Viele Hoffnungen knüpfen sich in Frankreich, in Deutschland und im übrigen Europa an die Amtszeit von Emmanuel Macron. Die ersten Reformen, die er angekündigt hat, setzen unterschiedliche Signale. Die Reform des Wahlrechts weg vom Mehrheitswahlrecht und die Reduzierung der Zahl der Parlamentarier lassen mehr demokratische Repräsentation und effizienteres Arbeiten des Parlaments erhoffen. Auch eine dadurch gestärkte Opposition kann der Kompromißfindung und damit eine Versöhnung des durch Populismus tief gespaltenen Landes mittelfristig erleichtern. Was aber nun Angela Merkel und Emmanuel Macron der Öffentlichkeit als erste gemeinsame ökonomische Europaprojekte vorgestellt haben, muss doch eher Kopfschütteln auslösen.

Nein, keine flächendeckende Förderung der Elektromobilität durch kompatible Ladesäulen, nicht etwa Modernisierung der regionalen grenzüberschreitenden Schienennetze, keine gemeinsamen Anstrengungen für eine Energiewende, um längst schrottreife Atommeiler wie Fessenheim abzuschalten. Nicht etwa Investitionen in die Breitband-Infratruktur, Vorantreiben des französischen und deutschen Know-how Transfers bei der Förderung und Sicherheit der Wirtschaft 4.0, beim Datenschutz und der Sicherheit gegen chinesische, russische oder sonstige Wirtschaftsspionage. Kein ökologischer Landbau, kein Verbot von Pestiziden und auch keine Qualifizierungsprogramme für arbeitslose Jugendliche und Gründerförderung, keine Förderung neuer Dienstleistungsangebote. Keine Schritte, die Gesundheitsversorgung und sozialen Sicherungssysteme voran zu bringen. Keine Initiative zur Bekämpfung der Flüchtlingskrise durch ökonomische Förderung Nordafrikas. All das, was die Menschen betrifft, was dringend erneuerungsbedürftig oder erschaffenswert wäre, um die Umweltzerstörung zu verlangsamen und das “nachhaltiges Wirtschaften” genannt wird, haben Macron und Merkel trotz voller Staatskassen ignoriert.

Stattdessen einen neuen europäischen Kampfjet, Kooperationen bei der Entwicklung eines neuen Panzers als Nachfolger von Leopard 2 und gemeinsame Anschaffung von Gewehren. Milliardenprojekte für die Rüstungsindustrie, die erkennbar so überflüssig wie kostspielig sein werden. Die Staatsknete wird, statt sie nachhaltig und gewinnbringend für die Bürger einzusetzen, für Rüstung verpulvert. Panzer sind eine Angriffswaffe an Land. In einem Europa, das weitestgehend von Freunden umzingelt ist, ein Anachronismus. Und ein neues Kampfflugzeug, nachdem der “Eurofighter” als modernstes Flugzeug der Bundeswehr und der britischen Luftwaffe noch nicht einmal in der geplanten Stückzahl fertig gebaut und ausgeliefert ist, ist so unnötig wie ein Kropf. Die Rüstungsindustrie hat offensichtlich die Ankündigungen Frau Von der Leyens und Macrons zur Aufstellung einer Europaarmee schon gierig antizipiert. Verwundern sollte das nicht, hat doch die Idee einen gewissen Charme, denn es kann ja schon gefragt werden, ob in einem vereinten Europa Österreich, Luxemburg, die Niederlande oder Dänemark eine eigene Luftwaffe vorhalten müssen. Aber solange nicht der politisch-strategische Plan diskutiert ist, wo denn die Aufgabe europäischer Streitkräfte liegen soll, ob es sich um eine Verteidigungsarmee oder eine Interventionstruppe für Krisengebiete wie Afghanistan oder Libyen handeln soll, sind Beschlüsse, wie sie nun Macron und Merkel gefasst haben, reine Geldverbrennung.

Wenn der amerikanische Präsident Trump in Saudi-Arabien als Waffenhändler und verlängerter Arm des militärisch-industriellen Komplexes auftritt, vor dessen Macht schon 1960 der scheidende US-Präsident Eisenhower warnte, bedeutet das nicht, dass Macron und Merkel ihn nun nachahmen oder gar übertreffen sollten. Es gibt wirklich wichtigeres für die Menschen in Europa und unsere afrikanischen Nachbarn zu tun. Wenn Sozialdemokraten oder Grüne derart unverfroren den Reichtum unserer Haushalte verpulvern würden, wären sie die Buhleute Europas. Merkel und Macron lässt man solche politischen Vergehen durchgehen. Das ist nicht nachhaltig und wird sich früher oder später rächen.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net