Das Handelsblatt berichtet heute über eine Studie des Beratungskonzerns Ernst&Young, deren Ergebnisse, sofern sie seriös sind, nur als spektakulär bezeichnet werden können. Sie machen besser verständlich, warum sich US-Präsident Obama im Kampf um die globale Herrschaft so über Schäubles Wirtschaftspolitik in der EU aufregt. Die EU-Konzerne werden aufgrund der konjunkturabwürgenden Politik durch die die EU-Macht ausübenden Deutschen zu leichten Opfern der friedlichen Kaufleute aus China, denen es ideologisch nebensächlich ist, ob sie aus privatem Profit- oder nach strategischem Staats-Interesse vorgehen, wenn es doch praktisch sowieso übereinstimmt.
Im ersten Halbjahr 2016 haben sie demzufolge in Europa 164 Unternehmensbeteiligungen erworben, davon 37 in Deutschland. Im Vorjahr waren es im ganzen Jahr 183, davon 39 in Deutschland. Es ist also fast eine Verdoppelung zu erwarten. In Kapital ausgedrückt ist die Steigerung noch heftiger: nach 40 Mrd. $ im Vorjahr, sind es jetzt schon 72,4 Mrd. $, davon 10,8 Mrd. $ in Deutschland. Weltweit hat China seinen Anteil an derartigen Transaktionen innerhalb von 10 Jahren von 1,7 auf 26% gesteigert. Friedliche Welteroberung ist eben viel effizienter als kriegerische.

Bemerkenswert ist die durchaus angebrachte Hervorhebung des Schweizer Chemieriesen Syngenta, der zusammen mit Monsanto, Bayer und BASF den agrarindustriellen Weltmarkt beherrscht. Chemchina, ein staatliches Chemieunternehmen, will Syngenta für 43,7 Mrd. Franken übernehmen, und wäre damit ein sehr wichtiges Standbein für die strategische Steuerung der Welternährung. Die Konkurrenten aus Deutschland und den USA sind über dieses aus dem Februar datierende Übernahmeangebot hinreichend verstört und über Gegenstrategien keineswegs einig. Man kann diese Auseinandersetzungen schon mit einem Weltkrieg um die Ernährung vergleichen. Er ist nämlich geeignet, egal wer von denen “gewinnt”, die biologischen Grundlagen unserer Ernährung dauerhaft zu zerstören. Flächendeckende Industrialisierung der Landwirtschaft, Standardisierung ihrer Erzeugung und Produkte, Massenproduktion nicht nur bei Tieren, Monopolisierung des Saatgutes, Ausbeutung des Bodens zugunsten von Masse statt Vielfalt- und ARTErhaltung. Das wäre das Ende für uns und sicher nicht weiter von der Wirklichkeit entfernt als ein Atomkrieg.

Antiamerikanismus und rassistisches Gelbe-Gefahr-Gefasel in Sachen China können wir gleich steckenlassen. Mit Bayer und BASF sind “wir” führend mit dabei. Und deutsche Konzerne dieser Branche können auch umgekehrt: einkaufen in China.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net