Beueler-Extradienst

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Rassismus der politischen Mitte 1991-2025

Friedrich Merz hat entschieden, Bundeskanzler mit einer rassistischen und fremdenfeindlichen Kampagne werden zu wollen. Er hat in der vergangenen Woche den einmaligen Tabubruch der Abstimmung gemeinsam mit der AfD begangen, und die Mehrheit der FDP und das links-fremdenfeindliche BSW haben ihm dabei den Steigbügel gehalten. Ein toller “Erfolg”, der ihm den Widerstand von Teilen der eigenen Partei, die Intervention von Angela Merkel, den Austritt von Michel Friedman und eine irrlichternde Rolle als unsicherer Kantonist im Falle einer Wahl mit Stimmen der AfD eingebracht hat. Nur wer die Plenardebatte auf “Phoenix” verfolgte, wurde am Freitag Zeuge einer weiteren beispiellosen Entgleisung:

Hetze Hand in Hand

…”Aber ist es angesichts der Anschläge in Magdeburg und Aschaffenburg, der täglich stattfindenden Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber heraus, angesichts der Tatsache, dass sich mittlerweile Elterngruppen in ganz Deutschland zusammenfinden, deren Kinder Opfer von schwersten Straftaten durch Asylbewerber geworden sind, Ihr Ernst, dass wir heute darüber in der Mitte des Deutschen Bundestages nicht entscheiden können?”…(S. 27519)

Diese Behauptung beruht auf einer vermutlich absichtlichen Verkürzung der polizeilichen Kriminalstatistik. Diese weist lt Bundestag für die Jahre 2019-2023 zwischen 677 und 784 Vergewaltigungen bundesweit aus wobei der Anteil vermutet ausländischer Täter zwischen 46 und 50% betrug. Die Mehrzahl dieser Taten wurden offensichtlich von Deutschen begangen. Außerdem erfasst diese Statistik lediglich Anzeigen von vermuteten Taten, nicht aber die wirkliche Zahl der Verurteilungen. Es ist außerdem wissenschaftlich erwiesen, dass das Anzeigeverhalten der Bevölkerung gegenüber Migranten bei allen Delikten weitaus höher liegt, als bei Deutschen ohne Migrationshintergrund. Sie ist aber inzwischen der gemeinsame “Running Gag” von AfD und CDU/CSU in Talkshows wie “Hart aber fair”, gestern mit Frau Storch (AfD) und Thorsten Frei (CDU).  Tatsache ist, dass CDU/CSU nun auch bei der angeblichen Diskussion von Fakten und Argumenten in trauter Eintracht argumentieren.

Rassistische (Wahl-)Kampagnen haben Tradition

Das, was als Kollaboration von CDU/CSU und AfD heute neu und besonders erscheint, hat tiefe Wurzeln in der Geschichte der Kampagne zur Demontage des Asylrechts durch die CDU/CSU in den 90er Jahren. Der Autor hat im Buch “Die Asyl-Lüge” von 1992, herausgegeben  gemeinsam mit Claudia Roth, nachgewiesen, dass es seit 1990 eine geplante und systematisch vorbereitete, rassistische Kampagne der CDU/CSU gegen das Asylrecht gab, die zur Grundgesetzänderung und dem Artikel 16a GG führte. Wir ersparen den Leser*innen aber die ausführlichen Analysen und dokumentieren im Folgenden den Beweisantrag von Rechtsanwwalt Hans-Christian Ströbele vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein vom 2.9.1993 als Nebenkläger im Auftrag eines Opfers der Familie Arslan, der beispielhaft zeigt, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht erst mit der Gründung der AfD zur DNA der CDU/CSU gehörten: 

Der Beweisantrag im Wortlaut:  [nachträgliche Zwischenüberschriften in Klammern]

In der Strafsache gegen Lars C. und Michael P. – 2 OJs 5/93 – beantrage ich,

  1. als Zeugen in der Hauptverhandlung zu hören, den Bundesminister der Verteidigung Volker Rühe,
  2. In der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen, die Fernsehdokumentation des Westdeutschen Rundfunks von Gerd Mohnheim “Wer Gewalt sät …” Von Biedermännern und Brandstiftern”, Gesendet am 28. Januar 1993 in der Zeit von 20.15 Uhr bis 21.00 Uhr,

Zu 1.: eine Aufzeichnung des Fernsehbeitrages wird zur Verfügung des Gerichts bereitgehalten;

  1. einen. Sozialwissenschaftler oder politischen Wissenschaftler als Sachverständigen in der Hauptverhandlung zu hören. Als Sachverständige schlage ich vor: a) Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, zu laden an den Freien Universität Berlin, <
    b) Prof. Jäger; zu laden am Institut für Sprachforschung, Duisburg.

Der Zeuge, Bundesverteidigungsminister Rühe, wird bekunden:

Im Jahre 1991 war er Generalsekretär der größeren Regierungspartei in Deutschland, der CDU. Unter seiner Leitung hatte die Parteizentrale langfristig eine politische Kampagne vorbereitet, mit der mehrere Wahlkämpfe, die im Jahre 1991 in Deutschland stattfinden sollten, seitens der CDU geführt wurden. Um diese politische Kampagne in Gang zu setzen, verfaßte und schickte der Generalsekretär im September 1991 ein Schreiben an alle CDU-Funktionsträger, in dem er diese aufforderte, in den .. Kreisverbänden, in den Gemeinden und Stadträten, in den Kreistagen und Länderparlamenten die Asylpolitik zum besonderen Thema zu machen. Zu diesem Zweck sollten von den genannten Gremien massenweise Resolutionen verabschiedet werden. Dem Schreiben an alle Funktionsträger der Partei hat der Zeuge Argumentationsleitfäden und Muster- Presseerklärungen beigefügt. Auch ein vorgedruckter Musterantrag war beigelegt, in dem vorformuliert war, daß IIweitere Asylbewerber von der Gemeinde nicht mehr zu verkraften seien. Der Name der jeweiligen Stadt oder Gemeinde brauchte nur noch eingetragen zu werden. Zudem waren vorgedruckte Anfragen beigefügt, mit denen erfragt werden sollte, ob Asylbewerber
– in Hotels untergebracht sind?
– Was das kosten könnte?
-Ob Ausländer zuviel staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen?
-Welche Pläne für den Fall bestehen, daß der Gemeinde mehr Asylbewerber zugewiesen werden, als untergebracht werden können?
-Wie hoch die Kosten sind?
-Ob der Stadt oder Gemeinde Fälle bekannt geworden sind, in denen es seitens der einheimischen Bevölkerung zu Klagen.oder Beschwerden über die Asylbewerber gekommen ist?
-Wogegen sich diese Klagen und Beschwerde richten?”

Der Zeuge, Bundesverteidigungsminister Rühe, wird weiter aussagen,

daß unter vielen in dem Ort Hünxe die CDU entsprechend dem Brief und der Aufforderung des Zeugen ein vorgefertigter Antrag (“eine weitere nennenswerte Zuweisung von Asylbewerbern ist für die Stadt nicht mehr verkraftbar”) wortgetreu im Gemeinderat eingebracht wurde. Dieser Antrag wurde auch in der Geinde verabschiedet.

Der Zeuge, Bundesverteidigungsminister Rühe, wird weiter bekunden, daß unter seiner Leitung als Generalsekretär die Parteizentrale sich zudem bemühte, in Wahlanzeigen Stimmung gegen den sog. “Asylmißbrauch” zu machen und daß angekündigt wurde, es würden weiter “massenhaft Scheinasylanten” kommen, wenn das Grundgesetz nicht. geändert werde. Der Zeuge wird auch bekunden können, daß diese Kampagne mit Kenntnis und Billigung, ja sogar im Auftrage des Parteivorstandes vorbereitet und durchgeführt worden ist, obgleich in internen Diskussionen der Parteiführung davor gewarnt worden ist, weil die Gefahr be sünde , daß durch diese Kampagne Ausländer- un d fremdenfeindliche Emotionen hervorgerufen und geschürt werden könnten. Die Kampagne sei bewußt so konzipiert worden, daß an Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung angeknüpft wurde, wird der Zeuge, Bundesverteidigungsminister Rühe, vor Gericht angeben.

[Fernsehdokumentationen den Geschehen]

Zu 2. : Die Fernsehdokumentation enthält Originalaufnahmen von dem Geschehen nach den Anschlägen auf Flüchtlingsheime in Hoyerswerda 1991 und in Rostock 1992. Sie gibt Reaktionen und Rechtfertigungen von Tätern und Bevölkerung auf diese Anschlage wieder. Die Fernsehdokumentation belegt die Folgen der sog. Asylkampagne der CDU und zahlreiche anderer öffentlicher Äußerungen von führenden Politikern zur sog. Asylfrage in Deutschland in den Jahren 1990 bis 1992. Sie gibt Umfrageergebnisse wieder und wertet diese aus, wonach vor dem Wahlkampf des Jahres 1991 die “Asylfrage” in der Bevölkerung als Frage von untergeordneter Bedeutung angesehen wurde, daß die “Asylfrage” aber nach der Wahlkampfkampagne zum alles beherrschenden Thema geworden war. Der Fernsehbeitrag dokumentiert, wie die ‘ Bevölkerung etwa den Abtransport der Flüchtlinge aus Hoyerswerda als Sieg gefeiert hat, nachdem die Häuser, in denen die Flüchtlinge untergebracht waren, mit Brandflaschen und Pflastersteinen’angegriffen worden waren. Sie zeigt auch, wie die Täter sich durch die Reaktion bzw. Nichtreaktion des Staates auf die Angriffe auf das Flüchtlingsheim zu neuen Anschlägen ermutigt gefühlt haben. Die Fernsehdokumentation.wertet Statistiken aus, wonach in aen Monaten August. und September 1991 dreimal mehr Asylbewerberheime angegriffen wurden als in dem halben Jahr davor.

[Sachverständige über die Kampagne]

Zu 3.: Der Sachverständige wird zunächst die Äußerungen belegen: Der niedersächsische CDU-Vorsitzende Jose Stock erklärte nach der Kommunalwahl vom Oktober 1991: “das Thema Asyl hat uns gut getan”. Das CDU-Ratsmitglied Hartwig Mammen aus Roggenstette in Ostfriesland erklärte: “Wir haben nichts gegen Ausländer. Nur in unserem Dorf ist für sie kein Platz.” Der stellvertretende Bürgermeister von Jesteburg in Niedersachsen, Wilhelm Schmans, äußerte zum Thema Asylbewerber: “Dieses Zeug muß hier weg.” Der Sachverständige wird weiter bekunden, daß nach seinen Recherchen drei Tage nach der Verabschiedung des CDU-Antrages im Gemeinderat in Hünxe von Skeanheads Brandbomben in ein Ausländerheim geworfen und zwei libanesische Mädchen dadurch schwer verletzt wurden.

[Klima der Angst, die selben Töne damals aus der CDU, heute der AfD]

“Der Sachverständige wird bekunden daß die politische Situation und das gesellschaftliche Klima in Deutschland Anfang der 90iger Jahre u.a. von den Äußerungen zum “Ausländer-, Asyl- und Fremdenthema'” nachhaltig geprägt worden ist: “Eine mulitnationale Gesellschaft auf deutschem Boden, durchmischt und durchrasst, sei abzulehnen, kritisierte Edmund Stoiber, heute Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Derselbe hat auch erklärt: “Was soll ich den Leuten sagen, wenn in der Nähe eines Asylantenheimes ein junges Mädchen vergewaltigt wird?” Karl-Dietrich Spranger, heute Bundesminister für entwicklungspolitische Zusammenarbeit: “Die betrügerische Erschleichgung mehrfacher Sozialleisttingen durch Asylbewerber wird immer gravierender. Der Zustrom von Scheinasylanten wird damit immer mehr ein Problem der inneren Sicherheit”.

Wolfgang Schäuble, heute Vorsitzender der CDUjCSU-Bundestagsfraktion: “Wieso eigentlich wollen wir von unseren Mitbürgern verlangen, daß sie ertragen und verstehen sollen, daß 100.000ende von Asylbewerbern mit erheblichen finanziellen Belastungen für den Steuerzahler für Jahre untergebracht und versorgt werden sollen, obwohl vonvornherein klar ist, daß die allermeisten nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden können und daß sie nach jahrelangen Verfahren am Ende unser Land dennoch nicht verlassen.”
Klaus Landowsky, CDU-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus von Berlin: “Es kann nicht sein, daß ein Teil der Ausländer bettelnd, betrügend, ,ja auch messerstechend durch die Straßen ziehen, Festgenommen werden und nur, weil sie das Wort “Asyl” rufen,dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.” Prof. Heckelmann, Innensenator in Berlin: “Die berechtigte ‘ Empörung über die ungeheuerlichen Rostocker Vorgänge aber dürfen nicht dazu führen, lediglich eine neue Diskussionslawine über angebliche Ausländerfeindlichkeit der Deutschen loszutreten, während das eigentliche Problem, der fortgesetzte unkontrollierte Zustrom von Ausländern auf dem Wege des Asylmißbrauchs weiterhin ungelöst bleibt.” Derselbe: “Nicht vereinbar mit dem Ziel der Integration und daher abzulehnen sind all jene Ideen, die darauf abzielen, der Bundesrepublik Deutschland einen  multikulturellerCharakter aufzudrängen.

[Damals auch die SPD]

Horst Niggemeier, Mitglied des Bundestages (SPD) und Bürgermeister von Datteln, Nordrhein-Westfalen: “Viele Asylanten kommen ‘aus Kultur- und Zivilisationskreisen, die uns völlig fremd sind. Die haben auch ein anderes Verhältnis zum Eigentum, als es die meisten der deutschen Eltern ihren Kindern beibringen. Nicolaus Jung, CDU-Bürgermeister in Lebach, Saarland: “Die Stadt wird nicht zulassen, daß in Lebach die Zigeuner tanzen.” Otto Zeidler, Staatssekretär im Freistaat Bayern: “Man bedenke die ökologischen Folgen, die im Falle einer weiter ungebremsten Zuwanderung auf die Bunaesrepublik zukommen.”
Prof. Klaus Hornung; CDU-Politikwissenschaftler Universität Stuttgart-Hohenheim: “So können die, Deutschen zum dritten Male in ‘diesem Jahrhundert das ihre dazu tun, die Europa zu ruinieren, dieses Mal durch ihre modische Wahnidee, hier das Sozialamt und das Krankenhaus für die ganze Welt zu errichten.”

Fridhardt Pascher, SPD-Bürgermeister von Bad-Urach, Schwäbische Alb: “Weil wir Bürgermeister doch nur dazu da sind, Asylanten unterzubringen….werden wir demnächst ausflippen und mit Handgranaten im Rucksack nach Stuttgart ziehen.” Manfred Ritter, CSU-Landesanwalt, Ansbach/Bayern: “Vergleiche mit einem Heuschreckenschwarm, der überall, wo er durchzieht, eine Wüste hinterläßt, sind keineswegs übertrieben die Lösung kann daher nur lauten: Konsequente Abschirmung Euorpas vor der Zuwanderung aus den Entwicklungsländern .”

[Menschen zweiter Klasse]

Alfred Dregger, seinerzeit noch CDU/CSUFraktionsvorsitzender im Bundestag: “Ausländer sind Gäste, nicht Bürger, und von daher auch nicht Mitbürger.” Steffen Reiche, SPD-Vorsitzender in Brandenburg: “Große Flüchtlingsströme aus dem Osten können der Europäischen Kultur ein Ende setzen. Sie : können für Europa gefährlicher werden als die Rote Armee in der Zeit des kalten Krieges.” Martin Schlee, Innenminister in Baden-Württemberg: [CDU] “Im Asylbereich muß unser Ziel sein, zu politischem Konsenz vergleichbar mit dem zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu kommen. Und Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler: ” Es war ein Fehler, daß wir zu Zeiten von Ludwig Ehrhard mit Fleiß und allen möglichen Instrumenten ausländische Arbeitnehmer in die Bundesrepublik hineingesogen haben…Die Vorstellung, daß eine moderne Gesellschaft in der Lage sein müßte, sich als mulitkulturelle Gesellschaft zu etablieren, mit möglichst vielen kulturellen Gruppen, halte ich für abwegig. Man kann aus Deutschland mit immerhin einer 1000jährigen Geschichte seit Otto I. nicht nachträglich einen Schmelztigel machen. …Wir werden defacto überschwemmt und sind darauf nicht vorbereitet.” Peter Gauweiler, CSU-Minister im Freistaat Bayern: “Angesichts der jetzt schon beklagten Überfüllung stellt sich die Frage, wieviele Menschen verträgt das Land? Das ist eine Frage der Physik und der Biologie und – wie wir heute wissen – auch der Ökologie.” Manfred Kriele ; StaatsrechtIer an der Universität Köln: “Wenn Scheinasylanten Deutschland auf Dauer übernehmen, wird die Folge das Absinken auf ein tiefes wirtschaftliches Niveau.”

Prof. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Ethnologe: “Sie können mit allen Völkern friedlich zusammenleben, wenn diese Völker nur ihre eigenen Territorien haben. Ist es vernünftig, wenn man sein eigenes Aussterben betreibt?” D.h.:”Die genetische Verdrängung der Mitteleuropäer”.

Dominikanerpater Basilius Streithofen, Berater des Bundeskanzlers [Helmut Kohl d.Hg.]: “Juden und Polen sind die größten Ausbeuter des deutschen Steuerzahlers.” Helmut Kohl, Bundeskanzler: “Der Asylantenstrom muß gestoppt werden.” Dr. Hans-Jürgen Lichtenberg, CDU-Fraktionsvorsitzender in Wuppertal und Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen: “Die überlegungen müssen bis zum gesetzlichen Ungehorsam gehen.”

[Auswirkungen der gezielten politischen Kampagne]

Der Sachverständige wird hinzufügen, daß nach diesen und unendlich vielen ähnlichen und gleichgericheteten Äußerungen nach einer Emnid-Umfrage vom Juni 1993 42% der Deutschen der Auffassung gewesen sind, daß der Partei der CDU/CSU eine Mitverantwortung für den Mordanschlag gegen Türken in Solingen zuzuweisen ist. 38 % waren anderer Meinung. Der Sachverständige wird auf Grundlage der Beobachtung und Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland der vergangenen Jahre zu der wissenschaftliche begründeten Schlußfolgerung gelangen, daß u.a. durch solche Äußerungen, wie die zitierten, an den Stammtischen, in den Familien und in den Schulen Haltungen hervorgerufen werden, die zu Handlungsbereitschaften führen, die unter bestimmten Bedingungen auch umgesetzt werden in Taten und Tätlichkeiten. Taten und Tätlichkeiten werden vorwiegend durch Jugendliche begangen, die sich’s “trauen”, die sagen, “wir vollziehen das, was ihr ja eigentlich wollt.

[Vermutetes Denken der Jugendlichen]

Ihr fühlt euch zu klapprig und zu alt und ihr seid zu stark eingebunden in das bürgerliche Leben. Die Politik und insbesondere solche Äußerungen tragen dazu bei, dass eine Atmosphäre entsteht, in der Gewalttäter gegen Ausländer das dumpfe Gefühl haben, sie tun etwas, das die Politiker gern tun würden. Sie fühlen sich nicht nur gedeckt, sondern geradezu aufgefordert, als würden sie die Schmutzarbeit tun und die Politiker müßten ihnen dafür dankbar sein. Das erklärt auch, warum Fremdenfeindlichkeit und Rassismus als Jugendproblem erscheinen, in Wirklichkeit aber ein ‘Problem der ganzen Gesellschaft sind. Sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft und nicht von den Rändern. Aus [verbalen] Brandsätzen werden flammende Brandsätze.

[Die Denkkategorien der Täter]

Der Sachverständige wird .hinzufügen, daß diese Schlußfolgerungen durch die Angahen von Zeugen aus dem persönlichen und politischen Umfeld der Angeklagten im vorliegenden Verfahren bestätigt werden. Der Zeuge Martin S. war einer der Mittäter in Pritzier, hat am 11. September 1992 ausgesagt: “Ich muß zugeben, daß ich etwas gegen Asylbewerber in unserem Kreis habe. Für mich sind diese Leute nur Scheinasylanten, die eben nur als Wirtschaftsflüchtlinge in Deutschland aufgenommen wurden und uns als Steuerzahler belasten.”  Martin K, Mittäter in Pritzier, Gudow und Kollo: “Ich bin .eigentlich nicht ausländerfeindlich, aber ein bißchen schon. Prinzipiell habe ich allerdings etwas gegen Asylanten. Die wollen lediglich hier bei uns in Deutschland betrügen und ein angenehmes Leben führen. Stolz bin ich, Deutscher zu sein.”

Thomas L.: “Ich möchte sagen, daß ich etwas gegen Asylanten habe, damit meine ich aber nicht alle Ausländer. Wenn man den ganzen Asylbetrug so sieht, dann kann einem .schon die Hutschnur hochgehen.”

Tanja S.: “Ich habe eigentlich nichts gegen Ausländer, insbesondere nichts gegen die, die hier schon länger wohnen. Nur diese Scheinasylanten und Illegalen sollen zurück, wo sie herkommen.”

Tobias S. : “Unser Ziel ist es, die Politik zu verändern. Auf Frage erkläre ich, daß ein besonderer Augenmerk dabei.der Asylpolitik ist. Damit meinen wir nicht die alteingesessenen Ausländern, sondern die Wirtschaftsasylanten.”

Nicht zuletzt passen zu den Schlußfolgerungen des Sachverständigen auch die Angaben der Mutter und der Schwester des Angeklagten P.  in der Hauptverhandlung und die einiger in der Hauptverhanldung gehörten Freunde der Angeklagten. Stereotyp werden die Äußerungen und Begründungen der Politiker übernommen und wiederholt – von jungen Leuten, die Flüchtlinge selbst meist garnicht kennen und keine Erkenntnisse über deren Wohnung, Bezahlung und Arbeit oder darüber haben, warum die Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Nicht zuletzt die Angaben der Angeklagten selbst bestätigen die Schlußfolgerungen des Sachverständigen: Der Angeklagte C. hat in seiner Vernehmung vorn 28. November 1992 angegeben: “politisch verfolgte Asylanten sollen bei uns in Deutschland Schutz finden.Asylanten allerdings sollten lieber helfen, ihr eigenes Land aufzubauen.”

Der Angeklagte P.:”Ausländer? Das sind für mich Menschen dritter Klasse. Ich unterscheide allerdings zwischen Ausländern und Asylanten … Asylanten sollten allerdings dahin gehen, wo sie herkommen. Zu Ausländern möchte ich sagen, daß ich. nichts gegen die habe, die bei uns arbeiten. Wenn sie keine Arbeit mehr haben, müßten sie Deutschland sofort verlassen. Ansonsten nehmen sie uns Deutschen die Wohnung weg. Ich habe keine Arbeit, weil mich niemand haben will. Das führe ich darauf zurück, daß die Ausländer mir die Arbeitsplätze wegnehmen, weil sie für billigeres Geld arbeiten. Aus den Gründen kann ich Ausländer und schon gar nicht Asylanten leiden …Ich bin stolz, daß ich ein Deutscher bin ”

Die Beweisaufnahme ist geboten.

  1. Ein Strafprozeß ist immer auch der Versuch der Regelung eines gesellschaftlichen Konfliktes. Im Strafprozess muß deshalb das Gericht sich auch mit der Gesellschaft und den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinendersetzen, in denen es zu den angeklagten Taten gekommen ist und die möglicherweise die Tatbegehung begünstigt und mitverursacht.haben. ,Dies gilt gerade auch dann, wenn ein politischer Hintergrund für die angeklagten Taten ,offensichtlich ist.
  1. Zu recht ist dem zu verhandelnden Fall von der Bundesanwaltschaft und dem Gericht eine “besondere Bedeutung” zugemessen worden. Deshalb findet die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht statt. Die angeklagten Taten und deren’ Folgen waren, für die Opfer und deren Angehörige .von kaum zu ermessender grauenhafter und schicksalhafter Bedeutung. Die Folgen wirken bei vielen heute noch fort, etwa bei dem Jungen, der stundenlang in der Küche des brennenden Hauses in der Mühlenstraße ausharrte, bis er gerettet wurde. Die angeklagten Taten und deren Folgen haben für das Leben von Flüchtlingen und Ausländern und Minderheiten in Deutschland schwerwiegende Bedeutung. Seither leben viele in Angst und Unsicherheit.

Die angeklagten Taten und deren Folgen haben die Bundesrepublik Deutschland erschüttert. Sie haben den inneren Frieden in diesem Lande nachhaltig beeinträchtigt. Vielen Bürgerinnen .und Bürgern wurden die Augen geöffnet darüber, daß in Deutschland wieder Menschen wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Herkunft und ihrer Rasse und wegen ihres Andersseins ermordet werden.

Die angeklagten Taten und deren Folgen haben auch international, im Ausland – nicht nur im Herkunftsland der Getöteten und Verletzten in der Türkei – erhebliche Aufmerksamkeit erregt und das Bild von Deutschland und den Deutschen nachhaltig geprägt. Aufgabe des Gerichts ist es gerade auch angesichts der so skizzierten Bedeutung des Falles zu versuchen, die Hintergründe der Taten, die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe von Taten und Tätern aufzuklären und festzustellen, inwieweit das politische Klima in Deutschland mit dazu beigetragen hat, daß es zu den Taten gekommen ist. Das Gericht muß feststellen, ob diese gesellschaftliche Situation in Deutschland fortbesteht, ob daher die Begehung weiterer gleichgerichteter Taten nicht nur möglich, sondern vielleicht sogar wahrscheinlich ist. Das Gericht kann damit und mit dem Urteil einen Betrag leisten, einen Anstoß geben zur Veränderung des politischen Klimas im Lande, um für die Zukunft .der Begehung solcher Taten entgegenzuwirken.

  1. Für eine Strafzumessung ist die sachkundige Aufklärung der gesellschaftlichen Situation, in der die Taten begangen wurden, von wesentlicher Bedeutung. Das Gericht wird für eine Strafzumessung die verschuldeten Auswirkungen der Tat (so § 46 Abs. 2 StGB), zu denen nicht nur die Auswirkungen auf die Opfer, sondern auch die auf die Gesellschaft in Deutschland und im Ausland gehören, zu berücksichtigen haben. Die “Verteidigung der Rechtsordnung” ist außerdem noch der Rechtsprechung (BGH St 34, 151) ein wesentlicher Leitgesichtspunkt bei der Strafzumessung und bei der Bestimmung der Höhe einer Strafe im Rahmen der Schuld. Dieser Gedanke der Generalprävention geht von der These aus, daß durch besonders hohe Strafen der Begehung zukünftiger Straftaten unter bestimmten Umständen vorgebeugt werden kann. Im Rahmen des vorliegenden Antrages ist nicht zu erörtern und zu entscheiden, was an der dieser These richtig oder falsch ist. Jedenfalls müssen im Prozeß auch die Voraussetzungen für ·die etwaige Anwendung der Strafzumessungserwägung “Verteidigung der Rechtsordnung” für die vorliegenden Fälle geklärt und geschaffen werden. Zu den Fragen, die gerade bei politisch motivierten Straftaten beantwortet werden müssen, gehört: Welche politische Situation war vor oder bei der Begehung der angeklagten Taten gegeben? Besteht diese Situation heute fort? War die politische Situation und ist sie noch geeignet, die Begehung der angeklagten oder ähnlicher Straftaten zu begünstigen und zu fördern? Welche Urteile und Strafen in welcher Höhe können der Begehung solcher Straftaten für die Zukunft vorbeugen?

Letztlich wird auch die politische Überzeugung der Täter, die bei der Tat eine Rolle gespielt hat (§ 46 Abs. 2 StGB), nur zutreffend beurteilt werden können, wenn die in diesem Antrag angesprochenen Hintergründe der Taten aufgeklärt werden. Die politische Gesinnung ist bei politischen,Überzeugungstätern zu berücksichtigen. So oder so. Ein Verteidiger des Angeklagten C., Rechtsanwalt Bossi, hat es gleich nach den Taten im November 1992 so formuliert: “Die Ratten verlassen ihre Löcher, weil sie glauben, ihre Zeit sei gekommen. Des Redens, ist genug, jetzt ist es Zeit zu handeln.” Nicht das Asylrecht muß geändert werden, sondern das Strafgesetz. Wer mit aller Gewalt das Nazi-Reich wiederhaben will, ist ein Verbrecher und muß als Verbrecher behandelt werden. (Zitiert nach “Stern” 47/9’2, S. 25).

Ströbele, Rechtsanwalt

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Ingeborg Wick

    Lieber Roland Appel,
    einen großen Dank für diese erhellend-gruselige Chronologie. In diesem Zusammenhang fällt mir die Aussage von Oscar Lafontaine bei einer Podiumsdiskussion während eines ATTAC-Kongresses im Oktober 2001 in Berlin ein. Sinngemäß bezeichnete er damals seinen Beitrag zur Demontage des deutschen Asylrechts Anfang der 1990er Jahre als größten politischen Fehler seines Lebens. Nun, das Leben ging weiter und diese wertvolle Erkenntnis verblasste inmitten der aufgeheizten Auseinandersetzungen über die Asylpolitik seit 2015. In seiner neuen politischen Heimat BSW wird nun sogar die Forderung nach einer Volksabstimmung zur “Asylwende” erhoben (taz 02.02.25). Wem fällt dabei nicht die Devise ein “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern”?

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