Es ist eindeutig Sommerloch. Wie ein Glockenschlag wird das alljährlich bekannt dadurch, dass in den Lokalzeitungen die Rüpel-Radler wieder in den Schlagzeilen sind. Sie landen dort nicht durch konkretes Verhalten oder Ereignisse, sondern: weil Sommerloch ist. Ja, es gibt sie. Genauso, wie seit Jahrhunderten die Möglichkeiten der City-Durchquerung für Fahrräder unzureichend sind. Statt eine konsequente Verkehrspolitik zu machen, hetzt die Bonner Kommunalpolitik seit Jahrzehnten die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen, Fussgänger*innen und Radfahrer*innen aufeinander, so wie sie es z.B. auch mit der Sport- und der Kulturlobby macht, um anschliessend zu sagen: siehste – ohne mich würdet Ihr doch nur übereinander herfallen.
Ja, die City, und ebenso die Stadtteilzentren, sind gefährdet. Die Gefahr geht von den digitalkapitalistischen Plattformen, Logistikkonzernen und vom kapitalgetriebenen Immobilienmarkt aus. Das Plattmachen des Bonner Solarworld-Konzerns mit mehreren hundert hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Bonn ist eine Ausnahme. Das war auch nicht der böse Dumping-Chinese. Es war die CDU/FDP-Bundesregierung 2005-09, die einen Bürgerkrieg gegen die gesamte deutsche Solarbranche entfesselte. Und jetzt endgültig gewonnen hat; selbst Investorenkapital aus Katar konnte es nicht mehr retten. Damit ist die globale chinesische Marktführerschaft auf Jahrzehnte gesichert. Die Parteispenden von Frank Asbeck waren alle vergeblich.
Zurück zur City. Inhabergeführter Einzelhandel und ebensolche Gastronomie sind zu den heutigen Immobilienpreisen nicht mehr möglich. Es gibt sie nur noch an Stellen, wo Betreiber und Hausbesitz identisch sind. Das gilt nicht nur für die City, sondern auch für das boomende Beuel. D.h. auf Dauer zerstört der Markt die europäische Vorstellung und Kulturtradition von Stadt. Er widerspricht den Bedürfnissen der Stadtbewohner*innen. Die geniessen das Stadtleben gerade wegen seiner sozialen Eigenschaften. Einerseits weniger Sozialkontrolle als auf dem Dorf, andererseits so viele Gemeinschaftsgelegenheiten, wie jede/r mag. Konflikte bleiben dabei nicht aus, die Menschen sind verschieden.
Wo erlebe ich städtische Gemeinschaft? Beim Edeka um die Ecke, wenn ich dort zufällig Bekannte aus der Nachbarschaft treffe; im Momo-Bistro beim Mittagessen, wenn dort ebenfalls zufällig Freunde und Bekannte vorbeikommen, und weil ich mit Maika und Klaus Kleinöder über Gladbach, Barca, BVB und die Frauen-EM fachsimpeln kann; beim Mittagessen im Dante, wenn Jürgen Harder mir die Erfolge des BSC erklärt; im El Horizonte wenn wir dort Fußball live gucken, oder bei Olivotti, dem besten Eis und Espresso der rechten Rheinseite. In einer lebenden Stadt hat jede*r Bewohner*in eine ähnliche Infrastruktur, in der sie/er sich wohlfühlt, und darum hier und nicht woanders wohnen will.
Um die namentlich genannten Beueler Infrastrukturen mache ich mir auf absehbare Zeit keine Sorgen. In der gegenwärtigen ökonomischen Entwicklung ist aber immer mehr davon in Gefahr. Lobenswerte Initiativen, wie z.B. das Engagement der Friedrichstraße, können das nur bremsen, aber nicht aufhalten. Die Stadt könnte mit Immobilienbesitzern reden; sie hat aber keinen Hebel gegen den Immobilienkapitalismus. Hier ist eine grundsätzlichere Umkehr erforderlich.
Da wir darauf angesichts des zu erwartenden Bundestagswahlergebnisses noch lange warten müssen, sind Zwischenschritte erforderlich. Die inhabergeführte Bonner Gastronomie und Einzelhandel müssen sich selbstbewusster gegen Konzernstrategien zusammenschliessen und artikulieren. Handwerkliche Produktion und individuelle Kundenbindung sind etwas grundsätzlich Anderes, als globale Marketingstrategien und Geschäftsmodelle. Weder mit dem Kaufhofkonzern noch mit dem österreichischen Geldwäscher und Immobilienhai Benko, Karstadt-Besitzer und Viktoriakaree-Vergammellasser, gibt es ein gemeinsames Interesse.
Immer weniger Kund*inn*en werden mit dem Auto kommen, Junge wie Alte. Immer mehr werden sich online über Angebote orientieren. Immer mehr suchen nach Aufenthaltsqualität in ihrer Umgebung, immer weniger nach möglichst zügiger Durchfahrt zu anderen Zielen; schneller als mit der 66 oder dem Fahrrad geht es sowieso nirgendwohin.
Und dann gibt es da noch eine Sommerloch-Sau, den “Kulturbeauftragten für Beuel“. OK, wenn man damit mal schön in die Zeitung kommt. Aber im Ernst: was soll das? Entscheidend ist doch die Person, die es macht. Das könnte auch der Bezirksbürgermeister machen (wenn es ein anderer wäre). Oder der Kulturdezernent (wenn er mehr Rückenstärkung vom OB bekäme). Oder die Pantheon-Leitung stellt sich selbst an die organisierende Spitze. Es müsste jemand machen, der/die nicht Ruhm, Ehre und Dank erwartet, sondern es tut, weil es getan werden muss. Und weil es Spass macht. So jemand kann dann auch “Beauftragter” heissen, aber darauf kommt es nicht an.
Aber schöne Probleme.
Andere Stadtteile hätten gerne eine Kulturszene.
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