Er hat es schon wieder getan und er hat tut es offensichtlich täglich: Horst Seehofer fordert die Kanzlerin auf, die „Flüchtlingsströme“ zu stoppen und droht mit „Konsequenzen“. Was das sein soll, darüber wird die Gerüchteküche geschürt – vom Rückzug der CSU-Minister aus der Bundesregierung bis hin zur Aufkündigung Koalition in Berlin ist die Rede. Wie sollte die Kanzlerin, betrachten wir doch einmal die Lage nüchtern, denn reagieren? Etwa ernsthaft durch die Umzäunung der Bundesrepublik Deutschland? Glaubt Horst Seehofer wirklich, dass man in einer Gesellschaft, die mit TTIP und EU-Politik ständig Freihandel und freie Kapitalströme fordert, Flüchtende – sei es wegen Armuts- oder Kriegsursachen –mit Mauer und Stacheldraht aussperren kann, ohne damit das gleiche Verbrechen zu begehen, das man 40 Jahre dem DDR-Regime vorgeworfen hat?
Kniefall vor PEGIDA
Was ist das eigentlich für eine angebliche Wirtschaftspartei CSU, die angesichts der besten Wirtschaftsdaten seit jahren, einer prosperierenden Exportwirtschaft, die in diesem Jahr 4,4% Rentenerhöhungen im Westen und über 5% im Osten einen seit 20 Jahren nicht erlebten Wohlstand erlebt, nichts anderes zu tun hat, als die von der Humanität gebotene Politik der Kanzlerin und von Millionen freiwilligen Helfern in „PEGIDA“-manier in den Dreck zu ziehen und auf „Teufel komm raus“ rechte, rassistische Vorurteile und populistischen Nationalismus zu bedienen? Ist diesem Politclown vom Alpenrand eigentlich klar, was er anrichtet, wenn seine Partei, die in vielen Fragen manchmal links von der CDU zu verortende CSU, den selben braunen Dreck von der Überforderung und der Islamisierung, von mangelnder Abschottung legitimiert, den PEGIDA jede Woche erneut weinerlich und selbstmitleidig aufrührt?
Einknicken vor Fluchtursachen
Was soll das, wenn Bundesinnenminister de Maizière statt endlich seine Arbeit zu machen, in das gleiche Horn stößt und fordert, wer aus Afghanistan von den Taliban flüchtet, soll bitteschön wieder dorthin abgeschoben werden, weil das korrupte Regime Milliarden westlicher Hilfe bekommen habe, die längst versickert sind? De Maizière hätte längst die Flüchtlingsschlangen hunderter Syrer in der Kälte Berlins und anderswo verkürzen können, indem er die offensichtlichen Bürgerkriegsflüchtlinge kurzerhand als Kontingentflüchtlinge anerkannt hätte, anstatt sie ins bürokratische Asylverfahren zu treiben, das von seiner Abschreckungs- und Abschiebebehörde BAMF viel zu langsam und bürokratisch vollzogen wird. Dessen Amt seine Aufgabe abgesichts des Terrors in Syrien, im Irak, in Somalia, Eritrea und Afghanistan immer noch so versteht, dass es nur darum geht, gegen jeden anerkannten Flüchtling vor Gericht zu ziehen und jeden Verfahren in die Länge zu ziehen – da haben offensichtlich welche den Schuss nicht gehört.
Administrative Tricks statt schneller Abhilfe
Nein, ich mag das Gejammere dieser Nichtstuer, Zögerer und Zauderer, Bedenkenträger und Angsthasen vor der angeblichen Islamisierung angesichts der Flüchtlingswelle, die sich langsam zur Katastrophe steigert, nicht mehr hören und nicht mehr sehen! Natürlich ist das alles anstrengend und natürlich ändert sich etwas in unserem Land – aber glauben eigentlich Seehofer und Co, mit unsolidarischem Handeln, Nationalismus und Abschottung könne man globale Krisen lösen? Am rechtsradikalen Ungarn soll die EU genesen? Was wollen diese Herren sehen – Fernsehbilder von verhungerten und erfrorenen Kindern der Flüchtlinge im Schlamm? Soll irgendwann auf Flüchtlinge an EU-Grenzen geschossen werden? Die friedlichen Demonstranten gegen die rechtsextreme “Hogesa” am 25.10. in Köln haben es klar gesagt: Nur wenn wir den Arsch huh (hoch) kriegen, können wir helfen, dass es sich zum Besseren wendet!
Beispielhafter Einsatz
Nehmen wir die Gemeinde Sankt Andreasberg, deren Zahlen allein den Pegidisten und Seehofern dieser Tage den Schweiss auf die Stirn treiben muss: 1.600 Einwohner, die inzwischen mit 1.500 Flüchtlingen in einer ehemaligen Kurklinik zusammen lagen. Die „Überfremdung“ kam über Nacht über den kleinen Urlaubsort – aber die Einwohner, die seit Jahren über Abwanderung klagen, haben keine Krokodilstränen über verlorene Identität geweint, sondern einfach zugepackt: Arbeitsplätze sind entstanden, in Kleiderkammer, Organisation, Küche, Unterkunft der ehemaligen Kurklinik – der örtliche Supermarkt verkauft doppelt soviel, wie bisher, ebenso der Kiosk, dessen neuer Renner Telefonkarten sind. Ja, man ist sich immer noch fremd, aber die ersten Freundschaften werden geknüpft, über Sprachlerngruppen und der Wirt, der aus Ostdeutschland stammt, verweist darauf, dass es für individuellen Erfolg nach der Vereinigung auch keinen Masterplan gab, man es aber schaffen konnte und nun auch könne. Der Mann ist Ossie – und er jammert nicht! Und er liest mit Freude, dass Asylbewerber, die arbeiten dürfen, zuvörderst die Rentenkassen entlasten.
Nur Kleingeister kapitulieren
Deshalb: lasst Hasardeure wie Seehofer doch drohen! Soll er doch – wie in den Fünfziger Jahren die FDP, die aus Adenauers Kabinett ihre Minister zurückzog und anschließend wieder umfiel – aus der Bundesregierung austreten! Sachlich betrachtet scheinen sowieso nur große Teile der CDU, SPD und Grüne begriffen zu haben, dass die gegenwärtige politische Krise zu ernst ist, um für parteipolitische Spielchen Raum zu lassen. Es geht um Humanität und damit die Kernwerte unserer Verfassung und um die Werte und Exitenzberechtigung Europas. Es geht um die EU, die offensichtlich von vielen Neumitgliedern als Versorgungsagentur und nährende Mutterbrust ohne Verpflichtungen verstanden wird, deren Mitglieder Ungarn, Polen, Slowenien und Kroatien und die baltischen Staaten vor lauter Antikommunismus und Antisowjetismus überhaupt nicht verstanden haben, dass Solidarität auch in der EU eine Angelegenheit auf Gegenseitigkeit ist.
Merkels Rationalität
Angela Merkel ist dafür bekannt, dass sie zwingende historische Aufgaben – wie beim Atomausstieg nach Fukushima – mit naturwissenschaftlicher Rationalität erkennt und sich ihnen stellt. Seehofer ist dafür bekannt, schon mal im populistischen Wolkenkukuksheim zu tänzeln – ein kleiner bayerischer Bub, der sich seinem Lutscher hinterherweint, der ins Eisbärbecken gefallen ist und den die “Mutti” ihm jetzt wieder rausfischen soll, sonst, so droht er, die Reifen des gemeinsamen Familienautos zu zerstechen. Wes Geistes Kind er ist, hat Seehofer im Statemant in der „Tagesschau“ am 29.10. angesichts der frierenden und hungrigen Flüchtlinge, die nach tagelangem Marsch durch Europa in Bayern ankommen, deutlich gemacht: „Wenn dann etwas passiere, so Seehofer, dann sei nicht Bayern dafür verantwortlich, sondern die, die sich in Berlin seit Tagen weigern, den Zustrom zu beenden“. Wer sich so versucht, aus der politischen Verantwortung stehlen, muss sich fragen lassen, ob er der Schwere der gegenwärtigen Flüchtlingkrise und ihren politischen Ursachen überhaupt intellektuell gewachsen ist. Der politische Ernstfall, den wir hier zweifellos erleben, braucht andere Menschen, Personen mit Format.
Bayerischer Zwergenaufstand
Was Seehofer offensichtlich auch nicht verstanden hat, ist, dass ihn im Notfall niemand braucht. Bayern ist verpflichtet, die Bundesgesetze zum Asyl- und Flüchtlingsrecht zu vollziehen – dazu wird ihn zur Not das Verfassungsgericht per Eilanordnung verpflichten. Die Kanzlerin könnte auch Bundeswehr und Polizei schicken, wenn durch das Handeln einer Landesregierung in der Krise Bundesgesetze nicht befolgt werden. Sein Zwergenaufstand ist nichts anderes, als mit den Ängsten und Verunsicherungen der Menschen zu spielen und Öl ins rassistische Feuer von Pegida und co zu gießen. Seine versuchte Täuschung der Öffentlichkeit, irgendjemand wäre in der Lage, die Flüchtlinge einfach so mal von ihrem Exodus abzuhalten, ist verlogen, opportunistisch und widerlich. Die Menschen, selbst überzeugte CSU-Anhänger, wissen das. Diese Verantwortung wird Seehofer so nicht loswerden und seine Koplizen Söder und Herrmann auch nicht.
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