von Jan Pehrke

Auf dem globalen Agrarmarkt vollzieht sich ein neuerlicher Konzentrationsprozess. Die größte Transaktion bereitet dabei der Leverkusener Bayer-Konzern vor: Er möchte seinen US-amerikanischen Konkurrenten Monsanto übernehmen. Damit entstände ein marktbeherrschender Mogul, der wichtige Teile der Welternährung kontrolliert.

Die erste größere Konzentrationswelle im Agrar-Bereich begann vor ungefähr 20 Jahren. Den wesentlichen Impuls dafür gab die Gentechnik. Für die im Labor entwickelten neuen Pflanzeneigenschaften brauchten die Konzerne nämlich erst einmal Pflanzen. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, formulierte es ein Finanzanalyst. Bayer erwarb deshalb Unternehmen wie Stoneville, Gustafson, Reliance Genetics und Hornbeck; Monsanto brachte es ab 1996 sogar auf über 50 Zukäufe. Als Folge dieser Entwicklung bildeten sich oligopolartige Strukturen heraus. Kamen die zehn größten Anbieter 1985 zusammen auf einen Marktanteil von rund 12,5 Prozent, so waren es 2011 bereits 75,3 Prozent.

Die zweite Phase der Firmenübernahmen setzte 2015 ein. Dupont und Dow verkündeten einen Zusammenschluss, ChemChina erwarb Syngenta und aktuell bietet Bayer 63,5 Milliarden Dollar für Monsanto. In den Ausbau eigener Produktionskapazitäten zu investieren, um die von den Finanzmärkten geforderten Profitsteigerungen zu generieren, wagen die Multis derzeit angesichts schwächelnder Agrarmärkte nicht. Argentinien und Brasilien, die beiden größten Anbauländer in Lateinamerika, haben mehr oder weniger große Wirtschaftskrisen zu bewältigen und in den USA fallen die Getreidepreise, was die Budgets der LandwirtInnen schmälert. Da Arbeitsplatzvernichtungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen die Renditen nicht in ausreichendem Maße erhöhen, bleiben als Mittel der Wahl einzig Fusionen. Von „einer Art Endkampf um Marktanteile“ spricht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in diesem Zusammenhang.

Kämen alle Transaktionen zustande, ginge Baysanto als Sieger aus diesem Endkampf hervor. In den für die großen Investoren erstellten Werbebroschüren zum Übernahmeplan errechnet Bayer auf Basis der 2015er Zahlen stolz einen gemeinsamen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare Sygenta/ChemChina und Dupont/Dow folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden) und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden addieren sich die gemeinsamen Marktanteile auf rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte (GV) und konventionelle Ackerfrüchte auf rund 30 Prozent. Allein die GV-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position. Entsprechend besorgt reagierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittelmonopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Und der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die LandwirtInnen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwollsaatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht. Überdies hätten die FarmerInnen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. Bayers Glufosinat oder Monsantos Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den FarmerInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Giftdosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutzindustrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mehr mit neuem Wirkmechanismus für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der Bayer-Forscher Dr. Hermann Stübler. Er geht deshalb noch bis 2025 von „sehr wenigen“ Innovationen in diesem Pestizid-Segment aus.

Das kümmert Bayer jedoch wenig. Den Konzern treibt etwas ganz anderes um. Er strebt nach mehr Macht, und da erscheint ihm der Kauf von Monsanto als passende Gelegenheit. Einen „bedeutend größeren Fußabdruck auf dem Globus“ würden die zusammengelegten Geschäfte der beiden Firmen hinterlassen, frohlockt der Leverkusener Multi. In Lateinamerika wäre der von Baysanto etwa doppelt so groß wie die jeweiligen Auftritte der Unternehmen für sich genommen; 5,8 Milliarden Euro ergäbe die Summe der Umsatzteile.

Eigentlich war Bayer gerade dabei, Monsanto auf dem Markt für GV-Soja herauszufordern. Da sich im Laufe der Zeit immer mehr Wildpflanzen an das auf die „Round Up Ready“-Früchte abgestimmte Herbizid Glyphosat gewöhnt haben, drängt der bundesdeutsche Global Player besonders mit seinen „Liberty Link“-Sorten auf die Felder. Zur Vorbereitung dieses Coups fing er in Lateinamerika bereits vor Jahren an, kleinere Saatgutfirmen wie Granar, Soytech oder Wehrtec zu übernehmen. Und jetzt zeichnen sich erste Erfolge ab. Der letzte Geschäftsbericht macht für die Region „eine sehr erfreuliche Entwicklung des Saatgut-Geschäfts, vor allem mit Sojabohnen und Gemüsesaatgut“ aus.

Der geplante Deal würde diesem Wettbewerb ein Ende bereiten: Baysanto dürfte versuchen, eine friedliche Koexistenz der beiden Produkte zu organisieren. Im Übrigen nehmen diese Ackergifte sich nicht wirklich viel. Das auf die „Liberty Link“-Pflanzen geeichte Glufosinat steht Glyphosat in Sachen „Gesundheitsschädlichkeit“ kaum nach. Nach Meinung der Europäischen Union hat das Pestizid sogar mehr Risiken und Nebenwirkungen als das Monsanto-Mittel, weshalb Brüssel die EU-Zulassung nicht über 2017 hinaus verlängert hat. Mit dem vermehrten Einsatz auf den Feldern wird es zudem auch in Sachen Resistenzbildungen bald zu Glyphosat aufschließen.

Und all dem ständen die LandwirtInnen dann noch hilfloser gegenüber als ohnehin schon, denn mit der gesteigerten wirtschaftlichen Macht des neuen Moguls geht auch eine gesteigerte politische Macht einher. Bei einem Streitfall wie dem im Juni 2016 beigelegten zwischen der argentinischen Regierung und Monsanto, bei dem das US-Unternehmen – letztlich erfolgreich – strengere Kontrollen einforderte, um die Lizenzzahlungen für sein Gentech-Saatgut besser eintreiben zu können, hätten die staatlichen Stellen noch einmal weniger Druckmittel in der Hand. Ihnen stünde beispielsweise nicht mehr die Möglichkeit offen, Monsantos Drohung, bei einer Zuwiderhandlung neue Sojasaaten in dem Land nicht mehr anzubieten, mit dem Verweis auf „Liberty Link“ als Alternative zu begegnen.

Bayer hingegen präsentiert die avisierte Übernahme als Antwort auf die Frage: „Wie können wir zusätzliche drei Milliarden Menschen auf der Welt im Jahr 2050 ernähren?“ Dabei liefern die mit den cash crop der Agro-Multis bestückten Äcker in Argentinien, Brasilien und anderswo vor allem eiweißreiches Tierfutter für die multinationale Fleischindustrie und verdrängen die Kuhweiden und Felder mit Nahrungsmittelgrundstoffen. Die „Bohnen-Krise“ in Brasilien hat das vor kurzem wieder drastisch vor Augen geführt. Hauptsächlich, weil die Anbauflächen für schwarze Bohnen, mit denen sich gerade die Ärmsten der Armen ernähren, drastisch zurückgehen, erhöhten sich die Preise für diese Gemüseart exorbitant. Die Regierung wusste sich deshalb keinen anderen Rat, als bis vorerst November die Importzölle zu senken und auf vermehrte Einfuhren zu setzen.

Um leere Mägen scheren sich Bayer & Co. also herzlich wenig. Wie die jüngsten Entwicklungen zeigen, scheuen sie noch einmal davor zurück, aus Profitgier ein zynisches Monopoly-Spiel um die Nahrungsgrundlagen der Menschheit zu entfachen. Für die Coordination gegen BAYER-Gefahren aber ist die Welternährung eine zu ernste Sache, um sie den Agro-Riesen zu überlassen. Sie fordert deshalb, die Konzerne unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.

Der Autor Jan Pehrke ist aktiv bei der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift “ila 398 Sept.2016” und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung ihrer Redaktion.

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