Ein bemerkenswertes Tauschgeschäft haben der mittelamerikanische Kleinstaat Belize und die US-amerikanische Naturschutzorganisation The Nature Conservancy (TNC) 2021 vereinbart. Sie tauschen Staatsschulden gegen Naturschutz. Belize war hoch verschul­det und stand kurz vor dem Staatsbankrott, vor allem wegen gesunkener Tourismusein­nahmen. Staatsanleihen in Höhe von 550 Mio. $ waren fällig, mit einem aktuellen Kurswert von 384 Mio. $. Diesen Betrag besorgte TNC sich bei einer Schweizer Großbank und überließ ihn der Regierung von Belize, die damit ihre Verbindlichkeiten ablösen konnte.

Schuldenfrei wurde Belize dadurch jedoch nicht. Das Darlehen der TNC ist in zwanzig Jahren zu tilgen, die Zinslast beginnt mit 3% und beträgt ab 2026 6,04%. Die Zahlungen erfolgen in Dollar. Da TNC das Ausfallrisiko nicht tragen kann, garantiert die US-amerikani­sche International Development Finance Corporation das Kreditgeschäft. Sollte Belize zahlungsunfähig werden, würde automatisch der US-amerikanische Staat die Anleihe übernehmen.

Im Gegenzug muss Belize Umweltschutzmaßnahmen realisieren. 30% seines Ozeans sind bis 2026 unter Schutz zu stellen, nachhaltige Regularien für Landwirtschaft und Fi­scherei sind umzusetzen, und im Zeitraum von 20 Jahren 180 Mio. in einen neuen Natur­schutzfonds zu investieren. TNC gehören jetzt 20% der gesamten Wirtschaftsleistung von Belize!

Solche Tauschaktionen sind nicht neu. Beim Debt for Nature Swap, wie diese Transaktion genannt wird, kaufen Umweltschutz- oder andere Organisationen aus Industrieländern Schuldtitel von Länder der Dritten Welt, die mit hohen Abschlägen gehandelt werden. Der Schuldenerlass bzw. die Ablösung der Schulden erfolgt gegen die Zusicherung, bestimmte Umweltschutzprojekte durchzuführen. Der Vorteil besteht in der Verbindung geldpolitischer mit ökologischen Zielen. Kurz gesagt: Die Schulden werden geringer, und die Umwelt pro­fitiert. Im Verhältnis zur gesamten Staatsverschuldung machen die Swaps jedoch meist nur einen geringen Anteil aus.

Die Idee, Staatsschulden gegen Naturschutz zu tauschen, wurde schon vor Jahrzehnten diskutiert. 1987 erfolgte der erste Tausch, es ging um bolivianische Auslandsschulden in Höhe von 650.000 $. Bei dem umfangreichen Swap-Geschäft zwischen dem Pariser Klub und Polen im Jahre 1992 übernahm ein Treuhandfonds die Auswahl, Durchführung und Überwachung der Naturschutzprojekte. Eine tabellarische Auflistung (leider nur bis 2010) dokumentiert 37 Swap-Finanzierungen mit einem Gesamtvolumen von gut einer Milliarde $. Drei Beträge liegen über 100 Mio. $, einige zwischen 40 und 60 Mio. $, mehrere aber auch nur bei einer Million. Die Volumina waren also deutlich niedriger als bei Belize, und die Zahlungen dienten nicht zwangsläufig der Ablösung alter Schulden.

Risikoreiche Forderungen mit niedrigem Kursen loswerden

Ursprünglich waren die Swaps auf Länder mit besonders hohem Kreditausfallrisiko kon­zentriert, so dass der Geldgeber die Schulden weit unter Wert kaufen konnte. Für die Gläubiger bot auch das einen Vorteil, sie konnten risikoreiche Forderungen mit niedrigem Kursen loswerden und ihre Finanzmittel anderweitig ertragswirksamer einsetzen. Heute ist die Handlungsbreite größer.

Bei den Tauschgeschäften können unterschiedliche Partner mitwirken. Entweder kauft eine Nichtregierungsorganisation die Schuldtitel von Geschäftsbanken und übergibt sie dem Schuldnerland. Teils erfolgen diese Transaktionen mit, teils ohne staatliche o.ä. Ga­rantien. Von 1987 bis 2010 wurden auf diese Weise Swaps im Werte von 140 Mio. $ ge­handelt. Oder der Tausch findet zwischen zwei Regierungen statt. Ein Gläubigerland er­lässt einem Schuldnerstaat im Tausch gegen Umweltverpflichtungen einen Teil der öffentli­chen bilateralen Schulden. Multilaterale Swaps funktionieren in gleicher Weise, jedoch sind mehrere Gläubigerstaaten beteiligt. Unter staatlicher Beteiligung wurden 1987 bis 2010 fast 900 Mio. $ bewegt.

Auf der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow wurden die Swap-Verfahren als positive Lö­sung bezeichnet. Das Unterlassen bzw. Begrenzen der wirtschaftlichen Ausbeutung der Natur müssen honoriert werden. Die Afrikanische Entwicklungsbank hat im Oktober 2022 sogar eine Art Handbuch zum Thema „Debt for Nature Swaps“ veröffentlicht. Besondere Befürwortung erfährt diese Projektidee vom International Institute for Environment and De­velopment. Dort heißt es, dass die Swaps den Gläubiger- und Schuldnerländern dazu dienen sollen, „Staatsschulden als Teil der Lösung für die Herausforderungen des Klima­wandels und des Verlustes der ökologischen Vielfalt zu nutzen.“ Durch die Mobilisierung von Kapital könnten zudem lokale Gemeinschaften gestärkt, die Infrastruktur ausgebaut, Arbeitsplätze geschaffen und die Lebensgrundlagen vieler verbessert werden.

In verschiedenen Publikationen wird in den Swaps sogar die Zukunft der Klimafinanzie­rung gesehen. Unabhängig vom ökologischen Aspekt verbessere ein Swap nämlich auch die Zahlungsfähigkeit eines Landes und damit evtl. seine Kreditfähigkeit. Die Staaten kön­nen ihr Geld statt zur Bedienung der Schuldverschreibungen in eigenen ökologischen Vor­haben einsetzen. Möglicherweise erwirtschafteten diese sogar Renditen, z.B. im Touris­mus, bei der Energieerzeugung oder bei der Wasserversorgung.

Neokolonialistisches Instrument?

Natürlich gibt es auch kritische Anmerkungen. Manche lehnen die Swaps grundsätzlich ab, weil es sich dabei um ein neokolonialistisches Instrument handele. „Da kann so ein Natur­schutzkonzern ein kleines Land quasi kaufen.“ Ohnehin hätten die Industriestaaten, aus denen die Finanzen jetzt kommen, überwiegend selbst jene Umweltprobleme verursacht, die jetzt durch Debt-for-natur-Swaps beseitigt werden sollen. Es sei daher nur gerecht, wenn sie diese auch bezahlen. Zudem hätten reiche Länder bzw. deren Bevölkerung oder Institutionen ein höheres Interesse am Schutz von Klima und Umwelt als die Regierungen armer Länder. Allerdings werden diese sich des ökologischen Wertes ihrer Ressourcen im­mer stärker bewusst.

Es gibt auch Nichtregierungsorganisationen, die das Instrument der Swaps nicht unterstüt­zen. Wobei es im Einzelfall für ein Urteil, ob mit dem Swap eine Art Machtverlagerung ver­bunden ist, entscheidend auf die Art der Kreditbedingungen und der vereinbarten Maßnah­men ankommt. Der Internationale Währungsfonds hält einen Schuldenerlass für ange­brachter und wirkungsvoller als Swaps. Die Weltbank solle dabei federführend sein und für Schul­denerleichterungen sorgen. Die Schuldnerländer könnten dann selbst entscheiden, welche ökologischen Aktivitäten sie vornehmen.

Auf jeden Fall sollte bei Swap-Verhandlungen eine Beratung und Kontrolle der Verträge durch eine qualifizierte internationale Organisation erfolgen, beginnend bei der Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Fachkunde und Managementfähigkeiten, aber auch gute Kontakte zu den Regierungsstellen, die Einbeziehung der Bevölkerung der zu schüt­enden Regionen und die Berücksichtigung ihrer Rechte und Interessen sind unabdingbar. Die lokale Bevölkerung ist in der Regel besonders betroffen, da die meisten Swaps in tro­pischen Ländern realisiert werden und das Ziel oft der Schutz bedrohter arten und ein Stopp der Entwaldung ist.

Ecuadors Big-Deal-Angebot wurde verschmäht

Ein weiterer Kritikpunkt ist die „ungerechte“ Verteilung der Swaps. Sie werden nicht unbe­dingt mit jenen Staaten vereinbart, bei denen der Bedarf besonders groß ist, und nicht im­mer im Tausch gegen Maßnahmen, die besonders dringlich sind. Manchmal sind Misser­folge fast vorprogrammiert, da in hoch verschuldeten Staaten die politischen Institutionen und Durchsetzungsstrukturen oft nicht geeignet sind, um die vereinbarten Umweltschutz­maßnahmen wirkungsvoll umzusetzen.

Ein negatives Beispiel für Tauschgeschäfte ereignete sich in Ecuador. Dort bot die Regie­rung 2009 den Verzicht auf die Erdölförderung in einer intakten Regenwaldkultur an, wenn die Ein­nahmeausfälle erstattet würden. Für dieses Geschäft fand sie jedoch keinen Part­ner. 2014 wurde dar­aufhin eine Konzession für die Erdölförderung in dieser Region verge­ben.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.