„Vous avez brûlé une Sainte“
Gerade in einem durch die „Jungfrau von Orleans“ in der Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim (beim diesjährigen Berliner Theatertreffen, via 3Sat) sowie in der Stummfilmfassung des dänischen Regisseurs Carl Theodor Dreyer aus dem Jahr 1928 gesehen.
Für einige Filmkritiker ist Dreyers Film ja der Stummfilm schlechthin. Auf jeden Fall ist er ein großer Startschuss für das Nordische Kino – von Ingmar Bergman bis Lars von Trier. Und das gilt leider wohl auch mit Blick auf den wenig pfleglichen bis brutalen Umgang von Regisseuren mit ihren Hauptdarstellerinnen.
Was an Dreyers Film wahrhaft aufs Auge schlägt, ist eine Macht der bewegten Bilder, die nicht durch Musik oder hörbare Dialoge überspielt werden. Vielleicht war der Tonfilm ja doch ein Fehler … ? Ein Minimum von Filmmusik oder markante SprecherInnenstimme genügen ja gemeinhin, um ziemlich trivialen Bildern eine vordergründige Durchschlagskraft zu verleihen. Hier fehlt das alles. Ich habe eine wirklich tonlose Version gesehen, die nahe an der gleich mehrfach verbrannten Originalversion dran sein soll, und die in den 1980er Jahren in der Toilette einer Nervenheilanstalt wiederentdeckt wurde. Antonin Artaud spielt im Film übrigens den Mönch, der als einziger mit Jeanne aufrichtig Mitleid hat.
Der Film folgt den überlieferten Gerichtsakten des Prozesses gegen Jeanne und zeigt eine junge, 19-jährige Frau in den Fängen einer Inquisition, die ihr mit allen Mitteln der Sophistik und der Folter zu Leibe rückt. Was am meisten berührt ist, dass in Dreyers Film fünf Jahre vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten und acht Jahre vor den ersten großen Stalinschen Schauprozessen eigentlich das ganze Repertoire des Totalitarismus durchgespielt wird. Und das Ende, das Autodafe, gleicht dann für den Blick aus dem Mai 2022 fast einer Nahkampfszene aus Mariupol. Die Verbindung zum gegenwärtig ablaufenden Krieg ist stets auch präsent in der Mannheimer Inszenierung. Beide Versionen unbedingt sehenswert.
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