Die Grausamkeit und Sinnlosigkeit von Kriegen in Bild und Ton – Im neuen Antikriegsfilm “Warfare” (ab Gründonnerstag in den Kinos) wird das Wesen des Krieges an einer Aktion im Irakkrieg 2006 erschütternd dargestellt

„Eine Gesellschaft, die Waffengewalt als selbstverständlich zur Erlangung des Friedens akzeptiert, ist dringend therapiebedürftig“ (Konstantin Wecker)

Ein neuer sehenswerter Film in der Reihe einstiger preisgekrönter Antikriegsfilme

Ostern 2025: Auch in diesem Jahr der grausamen Kriege mit einer halben Million Toten und Verstümmelten ruft die oft belächelte Friedensbewegung zu ihren Ostermärschen gegen Kriege, Aufrüstung und Atomwaffen auf. Gleichzeitig priorisiert die neue Regierung in Deutschland mit zunehmender Kriegsrhetorik eine milliardenschwere Militarisierung mit tödlichen Waffen: Massive Aufrüstung, „kriegstüchtige“ Soldaten, neue Kasernen und sogar „atomare Teilhabe“ und „Angriffsdrohnen“ für unsere Verteidigungsarmee – denn „Angriff ist die beste Verteidigung“?

Die verstörenden und grauenvollen Bilder von den gegenwärtigen Schlachtfeldern in der Ukraine und in Gaza mit den Leichenbergen und Schmerzensschreien der Verstümmelten in sinnlosen Kriegen bleiben uns in den Medien zumeist erspart, die uns stattdessen die Wirksamkeit neuer Waffen unserer profitierenden deutschen Rüstungsschmieden (allen voran Rheinmetall mit Nazi-Vergangenheit) vorführen. Diese bringen nichts als großes Leid und haben die Regierungen in ihre Abhängigkeit gebracht. Auf „erfolgreich zerstörte“ oder „zurückeroberte“ Gebiete reduziert sich die mediale Bilderflut und erspart uns die Bilder des Grauens.

Anders sind dagegen die Bilder und Töne im erschütternden Film „Warfare“ (Kriegführung), der ab Ostern die Brutalität von Kriegen auf die große Leinwand bringt, obwohl er schwer auszuhalten ist. Er sei auch allen Schülern empfohlen, die derzeit in den Schulen schon als Minderjährige von den Militärs für den „Soldatenberuf“ umworben werden zur Vorbereitung auf das Töten von Menschen. Nahegelegt sei der Film aber auch allen Bellezisten und Waffennarren hierzulande, die ihrer eigenen Propaganda glauben: Mit immer mehr Waffen sei angeblich Frieden zu schaffen statt Leid und Tod zu erzeugen.

Die gegenwärtige Militärdoktrin in Deutschland läuft mit Blick auf Russland darauf hinaus: Krieg bekämpft man mit Krieg, Bomben mit Bomben, Drohnen mit Drohnen, Gewalt mit Gewalt (und Terror mit Terror?). Ist unser Land und Kontinent mit seiner humanistischen Tradition auf dem Weg in eine Barbarei, nachdem auch die EU als Friedensunion und als Friedensnobelpreisträgerin von 2012 sich unter Ex-Verteidigungsministerin von der Leyen vertragswidrig als „Militärunion“ mit eigenen Rüstungsprogrammen bis hin zur „Kriegswirtschaft“ entwickelt – zusätzlich zur erweiterten und aufrüstenden NATO, um Deutschland und Europa wieder „kriegstüchtig“ zu machen gegen angebliche Bedrohungen unserer Territorien aus dem Osten. Hieß es nicht nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland. „Nie wieder Krieg“? Und war daraufhin nicht die EU-Gründung zuvorderst ein Friedensprojekt?

„Sieger ist nicht, wer Schlachten in einem Krieg gewinnt, sondern wer Frieden stiftet, denn „keines der globalen Probleme, denen wie gegenüberstehen, kann durch Krieg geklärt werden“. (Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow). Der Einsatz gefährlicher Zerstörungswaffen zur Vernichtung des „Feindes“ sind letztlich auch immer Waffen zur Selbstvernichtung. „Kriege entstehen durch die Entscheidung politischer, militärischer und wirtschaftlicher Führer, um auf diese Weise Land, Bodenschätze und Handelsvorteile zu gewinnen, um sich gegen eine wirkliche oder angebliche Bedrohung der Sicherheit ihres Landes durch eine andere Macht zu verteidigen, oder auch um ihr persönliches Prestige zu erhöhen und Ruhm für sich zu ernten.“ (Erich Fromm).

„Warfare“: Szenen des Grauens und der Kriegsbrutalität auf der großen Leinwand

Das zeigte auch der Irak-Krieg um Öl, von dem der neue Antikriegsfilm handelt. Als Werbung für den Job eines Soldaten mit Waffenausbildung eignet sich der ab Ostern startende Kinofilm „Warfare“ (Kriegsführung) wahrlich nicht, denn er zeigt die ganze Brutalität eines Krieges anhand wahrer Begebenheiten am Beispiel von US-Soldaten während des Irak-Krieges 2006. Die Schauspieler absolvierten vor dem Dreh ein Militärtraining und ein Kriegsveteran führte Regie. Im Film hört man die Explosionen der Bomben, das Stakkato der Schüsse und die Schmerzensschreie.

Der handwerklich brillant gemachte, aber erschütternde und verstörende Film führt vor Augen, wie sinnlos Kriege sind. Zu erleben und zu durchleiden sind die sensiblen Emotionen der Soldaten in einer Spezialeinheit, ihr Umgang mit Waffen und danach die abgerissenen Gliedmaßen auf der Straße und ein Toter, dessen Gedärme aus dem Körper quellen sowie die gellenden Schmerzensschreie der Verletzten. Der Film über den sinnlosen Kriegseinsatz ohne UN-Mandat ist schwer auszuhalten, er heilt den Betrachter aber von Siegesträumen der politischen und militärischen Befehlshaber, denn im Krieg gibt es keine Sieger, sondern nur Verlierer auf beiden Seiten. Auch die Bilanz des 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes der deutschen Bundeswehr mit 59 getöteten Soldaten zeigt den abgebrochenen Auslandseinsatz als Flop.

Im gegenwärtigen Krieg wird das Elend ausgeblendet

In den gegenwärtigen Kriegszeiten werden in der Berichterstattung alle Szenen von Leid und Elend ausgeblendet, die durch Waffeneinsätze erzeugt wurden: Keine genauen Zahlen und Bilder über die Toten, Verkrüppelten, Verbrannten und Erblindeten mit entstellten Gesichtern. Gefühlskalte Hinweise auf „Kollateralschäden“ und eingesetzte „Streumunition“. Bejubelte „Erfolgsmeldungen“ über besiegte und vernichtete Gegner bei Schlachten an der Front. Kaltblütige Unterscheidung zwischen Zivilbevölkerung und nur geopferten Soldaten – deren Leben weniger wert ist, weil ja nur zwangsrekrutierte junge Männer mit trauernden Müttern und Witwen?

Über Kriege und Kriegsplanung wird von Politikern und Rüstungsproduzenten schwadroniert, als handele es sich um einen Spaziergang oder ein Computerspiel. Doch auch moderne Hight-Tech-Waffen sind keine Spielzeuge, sondern Mordwerkzeuge. Der völkerrechtlich sauber gehaltene und Menschen schonende moderne Drohnenkrieg? Der Wettkampf um die modernsten und wirkungsvollsten Waffen beim gegenseitigen Töten und Morden? Der Wettstreit der Rüstungsunternehmen um die höchsten Dax-Kurse? Das höchste Rüstungsniveau in der Menschheitsgeschichte befördert die Kriegslust und die reale Gefahr eines dritten Weltkrieges. Und nur schwache Stimmen der Mahner? Feiern wir nicht Ostern den Sieg des Lebens über den Tod? Eigentlich ein Fest, um Frieden zu finden, innerlich und mit Gegnern. Lässt sich Frieden nicht auch gewaltfrei erreichen?

Auch frühere Antikriegsfilme sollten nicht in Vergessenheit geraten

Es wäre hilfreich, wenn in den Medien und vor allem an den Schulen auch die früheren Antikriegsfilme wieder eingesetzt würden statt in den Archiven zu verschwinden: Das verfilmte Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ erhielt den Oscar-Filmpreis und war für ganze Schülergenerationen prägend. Er brachte viele Pazifisten und Kriegsgegner hervor, die heute von Politikern und Zeitungs- oder Fernsehkommentatoren diffamiert statt ermuntert werden. Sogar Fünf Oscars erhielt der US-amerikanische Antikriegsfilm „Der Soldat James Bryan“. Und nach dem Vietnamkrieg rüttelte 1986 der Antikriegsfilm „Platoon“ die Zuschauer auf.

Heute sind solche preisgekrönten Filme eher verpönt, durchkreuzen sie doch die propagierten Pläne von Politik und Rüstungslobby für einen „Mentalitätswandel“ in der “kriegsmüden” deutschen Bevölkerung, denn Deutschland soll wegen angeblicher „Bedrohungslage“ wieder „kriegstüchtig“ statt friedenssehnsüchtig werden und für die Rüstungskosten auf Sozialleistungen verzichten. Doch wollen wir einen Krieg gewinnen oder den Frieden gewinnen? Waffen sind zum Töten geschaffen. Konflikte werden durch Waffen angeheizt, statt nach gewaltfreien Konfliktlösungen zu suchen. Der stete Zustrom an Waffen und Kriegsmaterial trägt dazu bei, Konflikte aufrecht zu erhalten und zu verstärken. Es sind auch Waffen aus Deutschland, vor denen Menschen flüchten: Deutschland gehört zu den weltweit größten Rüstungsexporteuren.

Das Friedensgebot im Grundgesetz erfordert zivile Friedenskonzepte

Zivile Friedenskonzepte werden als naiv abgestempelt. Doch wenn es die Stimme des Pazifismus nicht mehr gibt, wird auch die Idee des Friedens verschwinden. Deshalb darf das zivilgesellschaftliche Konzept für eine friedenspolitische Sicherheitsarchitektur nicht ignoriert werden. Wer das Friedensgebot unseres Grundgesetzes ernst nimmt, muss sich von Feindbildern und dem Denken in militärischen Konfrontationen und Blockbildungen verabschieden. Die Charta der Vereinten Nationen beginnt mit den Worten: „Wir, die Völker dieser Welt, sind fest entschlossen, künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren“. Doch Deutsche Panzer rollen sogar wieder in Russland bei der ukrainischen Schlacht in Kursk. „Wir sind im Krieg gegen Russland“, verplapperte sich in 2023 die unerfahrene Außenministerin Annalena Baerbock.

Rüstung und Militär lösen keine Konflikte, sondern erzeugen neue Kriegsgefahren. Die Pazifistin und Theologin Dorothee Sölle sagte auf einer Rede 1980 in Hamburg: „Wir können den Frieden wagen, indem wir auf Gewalt verzichten, auch einseitig; indem wir begrenzt abrüsten, indem wir die Gesellschaft demokratisieren statt sie zu militarisieren.“ Dazu sprach Michail Gorbatschow Klartext: „Politiker, die meinen, Probleme und Streitigkeiten könnten durch Anwendung militärischer Gewalt gelöst werden – und sei es auch nur als letztes Mittel – sollten von der Gesellschaft abgelehnt werden, sie sollten die politische Bühne räumen.“ Und der UNO-Generalsekretär ist überzeugt: „Niemand gewinnt Kriege, alle verlieren“. „Krieg ist immer eine Niederlage. Der Krieg an sich ist ein Irrtum und ein Horror“, so äußerte sich der Papst. „Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord”, meinte schon Albert Einstein.

Jeder Krieg ist eine Niederlage für die Menschheit und die Zivilisation

Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ein Krieg kann niemals Sieger oder Gewinner hervorbringen – sondern immer nur Opfer und Verlierer auf beiden Seiten. Der Krieg ist eine einzige Niederlage – eine Niederlage für die Menschheit und die Zivilisation. Krieg ist immer Ausdruck politischen und menschlichen Versagens. Der einzige Sieger ist die Rüstungsindustrie, deren Gewinne explodieren – und sich gerade vervielfachen. Auch der Ukrainekrieg kann nur durch Diplomatie beendet werden. Deshalb muss zuerst die gefährliche Eskalationsspirale gestoppt werden und eine Demilitarisierung der Politik erfolgen.

Politik muss mehr sein als nur Waffen zu liefern. Tödliche Waffen als Lebensretter – welch eine Logik! Auch Verteidigungswaffen töten Menschen. “Waffenexporte sind Exporte des Todes“, so sagte Friedensnobelpreisträger Willy Brandt. Friedenspolitik ist etwas anderes als „Sicherheitspolitik“: Letztere ist waffenstrotzende „Abschreckungspolitik“. Wer seine Existenz mit blutigen Opfern und Waffen verteidigt, kann nicht als Bollwerk für die europäische Idee von Freiheit gelten. Es gibt auch zivilen und sozialen Widerstand – und Kriegsdienstverweigerung angesichts der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Militärwerbung an Schulen muss beendet werden.

Antikriegsliteratur verschwindet im Antiquariat?

Wo findet man heute noch pazifistische Literatur? Die sogenannte Nachkriegs- oder „Trümmerliteratur“, „Kahlschlagliteratur“ oder „Heimkehrerliteratur“ nach 1945 bezieht sich auf das, was die Menschen in den zerstörten Städten und Landstrichen nach Kriegsende vorfanden: ein Trümmerfeld. Dafür standen Autoren wie Wolfgang Borchert, Alfred Andersch, Heinrich Böll, Günter Eich, Hans-Werner Richter und Wolfgang Weyrauch – die lange Zeit auch in den Schulen zum Unterrichtsstoff gehörten und heute kaum noch bekannt sind. Während der Kriegszeiten selber wurde pazifistische Literatur nur aus dem Untergrund veröffentlicht.

Das leidenschaftlichste Buch gegen den Krieg, das die Weltliteratur aufweist, ist als Untergrundliteratur 1917 erschienen und den kommenden Generationen gewidmet: „Der Mensch ist gut” – Kampf gegen Krieg und für die Menschheit. Es spricht den gesunden Menschenverstand an, der in Kriegszeiten erkrankt. Vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie an Dutzenden weiteren Kriegsschauplätzen in dieser waffenstrotzenden Welt mit ihren menschlichen Gräueln und Elend ist dieses Buch von Frank Leonhard aktueller denn je. In dem kriegerischen Kampf um Leben und Tod „handelt es sich um nichts anderes als um Morden und Gemordet werden.“

Pazifismus: Nicht mit den Kriegsgräueln abfinden und sie nicht verdrängen

An anderer Stelle seines Buches schreibt Frank Leonhard vom damaligen Kriegsschauplatz: „Unser Volk, wie wir es sehen, besteht nur noch aus Krüppeln und elend aussehenden Kindern, Frauen und Greisen. Wenn man jetzt noch die Arme und Beine, die losgetrennten Körperteile, die Millionen zerrissener Leichen, unter denen auch eure Söhne und Männer sind, von den Schlachtfeldern holen und auf eure Straßen werfen würde, euch vor die Augen, würdet ihr auch dann noch sagen: Man muss sich halt damit abfinden?“ Die Pazifisten sind in Wahrheit die Anständigen unter den Menschen, hebt der Schriftsteller Wolfgang Weyrauch in seinem Nachwort hervor, die heutzutage wieder diskreditiert werden.

Frank Leonhard fragt in seinem Buch: Bringt der „unvermeidliche“ Krieg als das unmenschlichste Geschäft des Menschen, den edelsten Begriff des Menschen, den Pazifismus, in den Verruf de Narretei? „Seht ihr nicht die Berge zerrissener Menschenleiber? Sind die Menschen wahnsinnig, weil sie die Liebe vergessen haben?“ Die Erzählungen Frank Leonhards mit dem Sammeltitel „Der Mensch ist gut“ sind nicht nur packend und erschütternd, sondern auch klärend und deshalb geeignet als Unterrichtsmaterial. Die Kriegserlebnisse aus der Sicht des Vaters, der Kriegswitwe, der Mutter, des Liebespaares und der Kriegskrüppel sind ergreifend und schockierend dargestellt, vor allem aber die Szenen aus dem Lazarett.

Mitleid erfordert mitleiden mit den Kriegsopfern, um weiteres Leid zu verhindern

Die Leser von Frank Leonhards Buch leiden bei den Schilderungen eines Stabsarztes im Kapitel „Kriegskrüppel“ unendlich mit: „Auf jedem Strohsack ein Mensch, was von einem Menschen übriggeblieben ist. Zugedeckt bis zum Kinn. Die abgesägten Hände, Arme, Füße, Beine schwimmen in Blut, Watte und Eiter in einem meterhohen, zwei Meter breiten, fahrbaren Kübel, der bei der Tür in der Ecke steht und jeden Abend ausgeleert wird. (…) Der mit Zinkblech beschlagene Operationstisch steht im Mittelgang.“

„Diejenigen Amputierten, die nicht bewusstlos sind, nicht schlafen und doch reglos liegen, ganz unbeweglich und lautlos liegen, glänzende Fieberkugeln im Gesicht, sind verloren, entschweben schon. Die anderen brüllen, schmeißen sich hoch, krümmen, winden sich, wimmern wie neugeborene Katzen, Lachen im Fieberirrsinn, oder bewegen die verstümmelten Körper ganz langsam, aber ununterbrochen. Das Leben der Glücklichsten besteht abwechselnd darin, dass sie aus der Ohnmacht erwachen und wieder ohnmächtig werden. Dazu trägt der dicke Gestank bei. Es ist nicht sehr hell in der Metzgerküche.“

Einstige Friedensbewegung heute geschwächt

Solche grausamen Schilderungen haben im vorigen Jahrhundert Friedensaktivisten auf den Plan gerufen, die eine eindrucksvolle Friedenbewegung ausgelöst haben und die heutige Entwicklung vom kalten Krieg zum heißen Krieg vorausgesehen hatten. Sie zeigten Alternativen auf und leisteten Widerstand. Es waren radikale Stimmen der Vernunft, die heute unterdrückt werden, auch von ziemlich kaltblütigen Politikern der neuen Generation, die sich von der Versöhnungspolitik eines Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt verabschiedet haben. Heute wäre ein Pazifist wie Gustav Heinemann als Bundespräsident undenkbar, der in der Tradition vieler Kriegs- und Waffengegner stand.

Dafür standen im vorigen Jahrhundert Namen von Pazifisten wie Dorothee Sölle, Heinrich Gollwitzer, Heinrich Albertz und Dietrich Bonhoeffer als evangelische Theologen und Uta Ranke-Heinemann als katholische Theologin. Unvergessen sind auch die Schriftstellerin und Friedensnobelpreisträgerin aus der Friedens- und Frauenbewegung, Bertha von Suttner, aber auch Politiker wie Gustav Heinemann oder die grüne Politikerin Petra Kelly, die Schriftsteller Heinrich Böll, Freimut Duve und andere. Hören wir heute auf ihre zeitlosen Worte, allen voran Dorothee Sölle, dann begreifen wir: Der Krieg beginnt in den Köpfen.

Anleitung zur Belebung des pazifistischen Denkens

Wie aber kann der Frieden gesichert werden? Hierzu sei ein aktuelles Buch empfohlen mit einer “Anleitung zur Belebung des pazifistischen Denkens” von Dr. Heinz Klippert, einem angesehenen und bundesweit bekannten Wissenschaftler und Pädagogen, der in der Lehrerausbildung methodisch auch auf die Erziehung zum Frieden und zur Kritikfähigkeit hinwirkt (derweil momentan die Bundeswehr in den Schulen bei Minderjährigen für den Militärdienst wirbt). “Wer das Hinterfragen von Konflikten und Kriegsursachen verlernt, öffnet den Demagogen und Kriegstreibern Tür und Tor und verspielt damit die Chance auf nachhaltige Friedenssicherung”, schreibt Heinz Klippert in seinem Vorwort für die Kinder und Enkelkinder.

“Wer sich dagegen einen kritischen Geist bewahrt und andere Menschen und Völker angemessen zu verstehen, zu respektieren und für friedliche und gesichtswahrende Konfliktlösungen zu gewinnen versucht, wird für den Weltfrieden mehr tun können als all die Hardliner, Panikmacher und Bellezisten, die mit ihrer geballten Forschheit, Hybris und Konfrontationslust Gefahr laufen, unseren Planeten Erde leichtfertig aufs Spiel zu setzen.” (Heinz Klippert).

Ist pazifistisches Denken veraltet und überholt?

Im Klappentext zum Buch von Heinz Klippert heißt es: “Pazifistisches Denken gilt als veraltet, wenn nicht gar als naiv und unmoralisch, wie die jüngst bemühte skandalöse Vokabel des ‘Lumpenpazifismus’ bezeugt. Populär ist dagegen eine neue politische Entschlossenheit, die den Krieg als Mittel der Friedenssicherung erklärt. Heinz Klippert beleuchtet die Hintergünde menschlicher Destruktivität, kommentiert die Aufrüstungs-, Entspannungs und Friedenspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg und plädiert für einen reflektierten Pazifismus, der Waffeneinsätze zwar nicht ausschließt, wohl aber dem sensiblen Hinterfragen, Verstehen und Deeskalieren internationaler Konflikte die absolute Priorität zuweist. Das Buch richtet sich an alle, die der Alternativlosigkeit politischer und militärischer Konfrontation widersprechen und pazifistische Denkweisen retten möchten. “Denn Schwarz-Weiß-Malerei bringt keinen Frieden.”

Der gesunde Menschenverstand ist erkrankt, die Waffennarren sind therapiebedürftig

„Eine Gesellschaft, die Waffengewalt als selbstverständlich zur Erlangung des Friedens akzeptiert, ist dringend therapiebedürftig“, so empfahl der Liedermacher Konstantin Wecker. Dies entspricht der Diagnose des deutsch-amerikanischen Psychoanalytikers und Philosophen Erich Fromm, der die Waffennarren mit ihrer zivilisatorischen Zerstörungswut als einen Fall für den Psychiater ansieht, wegen des „ernsten Symptoms von geistiger Erkrankung“. Die profitierenden Waffenschmieden bringen nichts als großes Leid und sie haben die Regierungen in ihre Abhängigkeiten gebracht. Es vollzieht sich eine Militarisierung der Gesellschaft.

„Wir sind von einem Dämon beherrscht; er sitzt weder in Washington noch in Moskau, sondern durchaus eigengesetzlich in der Rüstung selber.“ (Dorothee Sölle). „Ist es nicht so, dass die Rüstung in aller Welt Konflikte erzeugt, Entspannung gefährdet, soziale Missstände verewigt und das friedliche Zusammenleben der Völker verhindert? Bewirkt die ‘Bereitstellung der Mittel’ durch den heutigen Waffenhandel nicht die Militarisierung der ganzen Welt mit ihren drohenden Gefahren von kriegerischen Ausbrüchen?“ (Arbeitskreis pro Ökumene 1980). „Jeder Krieg fügt ein weiteres Glied an die Kette des Übels, die den Fortschritt der Menschlichkeit verhindert“, schrieb Albert Einstein als Befürworter eines militanten Pazifismus.

Massive Aufrüstung hat schon zweimal zu einem Weltkrieg geführt

Es war wiederum die Pazifistin Dorothee Sölle mit ihren 61 Büchern, die eine ganze Generation der Friedensbewegten wachrüttelte: „Wir brauchen die Erfahrung der älteren Menschen von dem, wozu Aufrüstung schon zweimal in diesem Jahrhundert geführt hat. Wir brauchen die elementaren Ängste vor der Zerstörung unserer Erde, die in der jungen Generation lebendig sind. Wir brauchen jeden Menschen in unserem Land, um gegen den Tod aufzustehen.“ (…) „Niemand hat uns gefragt, ob wir die totale Aufrüstung wollen. Auch die Regierung weiß, dass Deutsche, die aus der Geschichte gelernt haben, nicht noch einmal brüllen werden: Ja!“

„Heute brüllen die Dämonen ja nicht mehr: ‘Wollt ihr den totalen Krieg?’ Sie sagen ‘modernisieren’ wenn sie aufrüsten, sie sagen ‘Waffenhaushalt’, als ginge es um ein paar Töpfe oder Pfannen mehr; sie sagen Verteidigung, wenn sie Eroberung meinen; sie fühlen sich bedroht und schlottern mit den Knien: ‘die Lichter gehen aus’, winseln sie, da müssen wir doch aufrüsten.“ (…) „Und schließlich können wir dafür jeden Russen elfmal töten, ist das nicht großartig? (…) Nachrüsten wird als neues Wort für Aufrüsten erfunden“.

Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ein Krieg kann niemals Sieger oder Gewinner hervorbringen – sondern immer nur Opfer und Verlierer auf beiden Seiten. Der Krieg ist eine einzige Niederlage – eine Niederlage für die Menschheit und die Zivilisation. Krieg ist immer Ausdruck politischen und menschlichen Versagens. Der einzige Sieger ist die Rüstungsindustrie, deren Gewinne explodieren – und sich gerade vervielfachen.

Die Lehren aus Hiroshima und Nagasaki: Für eine atomwaffenfreie Welt

Im Jahr 2009 veröffentlichten Helmut Schmidt zusammen mit Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher in der New York Times und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen gemeinsamen Appell für eine atomwaffenfreie Welt. Er ist aber seither auch in Deutschland ungehört verhallt, wo die jetzige Politikergeneration eine „atomare Teilhabe“ im Rahmen der NATO-Strategie anstrebt, auch wenn sich Bürgermeister aus fast 9.000 Städten international mit Aktionen und Kampagnen („Mayors für Peace“) für die Abschaffung von Atomwaffen einsetzen.

Doch führende Politiker setzen unverdrossen auf „atomares Gleichgewicht“ zur gegenseitigen Abschreckung sowie auch auf „atomare Teilhabe Deutschlands“ in der NATO. Michail Gorbatschow hielt dem zu Lebzeiten entgegen: „Solange es Atomwaffen gibt, bleibt die Gefahr bestehen, dass sie zum Einsatz kommen. Sei es durch Zufall, eine technische Störung oder auch einen bösen menschlichen Willen. Deshalb müssen wir das Ziel, die Atomwaffen zu verbieten und zu vernichten, mit Nachdruck weiterverfolgen. Das ist unsere Pflicht.“ John F. Kennedy wusste: „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“ Denn unser Zeitalter kann sich den Krieg nicht mehr leisten, ohne sich selber auszutilgen.

Wer starke Nerven hat, der mag sich zu Ostern die Bilder der verletzten und verbrannten Opfer der Atombombenabwürfe auf Nagasaki und Hiroshima im Internet herunterladen, darunter ganz viele Kinder…

Dieser Beitrag erschien zuerst bei lokalkompass.de, hier mit freundlicher Genehmigung des Autors. Links wurden nachträglich eingefügt.

Über Wilhelm Neurohr:

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