Die vermutlich schlimmste Jauchegrube – diese Metapher stimmt sowohl olfaktorisch als auch in der Farbgebung – unter den Landesämtern für Verfassungsschutz war (und ist?) wahrlich das Landesamt in Thüringen, dem Heimatland der bisher bekannten NSU-Terrorist*inn*en. Ausgerechnet dort wurde eine Rot-Rot-Grüne Landesregierung ins Amt gewählt. Sie betraute Stephan Kramer, zuvor Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, mit der Aufgabe, den Dienst und insbesondere sein V-Leute-Wesen grundlegend umzubauen. Der bisherige Eindruck laut Matthias Jauch im Freitag: der gute Wille ist da, aber gelungen ist es nicht.
Vor vielen Monaten fragte mich ein befreundeter und grundseriöser fortschrittlicher Journalist um Rat. Er habe eine Einladung zu einem Auftritt bei Ken Jebsen und überlege noch, ob er hingehen solle. Ich bin kein Berliner, habe mich auch nie für Berliner Kommunalpolitik und das dortige Vereins- und Sektenleben interessiert. Wohl aber war mir die unverständlich hitzige Aufregung um die Kurzstudie von Wolfgang Storz für die Otto-Brenner-Stiftung zum Thema “Querfront” in Erinnerung geblieben. Spätestens hier konnte ich der fanatischen Verbitterung eines Albrecht Müller nicht mehr folgen. Müller geht mittlerweile für Wagenknecht durch dick und dünn.
Und nun echte Überraschung: die Junge Welt, die bisher in der Regel für den “linken” Linksparteiflügel um Wagenknecht und Lafontaine Partei nahm, veröffentlichte heute eine ausführliche Namen und Adressen nennende Analyse, warum es nicht links ist, Herrn Jebsen auf den Medienleim (“es gibt kein Rechts und Links”) zu gehen.
Nicht überraschend, aber noch radikaler in seiner Kritik ist Ivo Bozic in der Jungle World, der anhand der inhaltlichen Positionen den Wagenknecht-Flügel in der Linken zum Rechten Flügel erklärt.
Und die arme Katja Kipping versucht im taz-Interview klarzumachen, was die Positionen der Mehrheit ihrer Partei sind.
Ich bin mit den individuellen Positionen der handelnden Personen und ihrem alltagstaktischen Intrigenverhalten nicht vertraut. Und das ist mir auch lieber so. Was Jebsen und seinen Freund*inn*en aber offensichtlich gelungen ist, ist, eine komplette linke Oppositionspartei über viel zu viele Monate mit Selbstbeschäftigung lahmzulegen. Da tut sich also ein weites Feld für die Grünen auf. Die kenne ich zufällig viel besser, um feststellen zu müssen: viel zu weit, weiter als sie es bearbeiten können.
Das macht das Ganze so dramatisch für die Lage unserer Demokratie.
Eine Sache fällt mir im Linksparteikonflikt auf: es sind nicht wenige alte Sozialdemokraten (Lafontaine, Müller, Dehm, Wehr), die mit nicht geringem Fanatismus-Aufwand die alte sozialdemokratische Nationalismus-Grundierung in sich aufleben lassen. Unbearbeitete Phobien?
And now something completely different, aber ein viel grösserer Beitrag zu politischer und sprachlicher Klarheit: Sabine Hark und Paula Irene Villa haben ein Buch über “Köln”, das Sylvester-Köln geschrieben, ein in Deutschland entscheidender ideologischer Wendepunkt und die notwendigen Klärungsprozesse für Feminismus und Antirassismus. Hier dazu das Interview im Freitag.
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