Irrlichternde CDU-Führung bringt christdemokratische Werte in Rutschen

Friedrich Merz und Thorsten Frei bewegen sich derzeit auf den Spuren der Rechtsextremisten. Wer glaubt, die Forderungen von Friedrich Merz, das Asylrecht in Deutschland auszusetzen oder gar die Genfer Flüchtlingskonvention auszusetzen oder – noch abenteuerlicher – die Anerkennung nicht nur an den Grenzen, sondern in anderen Ländern stattfinden zu lassen, gehen weit über das hinaus, was die AfD fordert.

Die möchte nur die Aussengrenzen der EU dichtmachen und dort (nur) keine Flüchtlinge mehr  hereinlassen und Entscheidungen an den Grenzen treffen. Die Vorschläge der derzeitigen CDU-Irrlichter sind nicht nur sachlicher und nicht praktizierbarer Unsinn, da es für solche exterritoriale Rechtsprechung keinerlei Rechtsgrundlage gibt. Sie fischen eindeutig dort, wo Rechtsextremisten der NPD, neuerdings “Heimat”, des “Dritten Weg” oder von anderen rechtsextremistischen Organisationen bereits Parolen verbreiten. Sie bewegen sich damit nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern machen sich den Parolen, absurden Denkmustern und Zielvorstellungen des rechten Randes der Gesellschaft anheischig.

Teile der bürgerlich Konservativen geben Rechtsextremen indirekt recht

Sie halten damit nicht, wie es geboten wäre, den abstrusen Vorstellungen von “Masseneinwanderung” und “Umvolkung” der Rechtsextremisten   entgegen, sondern schweigen dazu, und geben diesen Thesen durch ihr Stochern im rechtlich Unausgegorenen indirekt recht. Das ist eine fatale Haltung bürgerlicher Demokraten zum Grundgesetz. Denn ihre Grundannahme ist, dass es wirklich ein Problem der (illegalen) Einwanderung gäbe, dem die Politik einfach durch Abschottung abhelfen könne.  Das aber ist blühender Unsinn.  Leider vermischt die CDU/CSU aus Wahlkampfgründen Flucht und Asyl einerseits und Einwanderung andererseits.

Einwanderung ist existenziell notwendig

Die Frage der Einwanderung ist eindeutig zu beantworten: Deutschland braucht in den nächsten Jahrzehnten aus demografischen Gründen jährlich etwa 400.000 dauerhafte Einwander*innen, wenn Produktivität, Sozialdienste, dauerhaft bedient, Fachkräfte ausgebildet und Transportinfrastruktur sowie Bauindustrie gesichert werden können. Auch das neue “Fachkräfteeinwanderungsgesetz” mit Quoten wird es kurzfristig nicht schaffen, den Bedarf zu decken. Deshalb ist es dringend erforderlich, wenn auch hier lebende Flüchtlinge so schnell wie möglich qualifiziert und integriert werden. Jede Abschiebung eines Menschen mit Arbeitsplatz ist ein Schlag gegen die Menschlichkeit und gegen das wirtschaftliche Wohl unseres Landes und der betroffenen Unternehmen.

Ideologische Scheuklappen aus Feigheit vor Fakten

Was die Merkel-Regierung in 16 Jahren nicht geschafft hat, daran versagt nach Meinung von Merz nun die “Ampel”.  Vorgängerregierungen konnten geduldete Flüchtlinge nicht abschieben, weil deren Menschenrechte gefährdet waren. Weil auch CDU-Regierungen es nicht geschafft haben, im Rahmen der Menschenrechte Rücknahmeübereinkommen mit Staaten Afrikas zu treffen. Wie auch, wenn diese Staaten wie Libyen, der Libanon, selbst Tunesien derzeit praktisch nur auf dem Papier existieren, von Despoten regiert werden oder für die Betroffenen eine menschenrechtliche Hölle bedeuten. Ein zunehmend rassistisch handelnder Präsident Tunesiens, mit dem die EU jüngst dealte, hetzt im eigenen Land gegen Flüchtlinge aus der Sahel-Zone. Ein Autokrat Erdogan, der in Syrien mit dem Islamischen Staat paktiert und zehntausende demokratische Oppositionelle verfolgt, die Kurden von der politischen Teilhabe ausschließt. Ein ‘ägyptischer Militärdiktator verfolgt Oppositionelle ebenso wie Frauenrechtlerinnen, Schwule. Lesben und Transpersonen. Wohin möchten die Herren Merz und Frei abschieben – vielleicht nach Afghanistan oder Saudi-Arabien?

Objektive soziale Probleme wie Wohnungsnot und Armut ignoriert

Es ist allem voran der Umgang dieses Landes mit den Menschen, die keine Wohnungen haben und kein Unterkommen, die dazu führen, dass das angebliche Flüchtlingsproblem Wasser auf die Mühlen der AfD und anderer Rechtsextremisten leitet. Die Kommunen stöhnen unter der Last der Unterbringungen, fehlender Betreuungskräfte und überbordender Bürokratie. wenn etwa das Land NRW 750 Flüchtlinge in einer ehemaligen Klinik in der Eifel unterbringt, ist das Problem zuerst die fehlende Bau- und Nutzungsgenehmigung der Immobilie – erst dann denken die Verantwortlichen an die fehlenden Sprachkurse, Beschäftigungsmöglichkeiten und Integration vor Ort. Hier könnte sich die CDU positiv engagieren, ihrer Landesregierung in NRW beispringen, ohne selbst in den politischen Strudel rechtsextremer Politikforderungen einzutauchen.

CDU: wirtschaftlich, sozial und liberal – denkste!

Das, was Heiner Geißler und Ruprecht Polenz, Helmut Kohl, Ludwig Erhard, und Norbert Blüm einst für das Spektrum der CDU/CSU beanspruchten, was Edmund Stoiber, Günter Beckstein und Horst Seehofer teilten. Die gesellschaftliche Mitte in Deutschland anzusprechen, mitzubestimmen, was diese Mitte ist, hat die aktuelle CDU eindeutig aufgegeben. Wer die CDU quasi als eine AfD mit Substanz bezeichnet, hat sie bereits aufgegeben. Merz hat sich und die stolze CDU damit um Kopf und Kragen geredet. Der Vertreter der Spitze des Neokapitalismus in Gestalt des internationalen Investors Blackrock, berief einen ihm ähnlichen Dünnbrettboherer, den jugendlichen Schreihals des Wirtschaftsflügels, Carsten Linnemann, als seinen Generalsekretär. Die Angriffe gegen Asylrecht, die Leugnung, gegen den Klimawandel konsequent vorgehen zu müssen, der unausgesprochene gesellschaftliche Konsens über den Klimawandel stehen zur Disposition. Damit rückt Friedrich Merz derzeit die CDU noch näher an die AfD.  In der Sache bedeutet das den Versuch einer Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses hin zu den Populisten. Man könnte es auch “nützliches Idiotentum” nennen.

In der CDU haben längst Kräfte jenseits von Merz den Boden der Verfassung verlassen

Das Bündnis von liberalem, sozialem und Wirtschaftsflügel der CDU ist innerparteilich aufgekündigt. Darüber hinaus hat sich diese CDU-Führung anscheinend vom Boden des Grundgesetzes verabschiedet. Unsere Verfassung, die im kommenden Jahr 75 Jahre besteht, wird von den Führungskräften der CDU derzeit massiv in Frage gestellt. Allen Grundrechten, voran das Asylrecht, aber auch das Recht auf Freizügigkeit, das Recht auf Chancengleichheit durch Bildung, die Gleichberechtigung der Geschlechter und Minderheiten, scheinen Rechte zu sein, die von der aktuellen CDU-Führung nicht gegen Aggression von Extremisten verteidigt, sondern als zweitrangig angesehen werden. Zwischen den modernen CDU-Köpfen wie den Ministerpräsidenten Wüst (NRW), Daniel Günther (Schleswig-Holstein), und denen von  Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt)  und Michael Kretschmer (Sachsen) klaffen Welten.

CDU-Ostler beteiligt an der Demontage der freiheitlichen Gesellschaftsordnung

So setzte sich Haseloff 2022 gegen die minimale Erhöhung des Rundfunkbeitrags um wenige Cent ein und verletzte nicht nur damit den Staatsvertrag der ARD. Vor allem spielte er damit ideologisch den Forderungen der AfD nach Zerstörung eines unabhängigen Rundfunks in die Hände. Wie ein Ministerpräsident, dessen Mehrheit mehrfach auf des Messers Schneide stand, darauf erpicht sein kann, die öffentlich-rechtlichen Medien, die eine demokratisch-ausgewogene Öffentlichkeit garantieren, auf die auch seine Regierung angewiesen ist, so zu schwächen, dass künftig (a)soziale Medien und Privatsender Vorteile haben, erscheint so absurd wie abenteuerlich. Ebenso fahrlässig erscheinen Äußerungen des Sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer, die zu einem “pragmatischen Umgang” mit gewählten AfD-Vertretern in den Kommunen raten. All dies erinnert an dem Konservativen Franz von Papen, der glaubte, Hitler in einem gemeinsamen Kabinett 1933 “einmauern” zu können. Kretschmer und Haseloff irren, wenn sie meinen, durch ein Nachgeben gegenüber antidemokratischen Forderungen der AfD für die CDU Boden gutmachen zu können. Sie machen sich unter Umständen zu Komplizen der Antidemokraten, indem sie nicht entgegenhalten, sondern deren Propaganda nachgeben. Sie werden so der AfD keine einzige Stimme abnehmen, sondern deren Übertretungen des “Sagbaren”  durch die eigenen Argumente legitimieren. Sie leisten keinen Widerstand, sondern werden – gewollt oder ungewollt – zu nützlichen Idioten.


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Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net