Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Michail Gorbatschow (Seite 1 von 2)

Generation S

Der moderne Deutsche speichert seine Existenz gern in Ordnern ab. Das ist praktisch, und kenntnisreiche Leute nennen es pragmatisch. Im Ordner hat man Zugriff auf die Verlorene Generation, die Generation X, die Generation Y, die Generation Z, die Generation Golf und die Letzte Generation, der wir hiermit alles Gute wünschen. Vielleicht sollte sie sich verbünden mit der Generation der vor 1939 Geborenen. Die ist die unbedeutendste, weil sie nur noch wenige Mitglieder hat und deshalb im Wahlkampf unberücksichtigt bleiben kann. Immerhin hat sie den Spruch erfunden „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ Weiterlesen

Wählen ohne Verhaftung

Als ich 1988 im estnischen Teil der UdSSR war, war bereits klar erkennbar, dass der hierzulande noch hochverehrte und bejubelte Michail Gorbatschow bei seinen Landsleuten längst unten durch war. Der Mehrheit ging es nicht besser als unter Breschnew (sog. “Stagnationsperiode”), sondern schlechter. 1988 jubelten sie bei einer live im TV übertragenen Parteikonferenz der KPdSU einem gewissen Boris Jelzin als Heilsbringer zu. Sie merkten alle zu spät, was für ein Windbeutel der war, und wie er fast das ganze Land betrunken und falsch beraten ruinierte. Weiterlesen

Nie zu Ende: der Kalte Krieg

Wie ein früherer oberster Soldat der USA in Europa die Katze aus dem Sack ließ: der Kalte Krieg ging nie zu Ende – und was das alles mit der deutschen Einigung zu tun hat

„Russland war und ist seit Jahrzehnten eine existentielle Gefahr für Europa und die Vereinigten Staaten…… In diesem Krieg geht es um soviel mehr als nur um die Ukraine“ – Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der NATO- Streitkräfte in Europa, 27. September 2023, bei 60 Minutes. Braucht es eigentlich noch weitere Beweise, dass im Westen das Kalte-Kriegs-Denken niemals einschlief, man praktischerweise in den „Russen“ erst in Gestalt der Sowjetunion, dann in Gestalt des Rechtsnachfolgers Russland den ewigen Feind erblickt(e) und dass das Nato-Politik beeinflusste? Weiterlesen

Niemand plant, eine Mauer zu bauen!

Seit Monaten kündigt die Ukraine eine “Frühjahrsoffensive” an, die die entscheidende Wende im Ukrainekrieg bringen soll. Der Westen unterstützt diese Ankündigungen ideologisch und materiell. Bachmut wird – was die Todesopfer anbelangt – zum Symbol eines modernen Stalingrad. Die Russen versichern, dass sie auch den letzten Wohnblock in der Vorstadt erobert haben, den bisher noch ukrainische Truppen kontrollierten –  Selenskyj und die Ukraine versichern, dass dies nicht der Fall sei, man halte irgendwo noch einen Häuserblock. Niemand kann das überprüfen, weil nirgendwo soviel gelogen wird, wie im Krieg. Es ist aber auch völlig irrelevant, denn die Opfer auf beiden Seiten sind sicher vielfach so hoch, wie offiziell gemeldet. Weiterlesen

Aufruf “Für den Frieden”

Eine Antwort an seine Kritiker – Zu blinden Flecken in der Diskussion über Russland, die Ukraine, Deutschland und die Zukunft der Welt

In der Süddeutschen Zeitung vom 6./7. April 2023 erschien ein Meinungsartikel von Gerhart Baum (Paywall), der sich kritisch mit dem Aufruf „Frieden schaffen“ auseinandersetzte. Die Süddeutsche Zeitung druckte diesen Appell nicht ab. Das erinnerte mich an 1987 und den Film „Die Reue“. Der war 1984 in der Sowjetunion entstanden. Er rechnete gründlich mit dem Stalinismus ab. In der DDR wurde der Film nicht gezeigt. Er fiel unter die propagandistische Rubrik: Wenn der Nachbar tapeziert (gemeint war die Perestroika), müssen wir das noch lange nicht tun. Weiterlesen

Vernunft geht von Bonn aus

Das Mediengewese um die Friedensbewegung

Ostern ist nachrichtenarm. Darum schaffen es die Ostermärsche der Friedensbewegung immer in die Nachrichten. Die Redaktionen sind wegen der Feiertage leergefegt. Die Agenturen übernehmen. Und die Feiertagsdienste in den öffentlichen Medien, Radio und TV. Zeit zum Recherchieren haben die nicht. Sie brauchen eine Verantwortungsadresse, der sie glauben. Der clevere Willi van Ooyen installierte jedes Jahr zu Ostern im Keller des IG-Metall-Hauses in Frankfurt/Main eine Telefonzentrale, in der alle lokalen Ostermarsch-Meldungen zusammenliefen, redigiert und an die deutschen Medien weiterverteilt wurden. Drei Jahre (1987-89) war ich dabei. Weiterlesen

Vermächtnis einer Pazifistin

„Was ich noch zu sagen hätte“ – Die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages kritisiert die Grünen dafür, dass sie sich vom Pazifismus abgewendet haben. Im Essay formuliert sie ihr politisches Fazit. Ein Gastbeitrag (zuerst erschienen in der Berliner Zeitung).

Ich stand auf dem Bahnhof meiner Heimatstadt und wartete auf den ICE. Plötzlich näherte sich auf dem Nebengleis ein riesiger Geleitzug, vollbeladen mit Panzern – mit Mardern, Geparden oder Leoparden. Ich kann das nicht unterscheiden, aber ich konnte geschockt das Bild lesen. Der Transport fuhr von West nach Ost.

Es war nicht schwer, sich das Gegenbild vorzustellen. Irgendwo im Osten des Kontinents rollten zur gleichen Zeit Militärtransporte voller russischer Kampfpanzer von Ost nach West. Sie würden sich nicht zu einer Panzerschlacht im Stile des ersten Weltkrieges irgendwo in der Ukraine treffen. Weiterlesen

Einsame Insel

Im Regierungsviertel in Berlin Mitte dünken sie sich auf einer Insel, weil in die Spree und in Kanäle so viel Wasser geleitet wird. In Wirklichkeit handelt es sich um eine einsame Insel, inmitten nicht von Wasser, sondern von Dürre. Vergrössern Sie sich die Schaubilder am Monitor und suchen Sie die Konturen von Berlin; sie sind eingezeichnet. Auch sonst bekommt mann dort von gesellschaftlichen Strömungen wenig mit, vor allem von der “Mehrheit gegen Waffenliefern”. Weiterlesen

Meine Gorbi-Erinnerung

Abtritt ohne Krieg – das schafft nicht jeder

mit Update am späten Abend

Als Michail Sergejewitsch Gorbatschow Boss der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wurde, arbeitete ich noch im Koordinierungsbüro der Friedensbewegung in Graurheindorf, und war im Begriff Bundesgeschäftsführer der Jungdemokraten zu werden. Mir sagte sein Name erstmal nichts. Es konnte nur besser werden. Sein Vorgänger Konstantin Ustinowitsch Tschernenko hatte wie Blei auf seinem Land und der internationalen Politik gelegen. Dessen Vorgänger Juri Wladimirowitsch Andropow schien zuvor zu früh gestorben. Weiterlesen

Das Dilemma

Und wie wir da wieder rauskommen – Putins Krieg

Exakt heute jährt sich zum 85ten-mal der Überfall Nazi-Deutschlands auf die baskische Stadt Guernica. Die Stadt wurde 1937 dem Erdboden gleichgemacht. Dieses Datum wird bisweilen als Prolog zum II. Weltkrieg gewertet – auch weil der für die Nazi-Luftwaffe zuständige Hermann Göring sich offen darüber ausließ, dass man neue Waffen für kommende Aufgaben ausprobieren wolle.

Jetzt wird wieder über eine Weltkriegsgefahr geredet. Weiterlesen

Deutsche Waffen gegen Russland?

Annalena Baerbock, die bisher als Bundesaussenministerin keinen Fehler gemacht und die Bundesrepublik in der UNO brilliant vertreten hat, schickt sich derzeit an, einen schweren Fehler zu begehen, der sich in der Propagandaschlacht, die den Ukraine-Krieg zweifellos begleitet, als spezifisch deutsches Eigentor erweisen könnte. Sie hat gefordert, der Ukraine schwere Waffen zu liefern, damit sind gemeint Kampfflugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Weiterlesen

Lawrow und die Toten von Butscha

Angesichts Lawrows Aussage, bei den Toten in den Strassen von Butscha handele es sich um eine ukrainische Inszenierung, kommen mir ganz dunkle historische Erinnerungen. Bis 1990 hat die Sowjetunion abgestritten, etwas mit dem Massaker an Angehörigen der polnischen Eliten in Katyn zu tun gehabt zu haben (nicht zu verwechseln mit den Opfern im von den Nazis vernichteten Dorf Chatyn bei Minsk). Die Toten von Katyn sollen nach sowjetischer Lesart ebenfalls Opfer des NS gewesen sein. An dieser Lüge hielt man 50 Jahre lang fest. Erst Gorbatschow und dann Jelzin gaben zu, dass die Massenmorde in Katyn eine Aktion des NKWD gewesen sind. Weiterlesen

Im Angesicht der Aggression

Zum 100. Geburtstag von Egon Bahr: Im Angesicht der Aggression gegen die Ukraine – Egon Bahr entwickelte das Konzept Gemeinsamer Sicherheit in einer Situation, die an den Rand eines Atomkrieges führte. Wir brauchen seine Ideen mehr denn je.

Gilt wieder einmal, dass alles umsonst war, dass wir uns geirrt haben, als wir in den 1980er-Jahren Hoffnung in das Konzept der Gemeinsamen Sicherheit setzten? Schon in den letzten Jahrzehnten trat dieses Konzept im Friedensdiskurs allmählich zurück. Hat es die Aggression gegen die Ukraine nun endgültig in die Versenkung befördert? Und ist eine progressive Transformation zu einer solidarischen Gesellschaft in unerreichbare Ferne gerückt, da der Westen – so wie er ist – im Protest gegen Putins Krieg jetzt als Garant des Guten, der Demokratie und Freiheit erscheint? Weiterlesen

Die Natter ist von “uns”

Der “real existierende Sozialismus” wurde vom real existierenden Kapitalismus totgerüstet. Das hat viel Gutes und viel Schlechtes mit sich gebracht. Für die Mehrheit der Russ*inn*en mehrheitlich Schlechtes. Das verbinden sie mit den Herrschaftsperioden Gorbatschow und Jelzin. In der Gorbatschow-Periode war ich mehrmals in der UdSSR, auch in Estland und der Ukraine. Ende der 80er Jahre wurde Jelzin als Hoffnungsträger bejubelt. Heute gestehen das (fast) alle als schweren Irrtum ein. Auf das System des alkoholkranken Jelzin folgte das System Putin. Weiterlesen

Zeitreise in die Ukraine Teil 4: 2018

 Glaubt man den amerikanischen Geheimdiensten und den Lagebeschreibungen und Drohungen der NATO, droht bis Mittwoch dieser Woche ein Angriff Russlands auf die Ukraine. Anlässlich dieser Zuspitzung und der Darstellungen der Geschichte des Konflikts wagen wir hier ein Experiment: Wir veröffentlichen in den kommenden Tagen ältere Beiträge von Autoren des “Extradienst”, die in den Jahren von 2014 an geschrieben wurden, um an damals bekannte, in der aktuellen “Vorkriegsberichterstattung” aber vergessene oder unterbewertete Fakten zu erinnern und einen Beitrag zu Verständnis und Einordnung der aktuellen politischen Entwicklung ermöglichen.

Was müssen Europa und Russland jetzt tun?

Von Roland Appel, verfasst am 7. April 2018

Nazi-Deutschland hat im zweiten Weltkrieg mehr als sechs Millionen Juden deportiert, gefoltert, industriell vernichtet und getötet. Diese Schuld wird für immer die Beziehungen zum Staat Israel und zum jüdischen Volk beeinflussen. Weiterlesen

NATO-Osterweiterung

Wer wem wann was in den 1990er Jahren versprach, und warum diese Frage bis heute relevant ist
Am 6. Dezember 2021, dem Tag vor der Videokonferenz zwischen den Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Joe Biden, hatte ich in einem Kommentar in der „tageszeitung“ (taz) unter der Überschrift „Beide Seiten müssen deeskalieren“ geschrieben:

„Entgegen dem im Westen weitverbreiteten Narrativ begann die Verschlechterung der Beziehungen nicht erst mit Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim im März 2014, sondern bereits mit der NATO-Osterweiterung, die ab 1996 vollzogen wurde. Weiterlesen

Verstehen ist keine Behinderung

“Verstehen” kommt von “Verstand” – ohne wäre also schlecht
Im vermachteten öffentlichen Diskurs werden immer mal wieder Begriffe umgedeutet. Was mal gut war, wird ironisiert und abgewertet. Gute Menschen sind so ein Fall, oder Theorien. Wo Maggie Thatcher “There is no alternative” in der politischen Klasse volkstümlich machte, wurden Theorien zur krankhaften Spinnerei, so wie es Helmut Schmidt schon mit Utopien gemacht hat. Nun also ist Verstehen so eine Art kindische Naivität. Bitte schützen Sie Ihre Kinder vor solchem Schwachsinn. Weiterlesen

It takes two to tango

Für eine Entschärfung des Ukraine-Konflikts müssen sich Putin und Biden bewegen
Der seit Jahren ständig eskalierende Konflikt zwischen Russland und den Mitgliedsstaaten der NATO um die Ukraine hat einen kriegsgefährlichen Höhepunkt erreicht. Das für Dienstag angekündigte Gipfeltelefonat zwischen den Präsidenten Putin und Biden kann nur dann zu einer Entschärfung beitragen, wenn beide Seiten sich bewegen. Die in der Brüsseler NATO-Zentrale und den westlichen Hauptstädten erhobene sowie in den meisten Medien sekundierte Forderung, nur Putin müsse einen Schritt machen und die in der Tat besorgniserregende Konzentration von Truppen und schweren Waffen im Grenzgebiet zur Ukraine beenden, wird scheitern. Weiterlesen

Bestenfalls etwas Deeskalation

US-Präsident Biden steht auf seiner Europareise ein Gipfelmarathon bevor. Kommende Woche trifft er in Genf auch Russlands Präsidenten Putin. Die Beziehungen zwischen beiden sind schwer belastet – Die heftigsten Kontroversen sind beim Thema Ukrainekonflikt zu erwarten
„Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern entwickeln sich gut.“ So bilanzierte Russlands Präsident Wladimir Putin sein erstes – und bislang einziges – Treffen mit Joe Biden im März 2011 in Moskau. Der heutige US-Präsident, damals Vize von Barack Obama, erinnerte sich weniger freundlich an die Begegnung. „Ich schaue in Ihre Augen und denke, Sie haben keine Seele“, habe er damals zu Putin gesagt. Dieser habe „zurückgeschaut, gelächelt und erklärt: Wir verstehen einander.“ Weiterlesen

Angela Merkel, Wladimir Putin und der Permafrost

Update 8.6.: s. unter dem Text
von Antje Vollmer
Angela Merkel misstraut Wladimir Putin zutiefst. In den Jahren ihrer Kanzlerschaft ist das deutsch-russische Verhältnis erkaltet. Was bedeutet das für Europa?

Es wird Zeit, Bilanz zu ziehen über Gelungenes und Nichtgelungenes, über innenpolitische und außenpolitische Verortungen am Ende der Ära Merkel. Wo stehen wir jetzt nach 16 Jahren?

Die größte außenpolitische Hypothek besteht darin, dass während Merkels Kanzlerschaft das deutsch-russische Verhältnis in die Zone ewigen Permafrostes abgedriftet ist. Noch ist das kein Thema und auch im kommenden Wahlkampf werden andere Fragen auf der Agenda stehen. Aber auf die Zukunft Europas wirft diese Tatsache düstere Schatten. Weiterlesen

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