Untersuchungsausschüsse sind politische Kampfmittel der Opposition – dieser Ruf zumindest eilt ihnen voraus, obwohl ihre Berichte selten geeignet sind, substanzielle Sachaufklärung zu betreiben. Der Flick-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages Mitte der 80er Jahre mag da eine Ausnahme gewesen sein – aber das Beispiel zeigt, dass es schon einer messerscharfen Analyse und Argumentation bedarf, wenn das Parlament Regierungshandeln ausleuchten möchte. Dazu gehört, dass Vorsitzende solcher Ausschüsse integer sein müssen, wenn sie mit der notwendigen Unabhängigkeit agieren wollen. Einer, der am eigenen Leibe gespürt hat, was passieren kann, wenn man in einer Position als Obmann oder Vorsitzender keine lupenreine Biografie hat, war einst Trutz Graf Kerssenbrock (CDU), der 1987 im Kieler Barschel-Untersuchungsausschuß sympathisch unbefangen zu Werke ging und überzeugt war, damit “unserer Demokratie zu dienen” (Der Spiegel), dass ihm die eigenen Parteifreunde letztlich ein Bein stellten und dafür sorgten, dass Kerssenbrocks Dissertation peinlichst untersucht und zum Platzen gebracht, d.h. von der Universität Hamburg widerrufen wurde.
Im Untersuchungsausschuß über die Kölner Ausschreitungen am Silvesterabend 2016 ist nun Peter Biesenbach MdL (CDU) der Vorsitzende und wer sich ein bisschen in der rechtsstaatlichen Geschichte oder den weniger rechtsstaatlichen Geschichtchen in NRW auskennt, dem kann Biesenbach kein Unbekannter sein. Als 2003 die Kölner Klüngeleien um die Müllverbrennungsanlage vor Gericht verhandelt werden sollten und ehemalige SPD- und CDU- Stadtgrößen sich vorm Landgericht und vor dem vorsitzenden Richter Martin Baur verantworten sollten, versuchte ein Schöffe mit CDU-Parteibuch vom Schöffenamt entbunden zu werden, weil er angeblich berufliche Nachteile aufgrund der zu erwartenden häufigen Gerichtstermine fürchtete. Um dies zu erreichen, hatte er seinen Parteifreund Peter Biesenbach, damals rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, gebeten, im aus der Patsche zu helfen.
Beeinflussung des Gerichts
Nun muss der Laie wissen, dass es zu den verbrieften Verfassungsgrundsätzen gehört, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, den das Los und der Pensenschlüssel des Gerichts bestimmt – und dies gilt auch für Schöffen, denn Laienrichter sind im Verfahren den Hauptamtlichen völlig gleich gestellt. So können zwei Schöffen am Landgericht, wenn sie anderer Meinung als der Vorsitzende einer Kammer sind, durchaus auch einen Volljuristen bei der Urteilsfindung überstimmen. Kommt selten vor, aber es hat solche Fälle schon gegeben. Der Bedeutung der Richter ungeachtet scheint im Verfahren 2003 Biesenbach direkt den Vorsitzenden des Landgerichtssenats angesprochen zu haben, ob man sich “nicht einigen könne” auf den betreffenden Schöffen zu verzichten. Als dies der Richter als Beeinflussung des Gerichts empört zurückwies, hat Biesenbach angekündigt, sich direkt an den Justizminister zu wenden – eine unverhohlene Drohung gegenüber einem unabhängigen Gericht. Dokumentiert ist dies alles, weil es zum Gegenstand von Befangenheitsanträgen der Verteidigung im Prozess um die Müllverbrennung wurde und somit offiziell ins Verfahren eingeführt war. Biesenbachs Versuch stellt nichts anderes dar, als die versuchte Nötigung und Beeinflussung eines Gerichts.
Warum gerade diese Person?
Der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses kann Zeugen vernehmen und übt einem Gericht zumindest in einigen Punkten nahe kommende Rechte aus. Er kann Zeugen vereidigen, hat weitgehende Rechte gegenüber der Verwaltung, die in diesem Falle pikanterweise die Polizei und ihre Führung ist, wo besondere Sorgfalt geboten ist. Es werden Zeugen im Amt und solche wie der ehemaligen Polizeipräsident Wolfgang Albers im Ruhestand befragt werden, was ein gehöriges Maß an Fingerspitzengefühl und rechtspolitischer Integrität erfordern wird. Nicht zuletzt wegen der aufmerksamen internationalen Öffentlichkeit die auf die Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht schaut, muss, wer dieses Amt ausübt, allen Zweifeln gegenüber erhaben sein. Peter Biesenbach ist das gewiss nicht. Mit ihm hat wohl die CDU den Bock zum Gärtner gemacht. Dass Grüne, FDP, Piraten und SPD das mit tragen, möchte man kaum glauben.
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