Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Populismus (Seite 2 von 2)

Als wäre nichts passiert

Das erste Mal seit 1949 ist eine rechtsextremistische, völkisch-ideologische Sekte in den deutschen Bundestag eingezogen. Schlimmer ist, dass, dank des Einstiegs der Medien auf die AfD, diese wochenlang die Themen des Wahlkampfes bestimmen konnte. Die Welt besteht trotzdem nicht nur aus Nationalismus, Sozialneid, Flüchtlingshetze, Terrorpanik und Diffamierung der Kanzlerin, sondern wichtigen Zukunfstthemen, wie Digitalisierung, Einwanderung, Stabilisierung des Rentensystems, Ausbau der Bürgerrechte in der digitalen Welt und Friedenspolitik. Wenn die AfD nicht mehr zu bieten hat, als das absurde und skurrile Verhalten ihrer Spitzenkandidaten am Wahlabend, ihre abwegigen Forderungen nach einem Merkel-Untersuchungsausschuss, die angeblich illegale Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, und die ideologischen fremdenfeindlichen Formulierungen, muss der Demokratie vor diesen Flitzpiepen nicht bange sein. Allerdings scheinen manchen Diskutanten die angemessenen Mittel gegen einen verbitterten, aber gegen jeden herkömmlichen Verhaltenskodex verstoßenden Nazi-Punk Gauland in Breitkord-Outfit und die notwendige Schlagfertigkeit zu fehlen.

Wer die Statements, die Reden von Merkel und Schulz und die Diskussionen der Elefantenrunde oder bei Anne Will am Wahlabend verfolgt hat, dem wurde klar, dass vor allem die CDU nichts begriffen hat. Weiterlesen

Merkel gewinnt immer – muss das sein?

Vor einigen Wochen dokumentierten wir hier Reinhard Olschanskis Analyse zur rechtspopulistischen Rhetorik. Eine gute Weiterführung sendete gestern DLF-Kultur mit diesem Feature. Es endet mit der Pointe, dass die nur scheinbar so unpopulistische Kanzlerin Merkel am Ende die Gewinnerin sein wird.
Wie Merkel den G20-Gipfel gegen die sich selbst bekämpfenden Sozialdemokraten gewonnen hat, erklärt ihnen Eckart Lohse (FAZ). Wer so viele Eigentore schiesst, braucht sich über den vermutlichen Spielausgang nicht zu wundern.
Update 13.7.: Albrecht Müller teilt meine Verzweiflung. Obwohl er mit seinem Besserwissertum linke Zusammenarbeit eher erschwert als befördert.

Eine Parallele im Spiel um die Weltmacht: Ex-CIA-Analyst Ray McGovern beschreibt die Eigentore der US-Administration gegenüber China und Russland (in einer dankenswerten Übersetzung der Nachdenkseiten) – auch in diesem Prozess ist das Merkel-geführte Deutschland auf der Seite potenzieller Profiteure.

Heute ausserdem sehr lesenswert: Arno Widmanns/FR Faible für kompetente und attraktive Migrationsforscherinnen führte mich zu diesem Text von Naika Foroutan über die “Narration der Nationen“. Unser Selbstbild von dem, was wir sind und wer nicht dazugehört, verrät vor allem viel über uns und unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit, aber fast nichts über die, die wir – historisch meistens vergeblich – auszuschliessen versuchen.

Barbara Schweizerhof, hier schon gewürdigt, macht erneut einen Film durch ihre Besprechung erst spannend und interessant, auf den ich durch seinen Titel, seinen Plot und seine Ankündigung allein nicht aufmerksam geworden wäre: Krieg der Geschlechter und Filmmachen im Krieg, mit Superschauspieler*inne*n.

Entertainment im selbstfahrenden Auto – der Krieg um die Marktanteile hat schon begonnen (FAZ-Technik).

Der Wille zum Feind (Politische Sprache III)

von Reinhard Olschanski

Über populistische Rhetorik
Einleitung

Der Populismus bespielt die große Bühne. Kaum ein westliches Land ohne erbitterten Kulturkampf – für das Abendland und gegen den Islam, gegen Flüchtlinge, Migranten oder „korrupte” Eliten. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wurde der Populismus zum Faktor der Weltpolitik. Eine Hassrhetorik, die alle Ansprüche an Mäßigung und Verständigung mit Füßen trat, hat ihn ins Amt geführt. Auch in den großen europäischen Ländern ist der Populismus ein Faktor. Der vom britischen Populismus angestoßene Brexit stellt eine historische Weichenstellung dar. In Frankreich ist der Front National ein politisches Schwergewicht. In Italien hatte der Populismus mit Berlusconi und seinen Bündnispartnern bereits eine große Stunde. Und auch die Bundesrepublik ist längst keine Insel der Seligen mehr, die sich ihrer „rechtspopulistischen Lücke” erfreuen kann. In Österreich scheiterte der FPÖ-Kandidat knapp bei der Präsidentenwahl und in EU-Staaten wie Ungarn, Polen oder der Slowakei schwächt ein Populismus an der Macht die Gewalten-teilung und das demokratische Institutionengefüge. Vor dem Hintergrund dieses beängstigenden Tableaus könnte man fragen, was eigentlich übrig bleibt von jenem liberalen, weltoffenen, auf Demokratie und Menschenrechte setzenden Westen, der, bei all seinen Widersprüchen und Problemen, doch lange ein hochattraktives Modell war. Können die Gesellschaften des Westens dem neuen Ansturm des Illiberalen, Völkischen und Nationalen standhalten? Oder ist das alles nur – wie einige immer noch meinen – halb so schlimm? Ein Sturm im Wasserglas?

Der vorliegende Band kann keine abschließenden Antworten auf die vielen neuen und verwirrenden Fragen geben. Es gibt wohl niemanden, der das gegenwärtig kann. Doch möglich und dringend nötig ist es, an einigen zentralen Stellen gezielt nachzufragen. Und zwar nicht nur mit Blick auf politische, ökonomische, soziale oder kulturelle Bedingungen, die zum Aufstieg des Populismus beigetragen haben, sondern auch hinsichtlich des Stils seiner Verlautbarungen. Denn er scheint ja in besonderem Maße ein „rhetorischer” Politikstil zu sein. Hier, auf dem Feld des Rhetorischen, ist er „ganz bei sich”, in seiner guten oder auch weniger guten Stube, in der seine Wortführer einen sehr speziellen Austausch mit ihrem Publikum suchen. Weiterlesen

In den USA ist Populism links

Darauf weist ein heute im Deutschlandfunk gesendeter Essay von Jan-Werner Müller hin. Er ist Teil einer Reihe von vier Beiträgen zu den USA, die insgesamt geeignet sind, unser Scheinwissen über die USA in mehr Wissen zu übertragen. Nicht alles in den USA ist schlechter als bei uns. Populisten (und auch Liberale) sind dort fortschrittliche gesellschaftliche Kräfte.
Bevor nun linke Möchtegern-Populisten hierzulande in ein “Siehste” ausbrechen, sollten sie zunächst mal nach Antwort auf die Frage suchen: warum greifen selbst unsere “linken” Populisten, wie z.B. Lafontaine und Wagenknecht, bei ihrer Populismus-Interpretation ständig auf rechte Stereotype zurück?
Wie schlimm es um Populismus in Deutschland aussieht, dem hat sich als Schwerpunktthema die Jungle World (Ausgabe 42/2016; wenn Sie den Link später anklicken, suchen sie dort nach dieser Ausgabe) angenommen. Sie zeigt dabei auch das Bemühen, eine inflationäre Nutzung des Faschismus-Begriffs zu vermeiden, ohne die aktuellen politischen Sachverhalte zu verharmlosen.

Spiegel / Populismus

Eine Telepolis-Autorin war mitgelost worden, um im Juni an einem Treffen von Spiegel-MitarbeiterInnen mit 100 LeserInnen teilzunehmen. Was sie dort erlebt hat, liest sich erheblich eindrucksvoller als das Blatt selbst.

In der Linken gibt es eine intellektuell-strategische Debatte, was solcher Politik Herrschender und ihrer Medien entgegenzusetzen ist. Stark verkürzt kann man es “Populismus”-Debatte nennen. In der aktuellen Jungle World findet sich dazu eine interessante Bestandsaufnahme.

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