Da hat der Bundesgerichtshof aber eine mutige und mieterfreundliche Entscheidung getroffen! Gewerbetreibende wie Ladenmieter haben bei einer pandemiebedingten Schließung ihrer Geschäftsräume grundsätzlich das Recht, ihre Mietzahlungen zu kürzen. Die staatlich angeordnete Schließung stelle eine Störung der Geschäftsgrundlage dar.

In der Tat sind Lockdown und Schließung ein unvorhersehbares Ereignis, für das keine der beiden Parteien verantwortlich gemacht werden kann. Laut BGH könne das Risiko daher keinem allein zugewiesen werden. Eine Halbierung der Mietkosten sei jedoch nicht angebracht. Die Höhe des Mietabschlags müsse einzeln geprüft werden, um die tatsächlichen Verluste zu ermitteln und Fördermittel gegenzurechnen.

So richtig logisch erscheint die Argumentation des BGH nicht. Da will er den einen finanziell entlasten, weil der unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen ist, und belastet statt dessen einen anderen, der auch nichts dafür kann. Handelt es sich hier um eine neue Form des sozialen Ausgleichs, um einen zaghaften, aber wenig geeigneten Versuch, den wachsenden Unterschieden bei Einkommen und Vermögen entgegenzutreten? Und das gerade durch den BGH?

Nun wird gewiss bald die Frage auftauchen, ob eine solche Kostenteilung auch bei anderen Mietverhältnissen Anwendung finden soll. Auch private Mieter/innen werden manchmal von unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignissen getroffen, für die weder sie noch die Vermieter/innen verantwortlich gemacht werden können. Denken wir mal an schwere Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit, an Unfälle, an Arbeitslosigkeit oder an den Tod der/s Partners/in. Da keimt bei manchen Mieter/innen Hoffnung auf.

Will man der neuen Gedankenführung des BGH folgen, so gibt es gewiss noch andere Handlungsfelder. Beispielsweise sind die enormen Energiepreissteigerungen der jüngsten Zeit von den Endverbraucher/innen weder vorhersehbar noch zu verantworten. Da bietet es sich doch an, dieses neue „BGH-Prinzip der verantwortungslosen nicht zu verantwortenden Finanzlasten“ anzuwenden und die Preissteigerungen von Gas, Strom und Sprit zwischen Lieferant und Verbraucher/in zu teilen.
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Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.