Zahlreiche Programmreformen begleiteten mein langes Radiohörerleben. Jede, ausnahmslos jede, bereitete mir geradezu körperlichen Schmerz. Es war immer eine WDR-Welle, die verschlimmbessert wurde. Die einzige positive Ausnahme war 1973 die Einführung und Gründung der “Radiothek” auf WDR2. Der altgewordene Sender wollte sich an die damals noch geburtenstarke Jugend ranschmeissen. Und ein Wunder geschah: es gelang. Allerdings nur sieben Jahre. Eine engagierte Redaktion hatte so viel politischen Ärger verursacht, dass die Führung des Senders das nicht mehr länger aushalten wollte.

Einige “Radiothek”-Redakteure starteten dennoch in ihrer WDR-Karriere durch. Jede*r WDR-Hörer*in muss selbst urteilen, wie sie*er das findet – da gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen. Ich wanderte zunächst zu WDR1 ab, bis das durch EinsLive dem Formatisierungs-Erdboden gleichgemacht wurde. Dem sollten später alle anderen WDR-Wellen folgen. Und so wurde ich Deutschlandfunk-Hörer. Ein Einschaltradio.

Die Formatisierung der allermeisten ARD-Wellen folgte dem Zweck, um den neuentstandenen privaten Wellen Einschaltquoten entgegenzusetzen, “Ausschaltimpulsen” den Garaus zu machen. Als solche Impulse galten zu lange Wortbeiträge, zu schräge oder unbekannte Musik, alles, was in irgendeiner Weise irritieren könnte. Ergebnis: Gleichartigkeit, Verwechselbarkeit, Voraussehbarkeit, Langeweile. Jedenfalls nichts für mich. Ein Grund, einen Sender einzuschalten, war in den Programmangaben nicht mehr zu entdecken. Ausser beim Deutschlandfunk.

Auch dort finde ich zunehmend Ausschaltimpulse. Es sind CDU-nahe Moderationen im AfD-Ähnlichkeitswettbewerb in den aktuellen Politsendungen am Morgen, Mittag und Abend. Es sind immergleiche Interviewgäste (wie bei den TV-Talkshows). Mein Tipp: morgens nur die Zusammenfassung 8.35 h bis 8.50 h hören, und dann entscheiden, was mich in voller Länge interessiert (online nachhörbar).

Meine Einschaltimpulse: Sport um 7.55 h, Umwelt und Verbraucher 11.35 h, @mediasres 15.35 h, Forschung aktuell 16.35 h; samstags Informationen am Morgen, wenn es Jürgen Zurheide moderiert, Wochenendjournal 9.10 h, Klassik-Pop-et cetera 10.05 h, Gesichter Europas 11.05 h; sonntags Essay&Diskurs 9.30 h, Sonntagsspaziergang 11.30 h, Zwischentöne 13.30 h, und am Wochenende vor dem Einschlafen immer: die Lange Nacht, und täglich vor dem Einschlafen als kulturpolitisches Leitmedium Fazit. Das ist nicht wenig, oder?

Nun hat mich das langjährige WDR-Gewächs Jona Teichmann zum DLF verfolgt, und bedroht mich nun auch dort als Programmdirektorin mit einer Programmreform. Ihr unheilvolles Wirken hat schon dazu geführt, dass die Onlineverfügbarkeit und Lesbarkeit von Sendemanuskripten beseitigt wurde. So wünschen es die weniger als ein Dutzend umsatz- und auflageschwindsüchtigen deutschen Zeitungsverlagsmilliardärsfamilien von öffentlichen Medien. Doch das scheint ihr nicht zu genügen.

Längst ist mir aufgefallen, dass sich auch bei meinen o.g. Einschaltimpulsen Wiederholungen häufen. Viele Beiträge werden auf diverse Sendungen verteilt und mehrfach gesendet. Livemoderationen durch Vorproduziertes zu ersetzen, erleichtert inhaltliche Kontrolle und senkt Personalkosten für Schicht- und Bereitschaftsdienste. Alles dient der Kosteneinsparung. Wenn wir die WDR-typische Lyrik weglassen, ist das auch in diesem aktuellen Fall das treibende Interesse. Dadurch, das neumodisch “Podcast” zu nennen, wird es nicht besser. Die Profis in den Sendern wissen, dass das Beiträge zu ihrer Demontage sind, und freuen sich auf ihre Rente. Wie ich es getan habe.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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