Die versprochene spielerische Verbesserung hat die DFB-Elf heute voll geliefert. Gegen aufopferungsvolle und vollprofessionell verteidigende Nordiren erspielte sie sich Torchancen, die normal zum Turniersieg hätten genügen müssen. Spanien dagegen spielte sich aus der Favoritenrolle heraus und spielt am Montag im Achtelfinale gegen das bisher unschlagbar erscheinende Italien.

In meiner Fußballkneipe suchten die Fußballpraktiker emotionalen Zuspruch und Schutz vor der Mehrheit der kontinuierlich meckernden und stöhnenden Schland-Fans. Denn in den Augen der Praktiker wurde heute um 18 Uhr von beiden Mannschaften ein schön anzuschauendes Fußballspiel mit zahlreichen Torszenen und zum Zungeschnalzen veranlassenden Spielzügen geboten. Die DFB-Elf fand gefühlt ca. 10 mal den Weg durch die dicht gestaffelten nordirischen Abwehrreihen. Das konsequente Außenspiel von Hektor und insbesondere dem sensationell auftrumpfenden Kimmich – und als Gladbach-Fan fällt es mir sehr schwer einen Kölner und einen Bayern zu loben – schaffte Raum für etliche 100%ige-Torchancen, alleine Müller hatte vier in der ersten Halbzeit. In der Chancenauswertungstabelle einer Fußballzeitschrift müssten die DFBler jetzt Tabellennachbar von Portugal geworden sein.
Den Namen des nordirischen Torhüters Michael McGovern, auch schon über 30, werden sich viele Scouts aufgeschrieben haben. Er spielt bisher bei Hamilton Academical, die letzte Saison nur knapp dem Abstieg aus der schottischen Premier League entgangen sind, und sicher eine hübsche Ablösesumme gut gebrauchen können. Das goldene Tor von Gomez hätte er auch noch verhindert, wenn nicht einer seiner Verteidiger in diesem Moment auf ihm gelegen hätte.
Überhaupt die Nordiren: ihre Fans haben den Wettbewerb gegen die tennisartigen Schland-Fans um Längen gewonnen. Unterstützung der Mannschaft, Variations- und Stimmstärke der Gesänge, Gesamteindruck der Laune – alles klare nordirische Überlegenheit. Im Fußball der Zukunft, in dem das alles in die Spielwertung einfliessen wird, würde das vermutlich zu einem EM-Finale zwischen Irland und Nordirland führen. Der 3. Platz ginge an Wales; nun ja, das ist ja auch jetzt noch sportlich möglich.
Spanien dagegen wird in der Form des 1:2 gegen Kroatien heute klar im Achtelfinale an Italien scheitern. Sie haben wohl, jeder begnadete spanische Fußballer als Individuum, schon viel zu viel gewonnen. Der Ball war zwar ihr Freund, aber die Lässigkeit zu aufreizend. Und die Kroaten hatten heute, auch ohne Modric, zu viel fußballerische Qualität, um sich das nicht bieten lassen zu müssen.
Heute Nacht sehen wir Messi gegen die USA. Normalerweise ist er es, der den Unterschied macht.

 

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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