Die Torschlusspanik der Parteien hat wenige Tage vor der Landtagswahl den Bonner Stadtrat und seine Mehrheitskoalition aus CDU, Grünen und FDP erfasst. Drei Bebauungspläne waren der Anlass, und als Sahnehäubchen gab es einen abgelehnten For-Show-Antrag der CDU für mehr Videoüberwachung dazu. Es wird keinem der Beteiligten genutzt haben, weil es nur ihr bemitleidenswertes Niveau offenlegte.

Zur Erinnerung: nach der Kommunalwahl 2014 gibt es im Bonner Stadtrat nur zwei Möglichkeiten der Mehrheitsbildung, die Obengenannte, oder CDU/SPD. Letzteres hatte es bis zur Kommunalwahl 2009 unter OB Dieckmann gegeben, die nur durch außerordentliche Sorgfalt beim Sauberhalten ihrer Akten in der WCCB-Affäre vor einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren verschont blieb. Weil die damalige CDU-Führung natürlich, wie fast alle, mehr wusste, als in den Akten stand, hatte sie die Nase von den Genoss*inn*en voll, CDU und Grüne fanden sich zum ersten Bonner Schwarz-Grün zusammen. Bei der Wahl 2014 wurden dann, zur allgemeinen Überraschung, nicht die Grünen, die 1.500 Stimmen dazugewannen, sondern die CDU vom Wahlvolk bestraft.

Welche Interessen sollen nun die Bonner “Jamaika”-Koalition sprengen? Das ist nicht leicht zu ergründen. Für die Landtagswahl heute mag es opportun sein zu zeigen, dass sie sich nicht mögen. Herrjeh, das wäre ein bisschen arm, oder?
Der Streitgegenstand, drei Bebauungspläne, ist durchaus wichtig. Aber vor allem, worüber sich wirklich alle, alle einig sind, weil wir in Bonn Wohnungsnot haben, und zwar was kostengünstiges Wohnen betrifft. Der Streit geht nicht ums Ob, sondern ums Wie. Und das soll eine Koalition sprengen?

Die CDU kämpft gegen Windmühlenflügel, behauptet aber, das wäre gar keine Windmühle, sondern die Grünen. Sie lässt geflissentlich weg, auf das Unwissen der Öffentlichkeit spekulierend, dass Klima-, Landschafts- und artenschutz auf Recht und Gesetz, und nicht auf grünen Träumereien beruht. Und bei einem Bebauungsplan die schon beschlossene Sozialbindungsquote von 30% wegzulassen, das kann wirklich nicht ernstgemeint sein.

Auf grüner Seite dagegen gibt es eine nie verborgene Unlust, mit CDU und FDP überhaupt konstruktiv und ausdauernd zu verhandeln, weil die Mehrheit der Stadtratsfraktion, zwar nie öffentlich artikuliert, aber “immer schon sowieso” gegen den Koalitionsbeschluss der Mitglieder von 2014 gewesen ist, und deswegen keinerlei Verpflichtung sieht, nun für einen Erfolg eines Beschlusses, den man selbst abgelehnt hat, auch noch hart zu arbeiten. Niemand ist zum Kandidieren für etwas, was man für Blödsinn hält, gezwungen worden; und wird auch nicht gezwungen dieses Mandat – gewählt bis 2020! – zu behalten. Mandatsträger*innen dürfen ausserdem nicht erwarten, dass geheime Gedanken von Mitgliederbasis und Öffentlichkeit dennoch gelesen werden; sie müssten schon offen vorgetragen werden.

Viele Bonner Bürger*innen werden sich mal wieder in ihrem Bild von “der Politik” und “den Politikern” bestätigt sehen. Ihnen halte ich entgegen: man bekommt da immer das, was man verdient. Alternative: Selbermachen!

Legitim wäre es von denen in den Grünen, die sich für links halten, einen öffentlichen Diskurs, für die grünen Mitglieder aber auch für die nicht wenigen interessierten Wähler*innen zu entwickeln, für bessere politische Alternativen zur “Jamaika”-Koalition. Die gäbe es zweifellos, und es ist nicht schwer, sich sowas vorzustellen. Allein: auch dafür bräuchte man ein Votum der Wähler*innen. Vorgezogene Kommunalwahlen sind in der NRW-Gemeindeordnung kaum vorgesehen. Es würde also, nicht – wie einige Stadtratsmitglieder meinen – weniger, sondern mehr Arbeit und Stress machen, das inhaltlich fundiert anzustossen. Das sollen jetzt die drei Bebauungspläne gewesen sein? Das ist auch nicht ernstgemeint, oder?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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