mit Update nachmittags

Ich habe es immer gewusst, aber auf mich hört ja keine*r. Springer will Bild loswerden. Das sagt mann natürlich nicht öffentlich, um die Preise nicht zu verderben. Mit Schenkelklopfen werden sich die Springer-Manager noch an den Deal mit Günther Grotkamp (Funke-Mediengruppe) erinnern, dem sie 2014 für einen Mondpreis von 920 Mio. ihren ganzen unrentablen bedruckten Schrott andrehen konnten. Nun ist auch Bild Schrott.

Grotkamps Erbin Julia Becker ist sicher nicht doof und alt genug, ihnen diese Last abzunehmen. Von einst 5 Mio. ist die verkaufte Auflage auf gut 800.000 abgeschmolzen. Das “Lügenblatt” geht schneller unter, als uns die Klimakatastrophe ereilt, für die es bis heute kräftig politisch mobilisiert. Wenn ich reich wäre, würde ich dort auch lieber nicht inserieren.

Nun hat wohl jemand aus dem Zeitungskonzern eine Verkaufsspekulation im Medienfachdienst “Kress” angefacht, die geht so: “Das Boulevardblatt erwirtschaftete lange eine attraktive Rendite, aber es wird mehr als schwer, diese auch künftig zu erreichen. Interne Planzahlen des Managements im Zuge des Abschieds von der Börse zeigten, dass die digitalen Zuwächse die Rückgänge im analogen Geschäft nicht kompensieren können. Zudem haben sich die kühnen Pläne und Hoffnungen im Bewegtbildgeschäft bei Bild TV nicht erfüllt.” Und: “Interessenten aus dem rechtsbürgerlichen Lager wären wohl nicht abgeneigt.”

“Rechtsbürgerlich” würde ich persönlich übersetzen in rechtsradikale klimawandelleugnende Milliardärsarschlöcher. Da könnte Springer richtig spekulieren, von denen gibt es mehr als genug.

Ich hätte da eine alternative Idee. Scheinbar kann die Partei “Die Partei” nach ihrem Nominierungsparteitag zur EU-Parlamentswahl vor Kraft kaum laufen. So infiltrierte sie mit ihrer PR nicht nur die rechten Medienflaggschiffe FAZ und NZZ, sondern erklomm sogar den Mediengipfel deutscher Spiessbürger, den sonntäglichen ZDF-Fernsehgarten. Eindeutig identifizierbar ist hier die Zielgruppe rechtsverdummt-politikdesinteressierte Masse. Da läge es nur nahe, Bild als Wahlkampfzeitung für zukünftige Informationen aus dem EU-Parlament dem Notleidenden unter sinkenden Profitraten leidenden Medienkonzern von seinen Schultern zu nehmen, damit er ungestört in Trumps USA expandieren kann.

Update nachmittags

“Bild” für die eingebildeteren Stände

Es gibt eine “Bild” für die eingebildeteren Stände: der Spiegel. 700.000 verkauft der angeblich noch. Die Stilmittel unterscheiden sich nicht wirklich, die politischen Inhalte auch nicht. Wer ihm mit Daten und Geld für das Überwinden seiner Paywall zahlt, ist wahrlich nicht schlauer als Bild-Leser*innen. “Die Partei” könnte ja mal bei den Augstein-Erb*inn*en sowie dem Bertelsmann-Konzern fragen, ob sie ihre Anteile loswerden wollen – peinlich wie das ist, können die ja nicht mehr so teuer sein.

Es gibt auch Wichtigeres: Konzerne kaufen EU auf

Nächstes Jahr – noch 9 Monate – ist EU-Parlamentswahl. Was wählen wir da?. Etwa das? Markus Reuter/netzpolitik: Anlasslose Massenüberwachung: Recherchen decken Netzwerk der Chatkontrolle-Lobby auf – Ein breites Netzwerk aus Tech-Firmen, Stiftungen, Sicherheitsbehörden und PR-Agenturen lobbyiert auf höchster EU-Ebene für die Chatkontrolle. Eine Recherche von mehreren europäischen Medien deckt nun die millionenschweren Zusammenhänge auf.”

Bemerkenswert: renditesüchtige Konzernmedien vermauern die Recherche hinter einer Paywall. Netzpolitik.org tut das nicht. Das ist praktizierte emanzipatorische Medienkritik. Nicht mehr viele wissen, was das ist.

Darum erklärt Lukas Meisner/Jacobin es noch mal: Jenseits von »Lügenpresse« gegen »Fake News« – Die Linke darf die Kritik an den Leitmedien nicht den Rechten überlassen. Sie kann auf eine lange Tradition zurückgreifen, die, anstatt paranoide Verschwörungsnarrative zu verbreiten, demokratische Mündigkeit und kritisches Denken befördert.” Das ist ungefähr das, was ich hier seit einigen Jahren versuche. “Dialektik der Aufklärung” (von 1944!!!) habe ich sogar selbst gelesen, und kann das wärmstens weiterempfehlen.

Allerdings hätte der Autor weiterdenken dürfen. Wann endlich bringt die hiesige gesellschaftliche (im Unterschied zur gleichnamigen Partei) Linke die Intelligenz auf, linke Medien selbst zu organisieren? So wie es rechte Milliardärsarschlöcher gibt, gibt es auch Linke. Z.B. unschuldige Erb*inn*en, die gar nicht wissen, wie sie ihre Kohle in einem einzigen Menschenleben ausgeben sollen. Aber klar gibt es die. Aber warum sind sie so doof?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net