Beueler-Extradienst

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Haluk Yildiz und das öffentlich-rechtliche Trash-TV

Ich kenne Haluk Yildiz. Nicht überragend gut, aber besser als deutsche Talkshow-Redakteur*inn*e*n. Er wandert derzeit durch die Programme, weil an der Castingrecherche gespart wird. Talkshows gibt es nur aus einem Grund so viele: weil sich viel Sendezeit von ihnen billig füllen lässt. Nun also von Haluk Yildiz.

Ich lernte ihn als Sprecher des Rates der Muslime in Bonn kennen. Ich persönlich halte nichts von Religionen, bin aber im Voltaireschen Sinne immer dafür: jede*r wie er oder sie will. Hatte also netten und höflichen Umgang mit ihm, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich beriet ihn sogar in vereins- und parteirechtlichen Fragen, nannte ihm Stellen wo er sich schlauer machen könne, lernte auch seine – zu früh verstorbene Ehefrau – kennen.

Seine Idee einer Parteigründung, aus der später BIG wurde, war für mich schon Ausdruck überzogener Hybris, aber auf der Basis unseres Grundgesetzes gutes Recht jedes und jeder Bürger*in*s, der/die das versuchen will.

2,1% bei der Kommunalwahl 2009, da hätte jeder vernünftige Mensch eigentlich danach “geheilt” sein müssen, aber die 5%-Hürde für Kommunalwahlen war gerade vom Verfassungsgericht abgeschafft worden und BIG kam mit 2 Sitzen in den Stadtrat. Von jetzt an kannte Yildiz’ Hybris keine Grenzen mehr. Er wollte BIG landes- und bundesweit ausdehnen. Die Wahlergebnisse hatten allerdings immer eine 0 am Anfang. Relevanz ist das nicht.

Verhaltensauffällig waren er und seine Freunde als ich 2009 eine Veranstaltung im Frauenmuseum mit dem neugewählten Grünen-Parteivorsitzenden Özdemir organisierte – es war übrigens seit Joseph Fischer in der Beethovenhalle in den 90ern die bestbesuchte, die die Bonner Grünen jemals gemacht haben. Zu einem Podiumsgespräch luden wir den heutigen Extradienst-Gastautor und ausgewiesenen Erdogang/Gülen/AKP-Kritiker Hidir Celik und BIG-Ratsfrau Hülya Dogan.

Das war anscheinend ein “Hammer” für all die Macho-Männer in der BIG, die Dogan massiv unter Druck setzten zugunsten von Yildiz abzusagen, was wir freilich nicht akzeptiert hätten. Es blieb bei der vorgesehenen Besetzung. Aber der Druck auf Hülya Dogan, die heute nicht mehr in der BIG aktiv ist, hatte sich die Bezeichnung Psychoterror redlich verdient.

Politisch relevant ist BIG heute nirgends mehr, jedenfalls nicht durch Wahlergebnisse. Allenfalls durch machogesteuerte Wichtigtuerauftritte in einzelnen “Integrationsräten”, die in der Regel auf Basis einstelliger Wahlbeteiligungen zusammengesetzt werden – diese Gremien sind ein feudalismusähnlicher Gnadenakt gegenüber den Migrant*inn*en, denen Deutschland und NRW bisher auch nicht das geringste Wahlrecht geben wollen.

Die Aufgabe der BIG-Leute ist wohl eine andere. Zu Zeiten der Zusammenarbeit von Erdogans AKP und der Gülen-Sekte waren sie deren öffentlicher legaler politischer Arm in der Bundesrepublik. Infiltration und Lobbying in der – in Bezug auf die Türkei in der Regel komplett ahnungslosen – ehrenamtlichen deutschen Kommunalpolitik gelang und gelingt ihnen durchaus. Nachdem die Gülen-Sekte nun von Erdogan exkommuniziert wurde, haben sie sich anscheinend mehrheitlich für Erdogan und die Macht entschieden. Weniger gefährlich ist das.

Dass sie nun aber von der bekannt schlechtcastenden Böttinger und heute sogar von Illner ins ZDF gelockt werden, um die Talkshowkirmes anzuheizen, das ist ein widerlicher politischer Opportunismus, nicht von Yildiz und BIG, sondern von dem deutschen Fernsehen, das Sie und ich von unserer Haushaltsabgabe bezahlen. Ist denn wirklich kein Funken Verstand und Verantwortung mehr in den Köpfen der diese Shows verantwortenden Redaktionen? Zu doof für Suchmaschinenrecherche? Oder zu doof zum Verstehen von dem, was man da findet? Zu doof zum Telefonieren, z.B. bei denen in Bonn die Yildiz und BIG kennen (und das sind sehr viele, die mehr wissen, als ich hier schreibe)? Am meisten leiden darunter die Türk*inn*en in Deutschland, von denen die deutschen TV-Sender durch solche Repräsentant*inn*en ein verheerend falsches Bild zeichnen. Gott, wirf Recherchetalent vom Himmel! (Wenn es Dich gibt.)

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

4 Kommentare

  1. Rolf Mautz

    Sehr geehrter Herr Böttger,
    Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag zu Haluk Yildiz gelesen , der mir aus der Diskussion um das Theaterstück “Zwei Welten ” das in den Godesberger Kammerspielen aufgeführt wurde bekannt ist . Schon damals hat Herr Yildiz , der sich gerne als Brückenbauer
    bezeichnet – solange es ihm politisch opportun erscheint – sich bei mir bekannten Journalisten angeboten über seine Aktivitäten zu berichten und Einblick in den Bonner Rat der Muslime und die Verbindung zur Godesberger Al Ansar Moschee zu geben . Es ist allerdings in der Folge nur beim Austausch von Visitenkarten geblieben , denn Herr Yildiz lässt sich nicht gerne in die Karten gucken und beherrscht glänzend die Strageme der ” lächelnden Rethorik ” . Ich habe nach der Maybritt Illner Sendung , in der er sich als Erdogan Anhänger outete , Beschwerde Mails an den ZDF Fernsehrat geschrieben , in dem ich die mangelnde Recherche zum politischen Hintergrund der Person Yildiz zum Thema machte . Nachdem eine Antwort des Fernsehrates als auch der Illner Redaktion ausblieb , habe ich erneut angemahnt und gestern eine Mail der Chefredaktion erhalten , ich möge mich mit der Antwort gedulden .

  2. Haluk Yildiz

    Seltsam, dass Martin Böttger, der meint mich besser zu kennen scheint als ich mich selbst, dreist gegen mich hetzt. Seine Verleumdungen gegen mich und meine Partei werde ich unserem Rechtsanwalt übergeben.
    “Die Aufgabe der BIG-Leute ist wohl eine andere. Zu Zeiten der Zusammenarbeit von Erdogans AKP und der Gülen-Sekte waren sie deren öffentlicher legaler politischer Arm in der Bundesrepublik. Infiltration und Lobbying in der – in Bezug auf die Türkei in der Regel komplett ahnungslosen – ehrenamtlichen deutschen Kommunalpolitik gelang und gelingt ihnen durchaus. Nachdem die Gülen-Sekte nun von Erdogan exkommuniziert wurde, haben sie sich anscheinend mehrheitlich für Erdogan und die Macht entschieden. Weniger gefährlich ist das.”
    Warum er hetzt liegt auf der Hand. Aber dies zu kommentieren ist es mir hier nicht wert.

  3. Roland Appel

    Ach, lieber Herr Yildiz! Wer Martin Börrgers Aktikel als “Hetze” und “Verleumdung” bezeichnet, ist offensichtlich nicht bereit, sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Wer statt zu argumentieren mit dem Anwalt droht, ist dazu entweder intellektuell nicht fähig oder hat genau das geschlossene, autoritäre und machohafte Weltbild, das Martin Böttger gezeichnet hat und das auch der Diktator in Ausbildung Erdogan verkörpert. Der Unterschied zwischen Demokraten und Nichtdemokraten bemisst sich nicht an den vorgeblichen Zielen, sondern vor allem an den Methoden, mit denen sie verfolgt werden. Zur Demokratie gehört Streitkultur, die sich auf Augenhöhe auseinandersetzt, statt den anderen nieder zu brüllen oder zu bedrohen. Oder wie Erdogan Journalisten und Oppositionspolitiker ins Gefängnis werfen zu lassen. Viel Spaß beim Anwalt – ein Blick in den Spiegel mehrmals am Tag würde Ihnen und Herrn Erdogan guttun.

    • H. Yildiz

      Herr Appel, ziemlich daneben kommentiert sage ich nur. Kritik ist was anderes als Verleumdung. Herr Böttger hat mich schon verstanden. Sie müssen nicht den Anwalt spielen. Ihre Spiegel-Aussage sagt viel über Ihre geistige Haltung aus.

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