von Markus Kurth MdB
Die taz kommentierte unseren 8-Punkte-Plan überaus kritisch. Hierauf habe ich nun reagiert.
Hier geht es zum 8-Punkte-Plan und hier zum Kommentar von Pascal Beucker in der taz.
Sehr geehrter Herr Beucker,
mit großem Interesse habe ich Ihren Kommentar zum 8-Punkte-Plan der Grünen für einen gerechten Arbeitsmarkt gelesen. Sie werfen uns hierbei vor, dass wir mit unseren Vorschlägen nicht substanziell über die Vorschläge des SPD-Kanzlerkandidaten hinaus gingen und nur ein Bruch mit der Agenda 2010 ein Befreiungsschlag für uns hätte sein können.
Sie blenden erstens aus, dass Bündnis 90/Die Grünen sich schon lange kritisch mit der Agenda 2010 auseinandersetzen – und zwar auf allen Feldern: In der Arbeitsmarktpolitik, der Gesundheitspolitik und zuletzt auch in der Rentenpolitik. Dies hat uns harte Angriffe von rechts eingebracht. Beispielsweise sind Forderungen wie die Erhöhung des Hartz-4-Regelsatzes, die Perspektive einer sanktionsfreien Grundsicherung und ein öffentlich geförderter sozialer Arbeitsmarkt immer wieder Anlass für unsere politischen Gegner, um Ressentiments gegen Langzeitarbeitslose zu schüren.
Zweitens bin ich der Meinung, dass Ihr Beitrag von falschen Prämissen ausgeht. Es geht uns weder darum, in einen Überbietungswettbewerb mit der SPD zu treten, noch darum, bekenntnishaft die Agenda 2010 zu verdammen. Entscheidend für die Lebenssituation der Menschen, die durch die Agenda 2010 teils massive Unsicherheit erfahren haben und erfahren, ist die Veränderung der Verhältnisse. Und zwar konkret und nicht auf der Ebene von Symbolpolitik!
Mit der Vorstellung des 8-Punkte-Plans haben wir Grüne zweierlei im Sinn. Zum einen heißen wir Martin Schulz im „Klub der Agenda-Kritiker“ willkommen. Es ist gut, wenn er dazu beitragen kann, eine ernsthafte Debatte um die Fehlentwicklungen zu führen. Wir sind bei ihm, wenn er die sachgrundlose Befristung abschaffen und Lohndumping durch Leiharbeit verhindern will. Zum anderen zeigen wir aber auf, dass die Vorschläge von Schulz bislang wenig Konkretes beinhalten und dort, wo sie konkret sind, in die falsche Richtung gehen.
Die Verlängerung des ALG I-Bezugs allein verzögert nämlich nur den Übergang in Arbeitslosengeld II, sie verhindert ihn indes nicht. Genau an dieser Stelle aber machen wir konkrete Vorschläge, um Menschen davor zu bewahren, „nicht in kürzester Zeit ins Bodenlose“ zu fallen. Wir wollen, dass Arbeitslose durch staatliche Förderung so schnell wie möglich wieder in den Job kommen. Die Arbeitslosenversicherung muss hierfür zu einer echten Arbeitsversicherung weiterentwickelt werden, die sich auf die Aus- und Weiterbildung konzentriert. Sollten Arbeitslose trotz dieser Bemühungen langzeitarbeitslos werden, wollen wir den Betroffenen eine angst- und möglichst sanktionsfreie Grundsicherung an die Seite stellen. Das menschenwürdige Existenzminimum muss zu jeder Zeit garantiert sein! Mit der Erhöhung der Vermögensfreibeträge und der korrekten Berechnung und Anhebung des Regelsatzes kann das Leben der Langzeitarbeitslosen zudem erleichtert werden. Angst macht den Menschen zudem, dass sie ihre Wohnung verlieren könnten. Hier muss mit Augenmaß vorgegangen werden, damit auch Langzeiterwerbslose in ihren vier Wänden bleiben können.
Unsere Grüne Garantierente ist eben doch etwas substanziell anderes als die Solidarrente der SPD, weil von ihr deutlich mehr Frauen profitieren und im Alter nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gerade Frauen sind es nämlich, denen Armut im Alter droht.
All diese Forderungen waren in der Vergangenheit mit der SPD nicht durchzusetzen. Ihr Blick geht dann doch vorwiegend in Richtung älterer Facharbeiter und weniger in Richtung besonders betroffener Gruppen wie Langzeitarbeitslose, gesundheitliche Beeinträchtigte und Frauen. Hier braucht es Grüne Sozialpolitik. Eine emanzipatorische Grundsicherung, die sich der Zielsetzung „Teilhabe“, „Selbstbestimmung“ und „Menschenwürde“ verpflichtet sieht, ist ein Thema, das klar erkennbar bei Bündnis 90/Die Grünen nicht nur seinen festen Platz hat, sondern geradezu konstitutiver Bestandteil des Grünen Selbstverständnisses ist.
Mit freundlichem Gruß
Markus Kurth MdB – Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion B90/Grüne, Obmann der Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales
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