Und: deutsche Kurzsichtigkeit bei Ukrainekrieg und documenta
Einerseits ist Martin Rückers/Berliner Zeitung Text “Fehlende Kompetenz der Ärzte: Wenn Klinikessen krank macht – Im Zweifel kann Krankenhausessen über Leben und Tod entscheiden. Experten warnen vor einer Fehlversorgung. Warum hält auch die Charité an alten Standards fest?” eine erfreulich gründliche Abhandlung. Falls der Verlag ihn noch digital einmauern sollte – ich habe ihn mir gesichert. Er ist zu gut.
Andererseits wird die wichtigste Frage in seinem Text nicht ausdrücklich formuliert, auch wenn sie immerhin im Hintergrund mitschwingt: “Schmeckt es?” Essen ist – klassisch deutsche Ideologie – nicht nur eine Frage des Zweckes, sondern der Lust. Bei Menschen, die dem Tod von der Schüppe springen sollen, ist diese Frage zentral: haben sie noch Lust zu leben? Oder ist die weg? Je nachdem, wie diese Frage beantwortet wird, kämpft die*der Patient*in mit Ärzt*inn*en und Pfleger*innen um ihr*sein Leben – oder lässt es, kann nicht mehr.
Das ist nicht nur ein Problem der Krankenhausküchen, bzw. deren Caterings. Es ist eine Frage an die Strategie der Krankenkassen. Investitionen in gutes Essen sparen – wie von Geisterhand – Erkrankungen weg und beschleunigen jede Rehabilitation. Zu kalkulieren, dass das schlechte Essen die Patient*inn*en das Krankenhaus schneller fliehen lässt, ist ein zu kurzsichtiges Kalkül: das tun nur die, die es auch können, und zwar sowieso.
Deutsche Kurzsichtigkeit
Zum Ukrainekrieg konnte sich Johannes Varwick in der FAZ äussern, einer der wenigen Realos: “Eine rationale Diskussion ist unmöglich – Unter Experten für Sicherheitspolitik wird sehr kontrovers über die richtige Strategie im Umgang mit Russland gestritten. Dieser Umstand spiegelt sich in den öffentlichen Debatten nicht ausreichend wider. Ein Gastbeitrag.” Die FAZ hat ihn digital eingemauert. Auch ihn habe ich mir gesichert.
Nicht minder kurzsichtig ist der deutsche Mediendiskurs zur documenta 15. Nach Ansicht von Kia Vahland/SZ hat sich der Bundespräsident dazu einen schlanken Fuss gemacht. Fatma Aydemir/taz sieht noch ein bisschen mehr: die spezifisch deutsche Interpretation von “Gastfreundschaft”. Ich fürchte, das stimmt alles.
Zur scheinbaren Diskurskonkurrenz zwischen Antisemitismusbekämpfung und Kolonialismus-Aufarbeitung empfehle ich meinen Freund*inn*en: lest mehr Charlotte Wiedemann, hier gehts zu ihren taz-Kolumnen.
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