Manfred “Mani” Stenner, seit 26 Jahren Geschäftsführer des Bonner “Netzwerk
Friedenskooperative” agierte und verhandelte immer mit sanfter Stimme, aber in der Sache
zäh und beharrlich. Während Volkmar Deile (Aktion Sühnezeichen), Gerd Greune (IFIAS) und
Lukas Beckmann (Grüne), Martin Böttger (Jungdemokraten) und Tissy Bruns (MSB Spartakus),
Heidi Hutschenreuther (Friedensliste) und Dieter Schöffmann (Graswurzelbewegung) wortund
trickreich die politischen “Bündnisse” der Friedensbewegung schmiedeten, bevor Petra
Kelly, Robert Jungk, Uta Ranke-Heinemann, Erhard Eppler oder Martin Niemöller auf den
Demonstrationsbühnen die großen Reden hielten, war sein Beitrag eher still, aber um so
nachhaltiger.


Mani Stenner war der praktische Friedensbeweger er war es, der mit vielen anderen die
“Bezugsgruppen” organisierte und trainieren half, unter allen Umständen friedlich zu bleiben,
ausschließlich passiven Widerstand zu leisten, bevor sie im Herbst 1983 bei der Blockade des
Bundesverteidigungsministeriums in Bonn von Grenzschutzbeamten weg getragen wurden.
Denn niemand wusste damals, wie die Staatsmacht auf die Sitzblockaden vor dem
Allerheiligsten des Militärs reagieren würde. Niemand anders als diese Gruppen durften
deshalb direkt dort hin.
Er war der Organisator, der über Sprechfunk mit den Ordnern der großen
Friedensdemonstrationen in Verbindung stand, der im alternativen “Lagezentrum” die Fäden
in der Hand hielt, damit 1981 150.000, 1982 über 200.000, 1983 350.000 Menschen in der
Bundeshauptstadt Bonn fröhlich und ohne Störung oder nennenswerte Konflikte mit der
Polizei ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen konnten. Der auch mit der
“Gegenseite”, dem Lagezentrum der Polizei, Kontakt hielt und als zuverlässiger und
glaubwürdiger Ansprechpartner viele kleine Missverständnisse entschärfen konnte. Der auch
später der Öko- und Bürgerrechtsbewegung bei Demos und Aktionen in Bonn und anderswo
mit Rat und vor allem Tat zur Seite stand, immer den friedlichen Ablauf im Blick.

Sein Gegenüber ernst nehmen

Manis Erfolgsgeheimnis beruhte darauf, nicht nur zu überzeugen, sondern sein Gegenüber
ernst nehmen und dessen Interessen verstehen zu können. Auch wenn Situationen zu
eskalieren drohten, wo sich gewaltbereite Demonstranten und hochgerüstete Polizei
gegenüber standen, blieb er ruhig und versuchte, rational zu (ver-)handeln. Sprechen,
miteinander kommunizieren, den anderen als Menschen mit Gefühlen und Ängsten
wahrnehmen – das war sein Prinzip und sein Erfolg. Auf beiden Seiten, ob “Schwarzer Block”
der Autonomen, oder manch etwas härter gesottene Einsatzhundertschaft der Polizei war
Mani ob seiner hartnäckigen Gewaltlosigkeit gefürchtet, aber zugleich geachtet und
geschätzt.

Demonstrationskultur

Die in der Polizei seit den 90er Jahren an Akademien gelehrte
“Deeskalationsstrategie” ist in Wirklichkeit die Demonstrationskultur, die Manni Stenner und
sein “Gegenpart” der damalige Bonner Polizeipräsident Michael Kniesel gemeinsam gegen- und
miteinander entwickelt haben. So hat Mani in den 90er Jahren konsequent im “Bonner Forum Bürger und Polizei” diesen Dialog weiter getrieben. Beide Seiten lernten zu verstehen, dass Polizisten nicht
“Bullenschweine”, sondern Menschen sind, die fürchten, nach drei Tagen Turnhallenübernachtung verletzt nach Hause zu kommen, obwohl sie privat vielleicht ebenso denken, wie die Atomkraftgegner, gegen die sie den Castor-Transport beschützen. Dass Demonstierende sich mit und trotz ihrer Ängste an Schienen ketten oder gegen Wasserwerfer anrennen, Bauzäune besetzen – weil da Menschen mit legitimen Anliegen stehen, die von der Politik ignoriert werden.

Es geht um Grundrechte

Grundrechte – wie wir es bei der informationellen Selbstbestimmung angesichts von NSA und
Google sehen – sind niemals für alle Zeit gewährt, sondern müssen immer neu verteidigt und
erstritten werden. Auch dies wusste Mani Stenner und hat sich konsequent gegen rechte
Gewalt und Neonazis engagiert. Vor allem aber hat er geholfen die Demonstrationsfreiheit
und die Demonstrationskultur im Lande zu entwickeln. Auch sie ist bedroht, wenn wer auch
immer, wie in den letzten Tagen, öffentlich menschenverachtende Parolen schreit,
Minderheiten bedroht und verunglimpft oder gar den Tod wünscht. Dabei geht es nicht in
erster Linie um die strafrechtliche Würdigung, es geht vor allem um Aggression und Hass in
den Köpfen.

Jedem Hass entgegengetreten

Wenn eine junge deutsche Bürgerin mit palästinensischem Migrationshintergrund im Radio-
Interview Parolen wie “Tod Israel” rechtfertigt, weil “doch in Ghaza hunderte Menschen ihr
Leben lassen müssen” was seien denn im Vergleich dazu hier ein paar Parolen wie diese –
dann hat sie wohl nicht verstanden, dass Krieg und Gewalt, die in Palästina herrschen, ihren
Ursprung im Denken und im Hass von Menschen haben.
Mani Stenner hätte ihr vermutlich entgegnet, dass Kritik an der Politik der israelischen
Regierung legitim, aber Hass, Rassismus und Antisemitismus inakzeptabel sind, weil sie die
Menschlichkeit zerstören und zu Gewalt und Krieg führen. Und er hatte die Gabe, es so zu
formulieren, dass sie ihm zugehört hätte, nachdenklich geworden wäre.

Stets im Anderen den Menschen erkannt

Er hatte ein humanistisches Menschenbild verinnerlicht, das ihn befähigte, im Anderen zuerst
den Mitmenschen zu erkennen und auf ihn einzugehen – was wir heute ganz aktuell und für
die Zukunft von Mani als “Friedensbeweger” lernen können. Mehr noch: Damit hat die
Friedensbewegung die Bundesrepublik Deutschland und vielleicht auch die damalige DDR ein
Stück verändert und ein demokratisches und offenes Klima geprägt. Einen gewaltloseren
Diskurs und offeneren Dialog ermöglicht, als es die 60er und 70ere Jahre kannten und damit
grundlegend mit den konfrontativen Straßenkämpfen der alt-68er und der damaligen
Staatsmacht gebrochen. Damit haben Mani und seine Mitstreiter im Hintergrund letztlich viel
mehr erreicht, als sie zu hoffen wagten.

Am vergangenen Donnerstag ist sein großes Herz für die Menschen und den Frieden für
immer stehen geblieben. Danke, Mani für alles. Wir werden uns bemühen, die Schritte ohne
Dich weiter zu gehen, die Du uns geebnet hast.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net