von Andreas Zumach
Zu besprechen gibt es vieles: Von der Liberalisierung der Agrarmärkte über Subventionen für neue Energien bis hin zu Menschenrechtsstandards.

Aus Anlass der Ministerkonferenz der Welthandelskonferenz (WTO) in Buenos Aires werden einmal mehr diverse Kritiker der bisherigen wirtschaftlichen Globalisierung und der WTO von Oxfam, Misereor und Attac über Mexiko und Indien bis hin zu US-Präsident Donald Trump pauschal in einen Topf geworfen und als Populisten, Nationalisten oder Separatisten gebrandmarkt.
Entsprechende Darstellungen – zum Beispiel in den Äußerungen deutscher Wirtschaftsvertreter, den Kommentaren globalisierungsfreundlicher Zeitungen sowie in einem Interview des deutschen Vizedirektors der WTO, Karl Brauner, zum Auftakt der Konferenz in Buenos Aires – sind höchst undifferenziert und realitätsfern. Oxfam, Misereor, Attac und viele andere Nichtregierungsorganisationen engagieren sich seit Jahrzehnten für einen gerechteren Welthandel sowie gegen die bislang im Rahmen der WTO betriebene ungezügelte Globalisierung der Wirtschaft, bei der Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards auf der Strecke bleiben.

Indien und Mexiko sind zwei Beispiele für viele Länder des Südens, die sich an internationalen Verhandlungen beteiligen, aber mit bestimmten Ausnahmeregeln in den Verträgen. Indien, um auch nach einer Liberalisierung der Agrarmärkte die Nahrungsmittelversorgung der eigenen Bevölkerung weiterhin sicherstellen zu können. Mexiko, um nach einer Deregulierung des Handels mit Dienstleistungen seine nationale Handlungsfreiheit zu bewahren, erneuerbare, klimafreundliche Energien mit staatlichen Subventionen zu fördern, statt auf Kohle, Öl oder Atomstrom zu setzen.

Trump hingegen ist Präsident einer im relativen Abstieg befindlichen Weltmacht. Er glaubt, er könne mit seiner „America first“-Parole und mit der Absage, Aufkündigung oder Neuverhandlung von Handelsabkommen sowie mit zunehmenden protektionistischen Maßnahmen die nationale Wirtschaft seines Landes stärken und ihre seit gut 25 Jahren in fast sämtlichen Bereichen sinkende Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen kapitalistischen Industriestaaten wiederbeleben.

EU-Partnerschaftsabkommen: alles außer Partnerschaft

Die als Alternative gepriesenen europäischen Staaten und die EU haben sich bei den in den letzten 40 Jahren im Rahmen der WTO und ihres Vorgängers Gatt geführten Verhandlungen keineswegs gerechter gegenüber den armen Ländern verhalten als die USA und sich zumeist auch nicht stärker engagiert für die Beachtung von Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards. Dasselbe gilt für die bilateralen Verhandlungen der EU wie zum Beispiel ihre „Europäischen Partnerschaftsabkommen“ mit einer Reihe west- und nordafrikanischen Ländern, die wenig mit Partnerschaft zu tun haben, aber viel mit Übervorteilung.
WTO-Vizedirektor Brauner „begrüßt“, dass die EU jetzt eine gemeinsame Initiative mit Brasilien ergriffen habe zum Abbau inländischer Agrarsubventionen. Das wäre sicherlich ein Fortschritt, nachdem die EU entsprechende Forderungen vieler Länder des Südens in den letzten 40 Jahren immer blockiert hat. Noch viel wichtiger wäre, dass die EU bei den Verhandlungen im UNO-Menschenrechtsrat über ein seit Jahrzehnten gefordertes völkerrechtlich verbindliches Abkommen über Menschenrechtsnormen für Wirtschaftsunternehmen ihre gemeinsam mit den USA betriebene Blockade aufgibt und sich an diesen Verhandlungen beteiligt.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.