Seit vieler Programmreformen bin ich meinem Heimatsender WDR untreu geworden, weil er sich vor meinem Ausschalten gefürchtet hat. Das A und O heutiger Programmdirektionen in TV und Radio ist die Panik vor dem “Ausschaltimpuls”. Vor lauter Angst davor, haben sie die Einschaltimpulse gleich mitvernichtet. Das Letzte, was mir beim WDR noch geblieben ist, ist das Kulturmagazin Mosaik auf wdr3, bei mir aber nur, in alter Tradition zwischen 8 und 9. Auf rätselhafte Weise hat es bis heute überlebt.
Heute bin ich beim Deutschlandfunk im Exil. Er ist, ähnlich wie die FAZ, eigentlich das Medium der paranoiden sich in Deutschland so verstehenden Elite. Er hat viele Mitarbeiter, die sich eigentlich in der Rolle eines Regierungssprechers oder Spin-Doktors besser aufgehoben fühlen würden. Aber wenn ich das als Hörer weiss, kann ich ihre Arbeit ja durchaus zu meinem Nutzen dechiffrieren. Immerhin sind sie alle von mir bezahlt.
Hier aktuell ein paar, vorbildlich nachhörbare Perlen seines Programms: Das Wochenendjournal am Samstagmorgen, kann man gut nach dem Ausschlafen und vor dem Aufstehen hören, ist nicht nur journalistisch sorgfältig und engagiert gearbeitet, es hat auch passende und gut hörbare Musik; Gesichter Europas, gestern zur Lage des italienischen Weinbaus, ist eine regelmässig exzellent gebaute Stunde zu einem Schwerpunktthema, klassisches Zuhörradio. Die wöchentliche Spitzenleistung ist Die Lange Nacht; ich muss aber zugeben, nur eine einzige, die von Michael Kleff zum 100. Geburtstag von Woody Guthrie, zu ihrer Sendezeit in voller Länge geschafft zu haben. Sonntags sind die “Informationen und Musik” ein angenehmer Hintergrundkontrast zu den tagesaktuellen Informationsendungen. Wenn dann das Religionsprogramm folgt, ist es Zeit mich im Bett nochmal umzudrehen und wieder wegzudämmern. Heute war allerdings eine beeindruckende Ausnahme. “Essay und Diskurs” dann am Sonntag das, was in der Woche das wdr3-Mosaik für mich ist.
Rechtzeitig zur Live-Übertragung des Gottesdienstes ist es dann Zeit für mich, das Radio zu verlassen und unter die Dusche zu gehen.
Wenn dann Rolf Clement, der Vertreter der Sicherheitsdienste im Deutschlandfunk, Programmplatz für die Propaganda des Bundeskriminalamtes erobert hat, ist es Zeit zur “Deutschlandrundfahrt” beim Schwesterprogramm Deutschlandradio auszuweichen.
Wunderbar entspannend und informativ als Einstieg in den ausgeschlafenen Sonntag funktioniert der “Sonntagsspaziergang”, von dem ich regelmässig beim Zuhören kaum glauben kann, das es solches Radio noch gibt, ein ausgewogenes Verhältnis von Reisefeuilleton und gesellschaftlicher Information, mit exzellenten AutorInnen, die sogar über den Geruch von Kaffee spannend sprechen können, eine eigene Kunstform, die vom Ausssterben bedroht ist.
Zu den “Zwischentönen”, einer phänomenalen Gesprächssendung von der Länge eines Fußballspiels, ist es dann Zeit, einen Fisch in die Pfanne zu werfen, einen Wein zu öffnen, und in fast schon orgiastischer Form Nahrung für Körper und Geist gleichzeitig zu sich zu nehmen.
Neben dem oben erwähnten Herrn Clement gibt es noch ein Moderationsärgernis im DLF, Jürgen Liminski. Wenn er abends vor dem Einschlafen dran ist, gibt das Gelegenheit, wieder zum Schwesterprogramm zu wechseln, und “Fazit” eine Stunde früher zu hören.
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