Na, das wird ja was werden! Wenn das Schule macht. In Pullach haben Stadtrat, Elternschaft, Schülervertretung und selbstredend auch das Kollegium dafür gestimmt und plädiert, dem dortigen Gymnasium den Namen Otfried Preußler zu entziehen, um ihm die aufregende Zuschreibung „städtisches“ zu geben.
Nach einer kaum verifizierbaren Angabe gibt es 22 Otfried- Preußler-Schulen in Germany. 22. Es können einige mehr sein. Außerdem gibt es jede Menge Otfried-Preußler-Straßen beziehungsweise O-P-Wege und Alleen. Hin und wieder sind solche Straßen in eine größer-flächige-Wortwahl eingebettet – etwa in Soltau: Da bilden Astrid-Lindgren-Weg, Erich-Kästner-Straße, Otfried-Preußler-Allee und Michael-Ende-Weg im Bebauungsplanes Nr. 47 eine Literaturgemeinde.
Ein Argument der Namen-Stürmer lautete: Was hat Pullach mit Otfried-Preußler zu tun? Von diesem Argument sollte nur mit äußerster Vorsicht Gebrauch gemacht werden. Denn sofort schießen Fragen ins Kraut: Was hatte Arnold von Wied mit Beuel zu tun? Johann Amos Comenius mit dem Pennenfeld? Und so weiter.
Ein weiteres Argument lautete, Preußler habe von Anfang an nicht zu Pullach und zur dortigen Schule gepasst. Heißt: Seit die dortige Schule vor zehn Jahren den Namen des Autors bekam, hat man mit dem Namen gefremdelt. Na ja, ist ebenso. Den Namen meiner Schule in Euskirchen, des Emil-Fischer-Gymnasiums fand ich auch nicht berauschend. Heinz-Flohe-Schule oder Carl-Perkins-Gymnasium hätten mir besser gefallen.
Das hauptsächliche Argument in Pullach lautete: Preußler tauge nichts im ethisch-erzieherischen Sinn, weil er als junger Mensch eine Erzählung, einen Roman verfasst hat, der in der Blut-und-Boden-Ideologie des reichsdeutschen Nationalismus und der Nazis verhaftet sei. Und hinzutreten lassen die Namen-Stürmer aus Pullach die Behauptung, Magisches, gar Gewalt in Büchern für Kinder seien nicht akzeptabel. Davon enthielten Preußlers Kinderbücher jedoch eine ganze Menge.
Das ist zweifellos ernst zu nehmen. Wer die Gewaltfrage wirklich durchdekliniert, der kommt auf Kinderbücher bezogen über Eric Carles „Die kleine Raupe Nimmersatt“ nicht hinaus.
Die zweite Frage offen beredet: War Preußler ein junger Nazi? Unbestritten ist, dass Preußler in einem Elternhaus aufwuchs, in welchem sein Vater mit seinen völkisch-deutschen, auch antisemitischen und vor allem anti-tschechischen, Tschechen-feindlichen Vorstellungen dominierte. Sudetendeutsche Nazis haben im bürgerlichen Milieu – im Unterschied zur sudetendeutschen Arbeiterklasse – eine führende Rolle eingenommen. Dem hat er sich nicht entzogen, sondern auf seine expressive Weise mit Schreiben und dem bei vielen üblichen HJ- Verhalten reagiert.
Nach Krieg und Gefangenschaft gibt es nichts mehr, was an Preußlers HJ-Verhalten erinnert. Er hat seine Einstellungen als Heranwachsender freilich nicht thematisiert. Möglich ist, dass er sich sehr geschämt hat. Wir wissen es nicht.
Wie jede und jeder die literarisch etwas zu sagen haben, entzieht sich Preußler einer schlichten Bewertung. Was sich sagen lässt: Er hat Kinder ernst genommen und nicht als Dekoration für eigene Einfälle genutzt. Er hat sie in eigene Welten gesetzt, die sie gegen Einsprüche und Ablehnung und Feindseligkeit gewonnen haben. Immer wieder. Wie ernst er es aus eigener Erfahrung gemeint hat, wenn es um Kinder ging, erkennt man im von ihm geschaffenen Hilfswerk Aschau, einer großen und sehr namhaften orthopädischen Klinik für verletzte und behinderte Kinder.
Für Kinder, die es nicht leicht haben und hatten, ist Preußler wichtig. Das scheint nicht überall zu gelten.
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