1 Terrabyte (TB) ist das Speichervolumen eines Weihnachtsgeschenks, das ich dieses Jahr, ich weiss gar nicht mehr von wem, bekommen habe. Es ist wenig grösser als ein Spekulatius. Und darauf gespeichert sind, selbstverständlich nur für streng privaten Gebrauch, so ziemlich alle relevanten US-Serien, egal von welchem Streaminganbieter. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen von denen zu abonnieren, schon weil ich mein ganzes Datengold behalten, und nicht diesen Milliardären spenden will. Insofern entgeht denen auch kein Geschäft. Und ich lebe sowieso nicht mehr so lange, um das alles gucken zu können.
Wenn es also so einfach ist, an künstlerisch und handwerklich gut gearbeitete Filme mit exzellenten Schauspieler*inne*n zu kommen, wer braucht dann noch deutsches Fernsehen? An den Weihnachtstagen gab es einen Tag Bingewatching von “Graves“. Ein in Rente geschickter Ex-US-Präsident, rechter Republikaner, wie er in seinen letzten Lebensjahren das wahre Leben kennenlernt (gespielt von Nick Nolte, so grossartig, wie ich den noch nie gesehen habe) und seine total bekloppte Familie, seine Gattin startet gerade ihre eigene Politkarriere. Alles im US-amerikanischen Originalton, die Stimmen so atmosphärisch, dass eine Synchronisation fast schon ein Verbrechen wäre. Aber die Gefahr besteht auch nicht; deutsche TV-Sender sind nicht interessiert.

Die sind entschlossen, gemeinsam mit ihrem Publikum auszusterben. In der FAS beschreibt der Regisseur Uwe Janson seine Erlebnisse mit unseren Anstalten. In irgendein Lob für sein eigenes Werk “Das Pubertier” kann ich nicht einstimmen, es wirkte auf mich eher wie eine laffe “Kinderstunde”, an dieser Wortwahl erkennen Sie mein Lebensalter. Aus der “werberelevanten Zielgruppe“, einst von Helmut Thoma für RTL erfunden, bin ich schon lange raus und jetzt im Kernzielgruppenalter von ZDF und Dritten Programmen. Ich guck aber gar nicht mehr zu. Mit 60!
Was Janson also beschreibt, ist eher geschönt als dramatisiert.
Selbst in den Nischen “ONE” (ARD) und ZDFneo grassiert die Quotenabhängigkeit, in Sendern deren Zuschauerzahlen kaum messbar sind. Wo haben die Programmverantwortlichen nur ihren Verstand hingetan?

Die Schande daran ist, dass das öffentlich-rechtliche Mediensystem einst von der britischen Besatzungsmacht dazu gedacht war, uns nach der Befreiung vom Faschismus beizubringen, wie Demokratie geht. Diese elementare Aufgabe wird derzeit von den Sendern nicht nur – weitgehend – missachtet. Mit ihrem kompletten Herunterwirtschaften zerstören sie das gesamte System und seine demokratischen Potenziale. Wenn nicht noch irgendeine politische und journalistische Kraft daherkommt, und dieses dem Exitus entgegendämmernde System revolutioniert. Da die Jungen schon weg sind von diesen Medien, kommt niemand …..

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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