deutsche Behörde „ganz unpolitisch“ entscheide.
Im Sinne einer werteorientierten Außenpolitik plädierte die Außenministerin – nicht der Kanzler – als erstes deutsches Regierungsmitglied für einen diplomatischen Boykott der olympischen Winterspiele in Peking. Vorerst keine Rüstungsgüter an Ägypten zu liefern, hat die US-Führung jetzt verlautbart. Das fanden die Grünen schon immer. Scholz hingegen genehmigte – noch als Angela Merkels Finanzminister – milliardenschwere Rüstungsgeschäfte mit Ägypten. Es war ein – von Putin-Freund Gerhard Schröder kritisiertes – Zeichen, dass Baerbock kürzlich zuerst Kiew besuchte, ehe sie beim russischen Außenminister Sergei Lawrow vorsprach und deutliche Worte über Moskaus Truppenaufmärsche fand. Die SPD aber suchte – im Schatten von Nord Stream 2 – nach einer Sprachregelung ihrer Russlandpolitik. Flurbereinigung durch den Ko-Vorsitzenden Lars Klingbeil war das Ziel, um interne Dissonanzen zu beseitigen. Die Grünen aber hatten eine bessere Witterung für internationale Entwicklungen.
Im Dezember noch wollte Rolf Mützenich klare Kante zeigen. Deutsche Außenpolitik, so der SPD-Fraktionsvorsitzende, werde „insbesondere im Kanzleramt“ gesteuert, von Scholz also und nicht von Baerbock. Brachialer Widerspruch kam von Omid Nouripour, der nun zum Grünen-Ko-Vorsitzenden gewählt wurde. Mützenich solle nicht in die „überkommene Koch-Kellner-Logik“ zurückfallen. Scholz, hieß das, solle Baerbock nicht behandeln wie Kanzler Schröder („Koch“) seinen Außenminister Joschka Fischer („Kellner“).
Nun hat das Spannungsverhältnis zwischen Kanzlern und Außenministern Tradition, und oft traten die Sicherheitsberater im Kanzleramt – selbst- und ellenbogenbewusst – auf, als seien sie die wahren Außenminister. Doch Baerbock ist gewarnt und auch gefeit. Ihr erfahrenster Berater ist der Staatssekretär Andreas Michaelis. Der war einst bei Fischer „in die Lehre“ gegangen.
War da noch was? „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern“, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampelparteien. Bis zuletzt war in den Verhandlungen über die Grünen-Forderung nach einer „feministischen Außenpolitik“ gestritten worden, auch weil die SPD früher einen entsprechenden Antrag im Bundestag abgelehnt hatte. Der englischsprachige Terminus wurde als Kompromiss vereinbart. Baerbock und Nouripour wollen sich vom Kanzleramt nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie schauen auf die Bundestagswahl 2025, bei der sie „in der K-Frage“ wieder mitspielen wollen. Außenpolitisches Renommee ist die Voraussetzung dafür.
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