Es ist ein beliebtes Spiel der Rechten in USA und Europa, sich als Opfer einer angeblichen “Cancel Culture” zu gerieren. Opfer eines Schulbeispiels rechtsextremer “Cancel Culture” ist die Lehrerin Bahar Aslan. Sie ist zum einen Lehrerin an einer Schule und Referentin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Duisburg. Was hat sie schlimmes gesagt, das Shitstorms und Ächtungen auslöste? Dass ihr in jeder Polizeikontrolle Herzrasen kommt, weil sie von dem ganzen braunen Dreck in der Polizei weiss. Was ist denn bitte daran falsch? In Hessen, NRW und anderen Bundesländern hat es genau diesen braunen Dreck in der Polizei in Form von Rassismus und Neonazismus gegeben. Nein, nicht in jeder Polizei, nicht überall und allgemein, aber eben ausreichend, um die Institution des Rechtsstaates grundsätzlich zu desavouieren, Zweifel in die Gesetzestreue der Polizei des demokratischen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland zu säen. Wer das ignoriert, hat nichts verstanden.
Herbert Reul hat als Innenminister in NRW seine Abscheu über die rechten Exzesse und Chatgruppen in der NRW-Polizei zum Ausdruck gebracht. Dafür gebührt ihm Hochachtung und Wertschätzung. Es wäre zu wünschen, dass er bei den Äußerungen von Frau Aslan ganz genau hinschauen möge. Sie hat sich nicht ungeschickt oder misslich ausgedrückt – sie hat ausgesprochen, was sie und viele andere empfinden, wenn sie nicht wissen, welche Art Polizist*innen ihnen in der nächsten Kontrolle gegenüber stehen werden, einfach weil es “schwarze Schafe” gibt und die so handeln könnten, wie es Schwarze oder Menschen mit Migrationshintergrund befürchten müssen. Dabei ist es nicht nötig, dass von der Polizei eine konkrete Gefahr ausgeht. Es reicht eine abstrakte Gefährdung aufgrund der öffentlich gewordenen Vorkommnisse. Die Suspendierung ihres Lehrauftrages ist ein Skandal. Da ist eine Person, die von Rassismus betroffen ist, und dies benennt. Und die Konsequenz ist, dass sie als Dozentin mundtot gemacht wird – noch schlimmer, dass die Schulministerin mit Konsequenzen gegen eine Person droht, die die Wahrheit anprangert.
Grüne stellen sich hinter Aslan
Die Grünen im Landtag haben sich klar hinter Bahar Aslan gestellt. Die Hetzkampagne gegen sie sei absolut inakzeptabel. Die Auseinandersetzung mit Rassismus in der Polizei ist dringend notwendig und rassismuskritische Perspektiven in der Aus- und Fortbildung der Polizei seien dringend notwendig. Die Bonner Abgeordnete und innenpolitische Sprecherin Julia Höller: „Dass Bahar Aslan einem solchen Shitstorm von Hass und Hetze ausgesetzt ist, ist durch nichts zu rechtfertigen. Der besagte Tweet war unglücklich formuliert und ich kann emotional nachvollziehen, dass sich Polizistinnen und Polizisten pauschal angegriffen fühlen. Wir brauchen eine differenzierte Debatte über strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft. Genau deshalb ist Bahar Aslan die Richtige für einen Lehrauftrag an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. Ich bin irritiert darüber, dass so kurzfristig der Lehrauftrag nicht verlängert wurde.”
Verbale Defensive
Aber hat Aslan ihren Tweet wirklich “unglücklich formuliert”? Auch dies ist eindeutig falsch, denn schließlich hat sie nur formuliert, dass ihr “der braune Dreck in der Polizei” und nicht pauschal “eine braune Polizei” Angst macht. Die Chatgruppen in der NRW-Polizei und in Hessen aber sind Realität. Sie werfen ein überaus schlechtes Licht auf die Menschen, die befugt sind, das staatliche Gewaltmonopol auszuüben. Das muss unzensiert ausgesprochen und angeprangert werden. Wer aber die Formulierung Aslans als “ungeschickt, mißverständlich oder unglücklich” bezeichnet, wie Höller, aber auch der “Kölner Stadtanzeiger”, befindet sich verbal bereits im Rückzugs- und Entschuldigungsmodus. Was vor wenigen Jahren noch unverblümt als offensichtlicher Skandal verurteilt wurde, erfordert inzwischen quasi eine entschuldigende Begleitbemerkung. Offensichtlich ist der gesellschaftliche Diskurs von CDU und AfD bereits so weit nach rechts gerückt, dass nicht mehr rechte Umtriebe der Skandal sind, sondern der- oder diejenige, die das ausspricht. Dass obendrein die Bezirksregierung Münster “beamtenrechtliche Konsequenzen” gegen Frau Aslan prüft, ist skandalös und ein Fall von Einschüchterung und versuchter Zensur. Sie ist einer demokratischen Rechtsstaatlichkeit nicht angemessen. Es sind nicht die Äußerungen Aslans, sondern die Reaktionen darauf, die Sorgen machen müssen.
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