Der Untersuchungsbericht zu den zahllosen Missbrauchsfällen bei den Regensburger Domspatzen, schwerpunktmässig die 60er und 70er Jahre behandelnd, beherrscht im Sommerloch die Medienschlagzeilen. Zu Recht. Hier der FAZ-Bericht von Albert Schäffer, den ich noch als NRW-Korrespondent seines Blattes kennengelernt habe, ein humorvoller Kollege, der heute die bayrische Landespolitik so beschreibt, wie sie meistens ist: eine höhere Form des folkloristischen Kabaretts. Im heutigen Bericht kommt dieser Humor inhaltsbedingt nicht vor.
Mich erinnern die zitierten Beispielfälle an meine Schulzeit im Ruhrgebiet. Während es an meiner katholischen “Volksschule” im Stadtteil Gladbeck-Butendorf in den ersten vier Schuljahren halbwegs menschlich zuging (als Messdiener nahm ich persönlich keine sexuellen Missbrauchsfälle wahr, etwa gemäss dem Harald-Schmidt-Bonmot: “Da fällt mir vor Schreck der Messdiener vom Schoss.”), waren die Unterstufenjahre am seinerzeit noch elitären Jungen-Gymnasium in der Gladbecker Innenstadt für die meisten Schüler (Mädchen waren noch auf einer anderen Schule) eine Quälerei mit dem fast kompletten Arsenal an Sadismus, wie es heute aus Regensburg zitiert wird. In Gladbeck war das Ende der 60er/Anfang der 70er noch so. Die Gymnasien waren von CDU-nahen Studienräten und nicht wenigen Alt-Nazis (Sportlehrer!) beherrscht; nur durch Glück gerieten wir in der “Quinta” an einen schon pensionierten, greisenhaften, aber souverän humanen Klassenlehrer. In der “Sexta” zuvor regierte uns noch ein jähzorniger gewalttätiger Sadist, dessen Verhaltensweisen auf dem Schulhof mit Kriegsverletzungen am Kopf “erklärt” wurden.
Die sozialdemokratische Stadtverwaltung wusste offensichtlich was los ist. Sie setzte den rechten Lehrerkollegien sozialdemokratische Schulleiter vor die Nase, die mit hartnäckigem Reformdruck normalmenschliche Verhältnisse an den weiterführenden Schulen durchzusetzen versuchten. Trotzdem blieb es auch in den 70er Jahren noch üblich, dass Schüler im Klassenraum wie im Treppenhaus mit (Zeigestock, Lineal) und ohne Waffen geschlagen wurden.
Wer sich damals als Schüler zuhause bei den Eltern über diese Zustände beschwerte, wurde meistens zurechtgewiesen. Das Opfer werde schon was ausgefressen haben, war die gesellschaftliche Mehrheitsmeinung, weil es zuhause ganz ähnlich zuging (s. Roman von Ralf Rothmann und Film von Adolf Winkelmann: “Junges Licht”). Kein Vergleich mit heutigen “Helikopter-Eltern”, die sofort mit einem Anwalt auf der Matte stehen würden.
Wenn ich es doch vergleiche: heute ist es nicht gut, aber besser. Lieber Anwälte und Recht, als Gewalt.
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