Mutmasslich der letzte Zander im WDR: Samstag 9:45 h, WDR5
Was ist grausamer und langlebiger als enttäuschte Liebe? Als ich heute Nacht mit meinem seit meinem Herzinfarkt üblichen Schlafstörungen wach lag, fragte ich mich, ob es der WDR war, der mir nach jahrzehntelangem Zusammenleben das Herz gebrochen hat. 1997-2003 gehörte ich sogar als stellvertretendes Mitglied seinem Rundfunkrat an. Und durfte einen Ersterklassejournalisten wie Fritz Pleitgen noch persönlich kennenlernen. Obwohl: mehr beeindruckt hatte mich damals schon Renate Möhrmann – und mein vorgesetztes ordentliches Rundfunkratsmitglied Karin Knöbelspies: sie hält es in diesem Gremium heute noch aus. Wow. Sie müssen wissen: Fachkompetenz gibt es dort zwar, ist aber in der Minderheit.
Das bestimmte auch die Beziehungsgeschichte zwischen dem Sender und mir. Jede Programmreform nahm mir immer genau das weg, was ich liebgewonnen hatte. Ausnahme: die berühmte “Radiothek” auf WDR2, die nach Ansicht der NRW-CDU allein schuld daran war, dass sie immer die Landtagswahlen verlor. Die andere stukturelle Ausnahme war die Durchsetzung und Installation des “Funkhaus Europa” durch den weitsichtigen Pleitgen, das mittlerweile stark inhaltlich und musikalisch eingeschmolzen als “Cosmo” weiterexistiert.
Knapp überlebt hat all diese Reformen das “Zeitzeichen”, als ungeliebte Programmreliquie. Als wir noch jung waren, lief diese Nachhilfe-Viertelstunde auf dem damaligen Massenprogramm WDR2, und zwar unmittelbar nach der Radio-Primetime um 9.05 h. Heute ist es auf der Wort-Resterampe der Programmreformen WDR5 platziert, und zwar um 9.45 h, also wenn wirklich alle, die es noch müssen, auf der Arbeit sind. Bleiben wir Rentner*innen.
Und wer das WDR-Zeitzeichen kennt, die*der kennt auch Hans Conrad Zander, den ich als Hörer schon verehrt habe, als er noch jung war, und dem wir nächsten Monat zum 89. Geburtstag gratulieren können. Und während wir mit Propaganda auch vom WDR vollgepustet werden, dass “wir länger arbeiten” sollen, wird er – diese gedankliche Kreativitätsbombe – daran gehindert. Der Kerl ist im Kopf noch so jung – der alte WDR verkraftet das nicht mehr.
Schalten Sie zum Beweis am Samstag um 9.45 h das eine Mal noch ein:
“13.09.1475: Der italienische Adlige Cesare Borgia wird geboren – Sex and Crime im Vatikan: Dafür steht während der italienischen Renaissance im 15. Jahrhundert der Name Borgia. Cesare Borgia etwa ging für seine Ziele sogar über Leichen.
In diesem Zeitzeichen erzählt Hans Conrad Zander:
– dass Cesare Borgia freiwillig seine kirchliche Karriere beendet,
– warum er eigenhändig seinen Schwager ermordet,
– von einer Mega-Orgie im Vatikan,
– warum bis heute nicht geklärt ist, ob Cesares Vater durch Gift oder Malaria stirbt.”
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