»Es ist etwas Großes, was ich hier gerade sage«
In der Paywall des Spiegel wird über einen Auftritt der grünen Bundesminister*innen Baerbock und Habeck berichtet, Sie sprachen vor der “BoKo” (Botschafterkonferenz) im Auswärtigen Amt. Bescheiden seien sie nicht aufgetreten, im Gegenteil. Den Spiegel-Autor interessierte nur, wer von beiden die bessere Performance hatte (er – ein Mann – meinte Habeck). Das Kernproblem ist dagegen, wie exakt diese Ministerin mit dem Bulldozer durch die Handwerkskunst der Aussenpolitik, die Diplomatie fährt.
Dieses Problem hat Harald Neuber/telepolis aufgegriffen: “Annalena Baerbock und das Außenamt: Von der kleinen Kunst der Twitter-Diplomatie – Deutsche Botschafter sollen deutsche Werte offensiver vertreten. Ist das eine gute Idee? Wohl kaum, zeigen zwei Beispiele.”
Ob seine Beispiele Qatar und Venezuela gut gewählt sind, darüber lässt sich streiten. Der Kritikbefund selbst ist bedauerlicherweise zutreffend – und in seiner Wirkung brandgefährlich für das derartig regierte Land – also uns. 1982 bin ich wegen dem Kerl aus der FDP ausgetreten. Aber der Chefdiplomat Hans-Dietrich Genscher trat 1992 in dem Moment zurück, in dem er erkannte, dass er die Abwesenheit von Krieg in Europa nicht mehr sicherstellen konnte. Die Auflösung Jugoslawiens, auch durch seine Fehler befördert, und die nachfolgenden Kriege begannen.
Damals wie heute waren/sind es schlecht beratene Grünen-Minister, die zum Kriegführen aufrufen. Seit Genschers Rücktritt habe ich mich als BRD-Bürger mit jedem Wechsel in seinem Amt immer unsicherer gefühlt. Eine gute Grundlage zum Überzeugen von Wähler*inne*n ist das definitiv nicht.
Verblüffung durch den Blick aus USA
Gestern Abend genoss ich einen Abend im Beueler l’Olivo mit gleichgesinnten Freund*inn*en. Einer Freundin aus den USA (mit doppelter, also auch deutscher Staatsbürgerinnenschaft) gelang der Moment grösster Verblüffung. In ihrem Land, müssen Sie wissen, lehnt die Mehrheit beide Präsidentschaftsbewerber, den greisen Trump und den greisen Amtsinhaber, gleichermassen ab. Die Bürger*innen wähnen sich in einer Greisenrepublik, und wenden sich ab. Die Mehrheit wird an der nächsten Wahl wahrscheinlich nicht teilnehmen. Schlimm. Und aus dieser Perspektive sagt uns die Lady aus Amerika: wir, die BRD, hätten “die beste Regierung der Welt”! Dä.
Alle Andern guckten sich ausgeprägt dumm gegenseitig an. Damit hatten wir nicht gerechnet. Angestrengt suchten wir nach Widerspruch. Ich führte an, mich in der Krieg-und-Frieden-Frage durch Lula da Silva (Brasilien) weit besser vertreten zu fühlen. Wofür ich von der Brasilien-Expertin am Tisch strafende Blicke erntete. Spanien vielleicht? Die Regierung hat gerade ihre Wahl verloren, immerhin so glimpflich, dass die Rechten sie nicht gewonnen haben – das müssen US- und BRD-Bürger*innen neidvoll anerkennen, aber zu welcher neuen Regierung das führt, ist offen. Portugal? – Unwissen am Tisch. Zaghaft ergänzte ich mein Tagesschau-Wissen, dass Kenia bereits bei 90% erneuerbare Energien stünde.
Insgesamt war dieser Widerspruch am Tisch seltsam kraftlos. War die Sache mit der Kindergrundsicherung plus derzeitige Haushaltsdebatte denn nicht deprimierend schlecht? Wie auch alle Umfragedaten? Welche all der schlechten Regierungen auf der Welt ist denn nun wirklich besser?
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