Was würde in einer (Medien-)Welt ohne Mathias Döpfner besser?
mit Update 14.4.
Im Beueler Extradienst schimpfen und fluchen wir vorzugsweise über die Unprofessionalität von Politiker*inne*n. Weil einige von uns – Roland Appel und ich jedenfalls – selber welche waren. Ich lebte dabei in dem mglw. allzu marxistischen Kinderglauben, dass die Damen und Herren des Grosskapitals nicht so blöd sein können, wie billige Politiker*innen. Doch. Sind sie. Manche sind noch dümmer “als die Polizei erlaubt”. Mathias Döpfner, mit 60 noch gar nicht mal so alt, wie er aussieht, ist offensichtlich so ein Fall. Er schreibt seine dümmsten Gedanken auf, und glaubte wohl allen Ernstes, dass die nicht öffentlich werden.
Allein so viel Dummheit ist schon ein Entlassungsgrund. Durchgestochen wurden all diese niveauvollen Texte an die Zeit (Holtzbrinck-Konzern), die die Story sogleich digital einmauerte. Eine der Autorinnen, Cathrin Gilbert, gab dem DLF dazu heute ein Interview (Audio 9 min). Jan Dörner, Funke-Mediengruppe, deren Chefin Julia Becker mit Döpfner seit dem Reichelt-Skandal besonders befeindet und aus dem Zeitungsverleger-Verband ausgetreten ist, hat eine ausführliche Nacherzählung paywallfrei geliefert.
Welche Interessen sind im Spiel? Wer agiert verdeckt und warum? Weiss ich natürlich nicht. Also spekuliere ich. Der Durchstich an Die Zeit kommt aus der Spitze des Springerkonzerns, mutmasslich ein*e Empfänger*in von Döpfners geistvollen Botschaften. Es gibt also relevante Interessen in der Konzernführung, die sich gegen Döpfner richten. Die gibt es spätestens, seit der versucht hatte, den drogenkonsumierenden und frauenbenutzenden Julian Reichelt als Chefredakteur zu halten – und damit scheiterte. An wem?
Aus Döpfners veröffentlichten Texten geht hervor – und erstmals wird sowas öffentlich! – dass er darüber eine fundamentale Meinungsverschiedenheit mit Friede Springer (80) hat, die sich nicht auf Reichelt beschränkt, sondern auch auf das Ansehen der früheren Bundeskanzlerin Merkel bezieht. Die Verlagsmatriarchinnen Springer und Mohn (81, Bertelsmann) legten viel öffentlichen Wert auf ihre persönliche Freundschaft mit Merkel – und umgekehrt.
Doch welche Macht im Verlag könnte darüber hinaus mit Döpfner über Kreuz geraten sein? Da elektrisierte mich heute eine Meldung aus dem Mediendienst “kress”, die an materieller Explosivität Döpfners geschriebene Ausrastereien übertreffen dürfte, und auf mich ähnlich aus dem Konzern heraus durchgestochen wirkt:
“Axel Springer hat für das US-Nachrichtenunternehmen Politico im Jahr 2021 exakt 881 Millionen Euro springen lassen. [.] Interessant an den Zahlen ist aber, dass Springer auch den Jahresumsatz von Politico im Jahr 2021 in Höhe von 171,3 Millionen Euro brav rapportiert. Der Gewinn betrug 5,5 Millionen Euro. Das bedeutet, dass Axel Springer einen Preis von 5 x Umsatz (oder 161 x den Gewinn) für Politico bezahlt hat. [.] Laut M&A-Experten muss Politico in den kommenden Jahren stark wachsen, jährlich mindestens 30 Prozent, besser 50 Prozent. Sonst wird es schwer, das Investment je zurückzuverdienen. Eins ist klar: In der Bewertung steckt enorm viel Fantasie. Und der gigantische Kaufpreis zeigt eben an, dass andere das ebenso gesehen haben. …”
Update 14.4.: hier legt kress in seiner Springer-Berichterstattung – subtil? – nach. Ich ahne, wer nicht amüsiert ist.
Spätestens jetzt ist ein Blick auf die Aktionärsstruktur des Springerkonzerns fällig. Solche Blicke führen automatisch zu mehr Wahrheit im real existierenden Kapitalismus. Hier ist augenfällig, dass Döpfner nur so lange mächtig ist, wie er mit Friede Springer einig ist. Sollte die sich mit der US-Heuschrecke KKR einig sein, wird es für ihn gefährlich. Ein weiterer interessanter Mitspieler mit knapp 13% ist ein kanadischer Pensionsfond, nach eigener und Wikipedia-Darstellung “regierungsunabhängig”, aber gewiss auch nicht amüsiert, wenn viel Kapital in den Sand gesetzt wird. Schwedische Fondskollegen erleben da gerade einen Alptraum, der nicht zur Nachahmung reizt …
Was wäre im Falle von Döpfners Zwangsfrührente?
Dann kommt halt ein Anderer. Oder etwa eine Frau? Möglich ist das alles. Aber was wäre gewonnen? Weniger Testosteron-Toxizität im Springerkonzern? Das wäre für die betroffenen Konzernbeschäftigten natürlich eine grosse Erleichterung und Fortschritt. Würde irgendein Medium des Konzerns dadurch erträglicher? Ich fürchte nein.
Das Problem sind nicht die Medien von Springer. Die fallen unter Meinungsfreiheit. Und ihre Verkaufszahlen fallen auch. Das Problem sind die Medien, die sich dem Agendasetting der Springermedien bereitwillig unterwerfen – sei es aus Überzeugung, sei es aus Kostengründen. Nicht wenige solcher Medien gehören “uns”, der Öffentlichkeit. Sie sind das grössere Problem.
Dann bleiben da noch die niedrigklassigen Politiker*innen und Parteien, die solche Medien umkreisen, wie die Fliegen die Kuhfladen, und sich von ihnen treiben lassen, statt unsere Wähler*innen*aufträge zu erledigen. Dazu lesen Sie bitte all die anderen Texte in diesem Blog.
Letzte Kommentare