von Andreas Zumach
Trump trifft die Welt. In einer Rede vor der UNO will der US-Präsident seine Forderung nach Reformen wiederholen. Er meint, die USA würden zu viel zahlen. Stimmt das?

„Die Vereinten Nationen haben ein so großes Potenzial. Aber derzeit ist die UNO nur ein Club, in dem Leute zusammenkommen, quatschen und eine gute Zeit haben. Wie schade!“
So ahnungslos und arrogant hatte sich Donald Trump im letztjährigen Wahlkampf und auch noch nach seinem Sieg über Hillary Clinton über die UNO geäußert. Dienstagmorgen, New Yorker Ortszeit, spricht der US-Präsident nun erstmals vor der Generalversammlung der 193 UN-Mitgliedstaaten.

Hauptthema der Rede werden – neben Birma/Myanmar, Nordkorea und anderen aktuellen Krisen – die Forderung nach Reformen der UNO sein, insbesondere nach finanziellen Einsparungen und einer Entlastung des – in absoluten Dollarbeträgen – größten Beitragszahlers USA. Bereits am Montagabend wollte Trump bei einem Treffen mit ausgesuchten Staats-und Regierungschefs eine 10-Punkte-Erklärung zur UNO-Reform absegnen lassen. Die darin enthaltene Behauptung, die USA würden bislang einen überproportionalen Anteil der Kosten des UNO-Systems tragen, ist allerdings falsch: Die Pflichtbeiträge Washingtons von 22 Prozent zum regulären UNO-Haushalt und von 28,57 Prozent zum Budget für die Friedensmissionen entsprechen exakt dem Bruttosozialprodukt und den anderen Kriterien, die für die Berechnung der Pflichtbeiträge sämtlicher Mitgliedstaaten gelten.

Trumps Kritik

Alle drei Jahre wird der prozentuale Anteil aller Mitgliedsländer vom Haushaltsausschuss der Generalversammlung überprüft und bei Bedarf angepasst. Lediglich die freiwilligen Beiträge Washingtons für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und andere humanitäre Organisationen fielen in den acht Jahren der Obama-Administration leicht überproportional aus. Das aber hat die Trump-Administration durch ihre bereits beschlossenen dramatischen Kürzungen dieser Leistungen um bis zu 40 Prozent bereits korrigiert. Infolge dieser Kürzungen könne das UNHCR seine Aufgabe bei der Versorgung von derzeit über 65 Millionen Flüchtlingen „nicht mehr erfüllen“, erklärte Filippo Grandi am Sonntag nach einem Treffen mit US-Außenminister Rex Tillerson.

Die Kritik Trumps, dass infolge unklarer Arbeitsteilung von UNO-Organisationen in ihren Einsatzländern finanzielle, personelle und logistische Ressourcen nicht effektiv eingesetzt werden und Mehrkosten entstehen, ist richtig, wenn auch nicht neu. Die Forderung, UNO-Generalsekretär António Guterres solle diesen Zustand beenden und für „größere Transparenz und Berechenbarkeit bei benötigten Ressourcen“ sorgen, führt allerdings in die Irre. Denn über das Mandat, den/die Direktorin und das Budget der meisten UNO-Organisationen entscheiden nur die Mitgliedstaaten. Und: Die von Trump bemängelten Zustände sind in den von US-BürgerInnen geführten UNO-Organisationen nicht besser als in anderen.

Whistleblower-Schutz

Trumps Forderung nach einem verbesserten Schutz für Whistleblower, die auf Missstände im UNO-System hinweisen, ist richtig und geht weiter als bisherige Pläne des UN-Generalsekretärs. Guterres könnte den Druck aus Washington nutzen, um bestehende Widerstände sowohl im UNO-Apparat als auch bei manchen Mitgliedsregierungen zu überwinden. Relevant war die Frage des Whistle­blower-Schutzes in den vergangenen Jahren vor allem, wo es um die Aufdeckung und Untersuchung sexueller Übergriffe durch Blauhelmsoldaten ging.
Selber hatte Guterres im Vorfeld der UNO-Generalversammlung einen überfälligen Reformplan zur Geschlechtergerechtigkeit in der UNO vorgelegt. Im bislang noch immer sehr männerlastigen UNO-System sollen bis 2021 die höherrangigen Positionen zu 50 Prozent von Frauen besetzt sein, bis 2028 sämtliche Stellen. Die Umsetzung dieses Vorhabens würde allerdings voraussetzen, dass die Mitgliedstaaten in sehr viel stärkerem Ausmaß als bislang Frauen als Kandidatinnen für UNO-Posten anbieten.

DIE UN-GENERALVERSAMMLUNG
Neben Birma/Myanmar werden auch andere aktuelle Krisen Thema bei der UN-Generalversammlung sein:
Nordkorea: Am Donnerstag trifft Trump seine Amtskollegen aus Südkorea und Japan. Es geht um eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Pjöngjang.
Iran: Die Nuklearabkommen-Vertragsstaaten Iran, USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien sowie die EU beraten über die Zukunft angesichts der US-Ausstiegsdrohungen.
Klima: Treffen am Dienstag unter Vorsitz von Frankreichs Präsident Macron zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Trump nimmt nicht teil.
Terrorismus: Bereits am Montag traf sich Trump mit Vertretern von fünf afrikanischen Staaten – Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad –, um über die Aufstellung einer 5.000 Mann starken Truppe zu beraten, die gegen die wachsende Gefahr von Extremisten in der Sahelzone vorgehen soll.
Weitere Themen: Brennpunkte wie Zentralafrika, Kongo, Südsudan, Libyen, Mali oder Somalia. Zudem sollen Zwischenbilanzen zu den UN-Zielen gezogen werden, bis 2030 die extreme weltweite Armut zu beenden, die globalen Ressourcen zu schonen und den Frauenanteil in der UNO zu erhöhen. (azu)

Kommentar

So lässt sich die Erpressung verhindern

Die USA wollen weniger Geld an die UN zahlen. Es wäre leicht, der Erpressung durch einzelne Mitglieder einen Riegel vorzuschieben.

US-Präsident Donald Trump behauptet gern, sein Land trage einen überproportional hohen Anteil an den Kosten des UNO-Systems. Das ist falsch. Die Pflichtbeiträge Washingtons – 22 Prozent zum regulären UNO-Haushalt und 28,57 Prozent zum Budget für die Friedensmissionen– entsprechen exakt dem Bruttosozialprodukt (BSP) und den anderen Kriterien, die für die Berechnung der Pflichtbeiträge sämtlicher 193 UNO-Mitgliedstaaten gelten.
Trumps willkürliche Kürzung der Zahlungen für die Friedensmissionen um rund 600 Millionen US-Dollar war ein völkerrechtswidriger Akt der Erpressung der UNO. Er wird nicht dazu führen, dass irgendein anderes Mitgliedsland seine prozentualen Pflichtbeiträge erhöhen wird.
Lediglich bei den freiwilligen Überweisungen an das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge und andere humanitäre Organisationen übernahmen die USA während Obamas Amtszeit einen leicht überproportionalen Anteil. Doch auch diese Zahlungen will die Trump-Administration drastisch kürzen. Zum Teil aus politisch-ideologischen Gründen, weil ihr zum Beispiel die Familienplanungsprogramme des UN-Bevölkerungsfonds nicht passen.
Die dramatische Finanzkrise des UNO-Systems und seine Erpressbarkeit durch einzelne Mitgliedstaaten ließe sich nur durch ein neues Finanzierungsmodell überwinden: 100 statt bisher nur 20 Prozent der jährlichen Gesamtkosten des UNO-Systems müssten durch Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten gedeckt werden. Dazu würde derzeit ein Beitragssatz von 0,05 Prozent der Bruttosozialprodukte aller Mitgliedsländer ausreichen. Das müsste möglich sein.
In den letzten drei Jahren gaben die 193 Staaten stolze 2,3 Prozent des globalen BSP für Rüstung und Militär aus. Würde UN-Generalsekretär Guterres endlich ein solch neues Finanzierungsmodell vorschlagen, müssten sich alle Mitgliedstaaten dazu verhalten, anstatt nur bequem auf die bösen USA zu schimpfen.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
Update 20.9.: Zu Trumps Rede ein DLF-Interview mit Jürgen Trittin.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.